Bei einigen erfahrenen Wanderern Aha-Erlebnisse, bei anderen Staunen über die Schönheit der Alpenpflanzen – das waren die Reaktionen der Zuhörer auf den Vortrag. Isolde Maurer, pensionierte Biologie- und Chemielehrerin, erläuterte mit Hilfe eines kurzen Videoclips, wie die Alpen als junges Gebirge vor ca. 35 - 30 Millionen Jahren entstanden sind. Das dort gelegene (Tethys-) Meer wurde verdrängt, als die afrikanische und europäische Kontinentalplatte aufeinanderstießen und die Gesteinsschichten dadurch in die Höhe gefaltet wurden, beim Matterhorn und Mont Blanc wahrscheinlich bis zu 12 000 m hoch! Die heutige Form ist durch Erosion und Abtragung entstanden. Erstaunlich ist, dass auf den höchsten Berggipfeln noch heute Fossilien des früheren Meers zu finden sind. Da durch den Rückgang der Gletscher in den Hochalpen immer mehr Flächen eisfrei wurden, findet man dort bis zu 8 000 Jahre alte Holz- und Steinwerkzeuge von frühen Jägern und Siedlern. Interessant, dass die Härte des Gesteins wesentlich ist für die Beschaffenheit der Oberfläche: So erodiert weiches Gestein wie Kalk stärker, so dass Pflanzen besseren Zugang zu Nährstoffen finden. Auf hartem Silikat-Gestein wie Gneis und Granit findet man dagegen viele Quellen und Seen.
Als sich vor ca. 11 000 Jahren das Klima erwärmte und die Baumgrenze bis 2 500 m reichte, wurden die Lebensbedingungen besser für Menschen, so dass sich vor allem in der Jungsteinzeit ab 7 000 v.Chr. der Ackerbau und die Viehzucht mit Schafen und Ziegen entwickelte. In dieser Zeit ist auch der „Ötzi“ anzusiedeln, dessen Bild die Wissenschaft inzwischen stark korrigiert hat: Er war ca. 160 cm groß, hatte uns wohl vertraute Krankheiten wie Karies, Borreliose und eine Anlage zur Diabetes, außerdem dunkle Hautfarbe und Tätowierungen. Seine Vorfahren lebten in Anatolien.
Aus der mittleren Bronzezeit um 3 500 stammen astronomisch ausgerichtete große Steine, sogenannte Megalithen, wie wir sie von Stonehenge her kennen. Vor 2000 Jahren schließlich gliederten die Römer die Alpen in ihr Herrschaftsgebiet ein und schufen vor allem mit ihrem Straßensystem die Grundlage für ihre Erschließung und Überquerung.
Der letzte, wichtigste Teil des Vortrags befasste sich mit der Vegetation. Interessant ist, dass pro 100 Höhenmetern die Temperatur um 0,3 °C sinkt und die Zeit des Wachstums sich um 2-3 Wochen verkürzt. Frau Maurer gelang es, die Zuhörer in eine beeindruckende Welt der Pflanzen einzuführen, weil sie die Beschreibung der Pflanzen und ihrer Wachstumsbedingungen in den verschiedenen Höhenstufen mit Fotos verknüpfte, die sie alle selbst auf ihren Wanderungen aufgenommen hat. Im Folgenden nur eine kleine Auswahl der geschilderten Pflanzen:
Die kolline (Hügel-) Stufe am Fuß der Alpen wird landwirtschaftlich genutzt mit Wein-, Obst- und Getreideanbau und Almwiesen.
Die montane Mittelgebirgsstufe besteht aus Misch-, besonders Nadelwäldern; die Vegetationszeit beträgt 200 Tage. Hier findet sich eine schöne Flora mit Enzian, Türkenbund und Orchideen wie dem Knabenkraut. In der subalpinen Stufe gibt es u.a. Hochstauden wie Alpendost und Weidenröschen. An der Baumgrenze finden sich noch Sträucher wie Latschen, Alpenrosen und einzelne Bäume. Die alpine Stufe (bis 3 000 m) besteht vor allem aus Schutt- und Mattenregionen, in denen man genau hinschauen muss, um z.B. Alpensüßklee, Weißen Germer (eine Lilienart), Primelarten oder die Mondraute zu finden, bei der jedes Jahr nur ein einziges Blatt wächst! In der nivalen (Schnee-) Zone schließlich wachsen vorwiegend Flechten und wenige mehrjährige Pflanzen, die sich in Felsspalten halten. So wächst der Gletscherhahnenfuß bis in 4 200 m Höhe, braucht aber mehrere Jahre bis zur Blüte. Viele Pflanzen schützen sich gegen Temperaturunterschiede bis zu 50 °C und gegen die intensive Bestrahlung durch stark leuchtende Farben wie beim Leimkraut oder stängellosen Enzian, starke Behaarung wie beim Edelweiß oder durch Polsterbildung dicht am Boden wie beim Steinbrech oder Leinkraut.
Vielleicht motiviert uns dieser lebendige und anschauliche Vortrag dazu, bei unserer nächsten Wanderung in den Alpen (oder auch auf der Alb) intensiver darauf zu achten, welche bunte, wunderbare Welt uns umgibt!