Städtepartnerschaft Philippsburg - Ile de Ré
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50 Jahre Städtepartnerschaft Philippsburg-Île de Ré

Nachstehend lesen Sie ein Grußwort von Bürgermeister a.D. Fritz Dürrschnabel, das er beim Festabend anlässlich des 50-jährigen Partnerschaftsjubiläums...

Nachstehend lesen Sie ein Grußwort von Bürgermeister a.D. Fritz Dürrschnabel, das er beim Festabend anlässlich des 50-jährigen Partnerschaftsjubiläums an die Freunde der Städtepartnerschaft Philippsburg-Île de Ré per Brief richten wollte:

Liebe Freunde von der Île de Ré und Philippsburg,

das 50-jährige Jubiläum ist ein willkommener Anlass, bei den zahlreichen Begegnungen unsere Partnerschaft in großer Freude zu feiern. Auch wenn unsere Städtepartnerschaft nur ein kleiner Beitrag im Gesamtgefüge der Bemühungen für Freiheit, Frieden und Freundschaft zwischen unseren Völkern ausmacht, ist es ein Augenblick, der uns mit großer Dankbarkeit und Zuversicht erfüllt.

Nie wieder Krieg! Der sehnlichste Wunsch – heute nötiger denn je –

Ja, es ist ein Gebot der Stunde, alles zu tun, dass unsere Völker nicht mehr in einen Krieg verwickelt werden. Daher sind diese Bemühungen für Partnerschaften, verbunden mit persönlichen Begegnungen, von Stadt zu Stadt, von Familie zu Familie, Schule zu Schule und den Vereinen, von größter Bedeutung. Sie schaffen die Basis, auf der die staatlichen Beziehungen aufbauen können, denn sie bieten ein festes und sicheres Fundament, des Miteinander und Füreinander.

Im Buch der Bücher, der Bibel, lesen wir, dass vor 2300 Jahren König Kohelet feststellte, „es gibt nichts Neues unter der Sonne“ und alle künftigen Generationen mahnte, aus der Vergangenheit zu lernen. Daher ist es wichtig, dass auch künftige Generationen aus der Geschichte lernen.

Ich erinnere mich noch gut an die vielen Gespräche unserer Eltern und Großeltern, die völlig traumatisiert von den Ereignissen des 1. und 2. Weltkriegs, diesen Wunsch

– nie wieder Krieg

uns in die Wiege legten. Auch wenn nun bereits wieder zwei Generationen seit der Gründung unserer Partnerschaft vergangen sind, ist es wichtig, daran zu erinnern, wie unsere Partnerschaft zustande kam und all denen zu danken, die in der Vergangenheit mithalfen, sie aufzubauen und zu festigen.

Stellvertretend darf ich den Initiator auf französischer Seite: André Brizard und dessen Nachfolger Jean Moreau namentlich nennen. Eingeschlossen sind alle Kuratoriumsmitglieder, die von der ersten Stunde an dieser vorbildlichen Bürgerinitiative - wie sie einmal unser damaliger Ministerpräsident Späth nannte und auszeichnete - mit Leben erfüllten und sich mühten, diese Gedanken in den Herzen unserer Jugend zu verankern.

Als ich 1973 zum Bürgermeister gewählt wurde, hatte ich mir vorgenommen, dass auch Philippsburg einen aktiven Beitrag zum gemeinsamen Haus Europa leisten und eine Partnerstadt in Frankreich suchen sollte. Das glückliche Zusammenkommen dieser Freundschaft mit der Île de Ré verdanken wir der Tatsache, dass wir durch die Eingemeindung von Huttenheim bereits eine, wenn auch sehr kleine, französische Partnergemeinde hatten: Le Gua.

Der Initiator von Huttenheim und damaliges Gemeinderatsmitglied unserer Stadt, Gerhard Buch, sowie der französische Bürgermeisterkollege von Le Gua, Herr Bonhomme, standen hierzu Pate. Durch sie erfuhr ich, dass es auch auf der Île de Ré eine vom gleichen Gedanken beseelte Initiative gebe. Dort waren es nicht die Bürgermeister, sondern die Vereinigung der ehemaligen Kriegsgefangenen aus dem II. Weltkrieg, unter Leitung von André Brizard. Dieser kam nach harter Kriegsgefangenschaft in Deutschland als schwerkranker Mensch zurück in seine französische Heimat, mit dem Gedanken: Wir müssen alles tun, damit es nie mehr Krieg zwischen unseren Völkern gibt.

Und so fuhr ich denn mit einer kleinen Delegation aus Huttenheim nach Le Gua und traf mich am 28. Februar 1974 auf der Ile de Ré mit der dortigen Initiativgruppe. Es war für mich ein tief bewegendes Ereignis: als hätten sich alte Freunde getroffen. Am Ende des Gedankenaustausches sagte mir Herr Buch, dass man nun eine verbindliche Zusage für eine Städtepartnerschaft von Philippsburg erwarte. Und da ich diese Herzlichkeit nicht enttäuschen durfte, sagte ich zu, im Vertrauen darauf, dass auch unser Gemeinderat dieser Partnerschaft zustimmen würde. (Was er dann auch tat!)

Fast alle Familien hier und in Frankreich hatten traumatische Erlebnisse in den Kriegstagen und teilweise auch noch danach zu beklagen. Es gab auf beiden Seiten noch viele Ressentiments und Vorurteile, die aber durch ein geschwisterliches Miteinander nach und nach abgebaut werden konnten.

Ich wollte keinen Kommunaltourismus, sondern eine Partnerschaft – getragen von den Familien, den Schulen und Vereinen unserer Stadt – damit diese Idee auch in den Herzen unserer Kinder verankert würde. Und so gründeten wir unser Partnerschaftskuratorium.

Zu meiner großen Freude konnte ich rasch viele verantwortliche Persönlichkeiten in unserer Stadt finden, die dieses gemeinsame Ziel von Frieden und Freundschaft unter den Völkern als ihren Auftrag ansahen und bereit waren, in unserem Kuratorium mitzuarbeiten. Ja, es war vielen ein Herzensbedürfnis.

Aus Schüleraustausch und Vereinsbegegnungen wurden tragende Freundschaften. Doch das Allerwichtigste ist der Kontakt von Familie zu Familie, damit man Einblick in den Lebensraum und das Denken der Partnerfamilie findet. Auch wenn Sprache und Lebensgewohnheiten sich unterscheiden, wächst so großes Verständnis für einander und gegenseitiges Vertrauen.

Mit großer Betroffenheit wurden wir in diesem Jahr an den Beginn des I. Weltkriegs vor 110 Jahren und den Beginn des II. Weltkriegs vor 85 Jahren erinnert und an die Parolen, mit denen junge Menschen damals „gefüttert“ wurden und in den Krieg zogen. Ja, sie waren Verblendete und glaubten sogar, einer guten Sache zu dienen.

Daher ist es so wichtig, aus der Geschichte zu lernen und die Gegenwart mit Verständnis für den anderen fürsorglich zu meistern. Dazu gehört auch das Teilhaben-Lassen unserer Freunde an kulturellen und gesellschaftlichen Ereignissen und sie wie eigene Verwandte in die Familien aufzunehmen. Den Alltag mitzuerleben und Höhepunkte zu feiern mit Fahrten und Veranstaltungen. Diese Begegnungen sind wichtig und geben Einblick in den Lebensraum der Gegenwart. Einblick in die Arbeitswelt, die Kultur, Vereinsgeschehen und Konzerte sind ebenso wichtig, wie auch gemeinsames gutes Essen.

– Wenn ich beispielsweise an die „Schlemmerbälle“ der 80er Jahre denke, die wir, dank Léon Gendre aus La Flotte, in unserer neu restaurierten Jugendstil-Festhalle feiern durften!

So durften wir in Frankreich, wie auch hier bei uns, in der Vergangenheit viele solcher Partnerschaftsveranstaltungen miterleben, die uns bleibend in Erinnerung sind.

An den Fahrstrecken zwischen der Ile de Ré und Philippsburg liegen aber auch Monumente – gleich welche Route wir auch nehmen – beispielsweise Hartmannsweilerkopf oder Verdun – die uns erinnern, mahnen und beauftragen, das Erreichte unseren Kindern und Kindeskindern mit der Verantwortung für die Zukunft, die Lehren aus der Vergangenheit weiterzugeben.

Wie zerbrechlich der Weltfrieden ist, wird uns täglich vor Augen geführt. Selbst innerhalb von Volksgemeinschaften, die demselben Kulturkreis angehören oder durch eine Ideologie verblendet sind, lassen sich auch heute noch Menschen zu den scheußlichsten Verbrechen hinreißen.

Wie glücklich dürfen wir uns schätzen, dass unsere Völker, auf der Basis der christlich-abendländischen Kultur, deren Rechtsordnung fußend auf den Zehn Geboten Gottes, in freier und demokratischer Selbstbestimmung Rechtsordnungen geschaffen haben, die die Würde des Menschen als unantastbar allem voranstellt. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. So beginnt unser Grundgesetz.

50 Jahre Städtepartnerschaft sind ein Beweis, dass wir aus der Geschichte gelernt haben. Gleichzeitig ist es Auftrag, diese Verantwortung miteinander täglich zu leben. Und so wünsche ich uns allen weiterhin eine von Gott gesegnete Zukunft in Frieden und Freiheit.

Es lebe die deutsch-französische Freundschaft und unsere Partnerschaft!

Fritz Dürrschnabel

Erscheinung
Stadtanzeiger Philippsburg
NUSSBAUM+
Ausgabe 44/2024

Orte

Philippsburg

Kategorien

Kultur
von Städtepartnerschaft Philippsburg - Ile de Ré
02.11.2024
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