
„Schande über diejenigen, die Gesetze gegen Gottes Willen geschaffen haben. Schande den Erfindern der Rassengesetze. Es lebe die Freiheit!“
Am 5. Juli 1945, nur vier Wochen nach Kriegsende, errichtete das "Polnische Komitee Tennenbronn" am Weg zum Langenberg eine hölzerne Gedenktafel mit diesem Text und hielt eine Gedenkfeier für ihren von der Gestapo an jener Stelle erhängten Landsmann Wladyslaw Repetowski. Es war eine der ersten Gedenkstätten an die Opfer des NS-Regimes in Deutschland.
Das Tennenbronner Heimathaus hat von 2016 bis 2019 in Vorträgen und in einem Buch zum "Nationalsozialismus in Tennenbronn" auch das Schicksal von Wladyslaw Repetowski geschildert, die Geschichte aber mit Rücksicht auf noch lebende Betroffene nicht zum Abschluss gebracht. Der Schramberger Stadtarchivar Carsten Kohlmann arbeitet seit längerer Zeit an einem Forschungsprojekt zu diesem Thema. Die Stadt Schramberg lud nun am 28.10.2025 unter Beisein von Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr und Robert Hermann und Alfred Moosmann vom Tennenbronner Heimathaus die örtliche Presse zur Vorstellung der bisherigen Ergebnisse ins Rathaus ein.
Die Gedenktafel ist längst verschwunden. Was war damals geschehen? Carsten Kohlmann schilderte das Schicksal einer Familie, das im Bewusstsein älterer Einwohner eine traumatische Erinnerung zurückgelassen hat. Am 5. Juni 1942 wurde an einem Baum auf dem Weg von der Unterschiltach auf den Langenberg der polnische Fremdarbeiter Wladyslaw Repetowski wegen so genannter „Rassenschande“ von einem Kommando der Gestapo erhängt. An der Hinrichtung mussten zur Abschreckung alle polnischen Fremdarbeiter aus der Umgebung teilnehmen. Wladyslaw Repetowski war auf dem Baschenjockelshof am Langenberg eingesetzt und wurde aufgrund einer Beziehung zu Agnes Kunz, einer Tochter des Bauern, festgenommen und ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Auf seine Entlassung aus dem KZ folgte die Hinrichtung.
Agnes Kunz, die zuvor in ihrem Elternhaus den gemeinsamen Sohn Franz Xaver Kunz entbunden hatte, wurde in das Konzentrationslager Ravensbrück und später in das „Jugendschutzlager Uckermark“ verschleppt. Das Kind verblieb bei der Familie und Agnes Kunz wurde Ende Oktober 1942 wieder zu ihren Eltern entlassen. Jedoch nicht nur Mitgefühl, sondern auch die Stigmatisierung als "Polenhure", erwartete sie in der Heimat.
"Das macht etwas mit einem, selbst als erfahrener Historiker", bemerkte Carsten Kohlmann. Er findet stets neue Mosaiksteine, sieht sich noch lange nicht am Ende seiner Forschung. Die Offenheit der heutigen Familie Kunz ist ihm eine große Hilfe. Sie stellte private Fotos zur Verfügung, die zum Entschlüsseln der alten Gedenktafel dienten. In Akten der Gemeinde lassen sich Informationen über viele Zwangsarbeiter in Tennenbronn herauslesen und sie beweisen, wie gut man informiert war. Gerichte, Gefängnisse und Ämter haben Dokumente hinterlassen, Täterdaten finden sich beispielsweise in Reisekosten-Abrechnungen.
Am Volkstrauertag, Sonntag, den 16. November 2025, wird die Stadt Schramberg zusammen mit dem Tennenbronner Heimathaus um 14.30 Uhr ein neues Gedenkkreuz am Ort der Hinrichtung von Wladyslaw Repetowski enthüllen mit anschließender Segnung durch Pfarrer Dörflinger. Danach um 15.30 Uhr stellt Stadtarchivar Carsten Kohlmann seine Forschungsergebnisse in einer Gedenkfeier im katholischen Pfarrsaal vor. Zu beiden Veranstaltungen ist die Bevölkerung herzlich eingeladen. Auch Angehörige der Familie aus Polen werden dazu erwartet.



