Liebe Mitchristinnen und Mitchristen,
Quasimodogeniti – „wie neugeborene Kinder“ – heißt der Sonntag nach Ostern. „Quasi modo geniti“ sind die ersten Worte der Antiphon, des Kehrverses zum Psalm für diesen Sonntag. Vollständig lautet dieser Kehrvers: „Wie neugeborene Kinder, Halleluja, voll Einsicht, ohne Hinterlist verlangt nach der Milch.“ Mit der Milch ist die gute Nachricht und frohe Botschaft von Jesus, der vom Tod auferstanden ist, gemeint. Viele haben einmal gesehen, wie begierig, drängend und ungeduldig Babys die Brust ihrer Mutter suchen, wenn sie Hunger haben. Es kann nicht schnell genug gehen. Daran sollen sich die Glieder der Gemeinde, an die der 1. Petrusbrief gerichtet ist, ein Beispiel nehmen, wenn es um die Botschaft von Jesus und seinem Sieg über den Tod geht.
In früheren Zeiten war es auch in Europa alles andere als ungewöhnlich, dass Kinder mit zwei oder drei Jahren teilweise gestillt wurden. Dementsprechend drängten zwei-, dreijährige Kinder an die Brust ihrer Mütter. Vielleicht hatte Jesus solche Kinder vor Augen, die er dann segnete. Seinen Freunden stellte Jesus solche Kinder als Vorbild vor: „Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“ Wir sollen Gottes Welt begierig, drängend, ungeduldig suchen, wie ein Stillkind die Brust seiner Mutter. Spontan, lustvoll, neugierig sollen wir die Welt Gott, die frohe Botschaft von Jesus, der den Tod überwunden hat, suchen.
Und wie sieht die Realität aus? Viele, zu viele nehmen nüchtern und routiniert die frohe Botschaft des Ostermorgens wie auch die gute Nachricht der Heiligen Nacht zur Kenntnis. Oft, vielleicht zu oft, haben wir von der Heiligen Nacht und vom Ostermorgen gehört. Gibt es da noch Neues zu hören? Ist längst schon alles alt- und wohlbekannt? Ich hoffe, Sie haben in einem Gottesdienst während der vergangenen Feiertage etwas bisher Unbekanntes, Überraschendes, Erstaunliches gehört. Oder es schoss Ihnen unerwartet ein Gedanke durch den Kopf, den sie so bisher noch nicht hatten.
Wir brauchen Neues und Überraschendes, Erstaunliches und Unbekanntes im Kleinen und im Großen in unserem Leben. Sonst wird das Leben fad und langweilig. Vielleicht haben Sie diese Entdeckung in der Predigt, durch die Predigt gemacht. Oder Sie sind beim Singen über ein einzelnes Wort gestolpert, mit dem Sie angefangen haben zu spielen. Dabei entspann sich eine Wort- und Gedankenkette. Ein Satz aus dem Psalm, der gesprochen wurde, traf Sie ins Herz und begleitete Sie aus dem Gottesdienst in den Alltag.
Diese Erfahrung soll eine Initialzündung sein, den Wunsch auslösen und bestärken, mehr über Gott Vater, Jesus Christus, Gottes Sohn und den Heiligen Geist zu erfahren. Die Bibel ist eine unerschöpfliche Quelle unterschiedlicher Gedanken und Vorstellung über Gott und die Menschen. Niemals ist sie kalter Kaffee oder schales, abgestandenes Bier. „Quasi modo geniti“ möge es Sie, möge es uns dazu drängen, Gedanken und Texte aus der Bibel aufzusaugen, wie Stillkinder die Milch ihrer Mutter aufsaugen und sich daran satt essen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Frank Steiner