Heimatgeschichtlicher Arbeitskreis Talheim
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Aus der Talheimer Geschichte - Zufallsfund

Ein Zufallsfund Auf eine Anfrage vom Rathaus Talheim an H. Gaa, dass ein Judenforscher aus Bad Kissingen Bilder der Familie Isak Manasse, Gartenstraße...

Ein Zufallsfund

Auf eine Anfrage vom Rathaus Talheim an H. Gaa, dass ein Judenforscher aus Bad Kissingen Bilder der Familie Isak Manasse, Gartenstraße 14, suche, konnte sie ihm weiterhelfen und erhielt im Gegenzug Fotos von Irene und Luzie Manasse und deren Familie. Bei weiteren Recherchen stieß sie auf die Lebensbeschreibung der Luzie Manasse:

„Ich war eine deutsche Jüdin.

Die Geschichte von Senta Luzie Manasse, geboren 1926 in Talheim(aus dem Französ.)

Teil 2

Talheim

Senta Luzie (*1926 †2017) und Irene (*1923 †1982) Manasse, lebten mit ihren Eltern Henriette Manasse geb. Bauer (*1896 †1935) und ihrem Vater Julius Max Manasse (*1886 †1934) in Talheim in der Hauptstraße 37.

Die beiden Mädchen verlebten eine schöne Kindheit. Doch Schatten fielen auf das Bild.

„Mit sechs Jahren kam ich in die Schule. Sie war nicht weit von unserem Haus entfernt, also konnten Irene und ich zu Fuß hingehen. Es war die Dorfschule. Es gab ein paar andere Juden, aber hauptsächlich Protestanten. Wir mussten ihren antisemitischen Spott ertragen. Das war sehr schmerzlich; ich schwieg und zog mich zurück.

Niemand liebte die Juden und diejenigen, die sie hassten, konnten das von nun an offen und heftig zeigen. Man sah jetzt häufig Männer in der schwarzen Uniform der SS durch die Dorfstraße stolzieren. Unser Nachbar beleidigte uns regelmäßig. Und es war auch nicht selten, dass wir bei unseren Spaziergängen Gegenstand antisemitischer Beschimpfungen wurden. …

Dann kam das Jahr 1934 und seine Katastrophen.

Mein Vater hatte im Krieg 1914–1918 in der deutschen Armee gedient. Er hatte seinen Spitzhelm behalten und eine Kugel in der Lunge. Im Frühling 1934 kostete ihn deshalb eine Bronchitis das Leben. Ich war sieben Jahre alt.“ Er wurde auf dem Sontheimer Judenfriedhof begraben.

Neckarzimmern

Henriette Manasse verkaufte ihr Haus und zog zu ihren Eltern Leopold und Emma Bauer, nach Neckarzimmern. Caroline Bauer, die Großtante betrieb einen Lebensmittelladen im Haus nebenan.

„Indes wurden die Kunden immer seltener: Die Aufschrift „Juden-Geschäft“ schreckte sie ab. Die Dorfbewohner von Neckarzimmern respektierten die neu in Kraft getretenen Gesetze.“

1935 starb Henriette Manasse mit 37 Jahren nach einer Operation im Krankenhaus in Heilbronn. Sie wurde neben ihrem Mann auf dem Sontheimer Judenfriedhof begraben.

Im selben Jahr starb auch der Großvater. Die beiden Mädchen waren nun Vollwaisen.

„Seit unsere Personalausweise auf der Vorderseite fett gedruckt die Bezeichnung „Jude“ trugen, waren wir das offizielle Ziel des Hasses geworden. Wir gingen nicht mehr aus. Wenn wir doch hinaus mussten, riskierten wir jeden Augenblick, beschimpft und mit Steinen beworfen zu werden. Wir konnten uns auf keinem öffentlichen Platz mehr aufhalten. Die Läden waren uns verboten. Die Dorfschule habe ich nie kennengelernt.

Unsere einzige Möglichkeit zu lernen, war in die jüdische Schule in Heilbronn zu fahren. Wir gingen jeden Morgen um 5 Uhr los.“ 1935 schickte die Großmutter aus Sicherheitsgründen die Mädchen in das jüdische Waisenhaus in Eßlingen. „Das war eine Stiftung eines Mitglieds der Familie Rothschild. Die Schule hatte einen guten Ruf für die Qualität ihres Unterrichts ...

Die Kristallnacht hat sich in mein Gedächtnis eingegraben. Sehr früh am Morgen sind SA-Männer gekommen mit großen Schäferhunden und haben uns eingesperrt, hundert Kinder in ein Klassenzimmer. Die Hunde bewachten uns. Währenddessen wurden mit dem Hammer alle Fensterscheiben zerschlagen. Sie haben unsere Bücher und die Thorarollen genommen und durch die Fenster in den Hof geworfen. Dann mussten wir hinunter in den Hof gehen und wurden gezwungen einen Kreis um die brennenden Bücher zu machen ... Wir waren zwischen 4 und 15 Jahre alt.“ Die Schule wurde geschlossen und die Kinder kamen zurück nach Neckarzimmern. Die Großmutter hatte inzwischen die Ausreisepapiere nach Amerika für ihre Enkelinnen bekommen, ihre Koffer gepackt.

„Am 22. Oktober 1940 klopfte ein Mann an die Türe meiner Großmutter. Er sagte, dass wir eine Stunde Zeit hätten unsere Sachen zu packen.“

Mit 6 500 badischen Juden wurden Irene und Luzie Manasse mit ihrer Tante Ida Bauer, ihrer Großmutter Emma Bauer sowie deren Schwägerin Karoline Bauer in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich deportiert. Fortsetzung folgt.

Kursiv gedruckt: Text der Redaktion, H.G.

Anhang
Dokument
Erscheinung
Mitteilungsblatt der Gemeinde Talheim (Heilbronn)
NUSSBAUM+
Ausgabe 42/2024

Orte

Talheim

Kategorien

Kultur
von Heimatgeschichtlicher Arbeitskreis Talheim
18.10.2024
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