Zur Geschichte des Pfarrdorfes Aichhalden (73)
Vom Reiserhof geht ein Weg nördlich zur „Hub“, das ist ein kleines Hofgut (auch manchmal anderwärts „Hufe“ genannt). Wie dieser Name, der sich hier nur einmal findet, gerade auf diesem kleinen Besitztum haften blieb, lässt sich nicht erklären. Vielleicht hauste dort vor Zeiten der Aufseher für den Aichhalder Weiher und dieser erhielt, wohl als Entgelt für seinen Dienst, Freiheit von der Leibeigenschaft und – die Hube. Der Aichhalder Weiher (dazu gehören die Flurnamen Weihermoos, Weiherreute, Weiherdamm) scheint im Mittelalter und in den nachfolgenden Jahrhunderten eine große Ausdehnung gehabt zu haben. Ein fast rechteckiges Gelände erhält er gegen Norden und Westen Zufluss aus den zahlreichen, die Eschach speisenden Quellen. Auf der Südseite ist ein kunstvoll aufgeschichteter Damm, der heutzutage als Grundlage eines Waldweges dient. Auch die beiden anderen Seiten scheinen unter Benützung der natürlichen Erhöhungen aufgeschichtet. Der Überlieferung nach gehörte der Weiher zum Kloster Alpirsbach. Wo irgend möglich legten die Klöster größere und kleinere Fischweiher an und bezogen daraus für einen Teil des Jahres ihre Nahrung. Denn die Fastenzeit (meist zugleich fleischlose Zeit) währte in manchen Orten von Allerheiligen bis Weihnachten und wieder vom Ende der Dreikönigfestoktav bis Ostern. In einem alten Buche wird berichtet, dass der Aichhalder Weiher im Jahre 1624 – das katholische Kloster Alpirsbach war damals schon längst aufgehoben – noch etwa sieben Morgen Wasserfläche hielt. Die „Weiherreute“ – meist Äcker – wird wohl dem Wald oder dem Weiher und Sumpf abgerungen sein. Denn „Reute“ bedeutet in den allermeisten Fällen so viel als das durch Roden urbar gemachte Land, die Rodung, und ist eng verwandt mit dem gleichbedeutenden Worte „Ried“ (auch Riet, Reit geschrieben).
Wenden wir uns vom Quellgebiet der Eschach zurück nach Norden in den „Heimliswald“! Das mag ein uralter Gewannname sein. Denn er leitet uns in die heidnische Zeit, wo die Germanen Wald und Flur, Bach, Busch und Baum mit Göttern, Geistern, Gnomen und Elfen erfüllten. Heimlen ist eine Verkleinerungsform von Heimen; darunter versteht man die Erdmännlein oder Heinzelmännchen (vergl. das schöne Gedicht von August Kopisch: Die Heinzelmännchen zu Köln). In einer Ecke des genannten Waldes tut sich der „Zigeunerwinkel“ auf, wohl ein Lagerplatz für fahrende Leute aller Gattungen: vom Geigen- und Rosshändler bis zum Zirkusreiter und Seilkünstler. Neuerdings sind die „Zigeuner“ modern geworden und schlagen ihre Lagerstätte mitten im Dorf auf bei der „Krone“, wo sie hin und wieder die neuesten Schlager der Großstadt-Operetten zum Besten geben.
Und nun zum Zollhaus, einem Wahrzeichen unserer Gegend! Wenn wir Glück haben mit dem Wetter, erwarten uns köstliche Genüsse. Eine majestätische Ruhe im herrlichen Wald, klassische Erinnerungen an die Römerzeit auf dem benachbarten Schänzle und eine ungemein reizende und vielseitige Aussicht. Bis hin zu den Vogesen schweift das Auge oder es weidet sich an den wie Kulissen hintereinander sich aufbauenden, bald parallel laufenden, bald sich überschneidenden Höhen mit den zahllosen Einschnitten und Tälchen, bis es wieder hinabtaucht in die von der Mittagssonne erhellte Silberflut der Kinzig.
Ein bequemer Abstieg bringt uns vom Zollhaus in den Kaibach oder nach Schenkenzell oder an den Grenzsteinen entlang, immer dicht vorbei an der württembergisch-badischen Grenze auf die „Breitreute“. Auf dem höchsten Punkt machen wir dort Rast (mehr als 760 m ü. d. M.). Wir überschauen den größten Teil des Dorfes. Vor uns liegt die „Breitreute“ – weit und eben dehnt sich die Rodung – dort ist das „Stolgenwäldle“ – hier der „Stolgen“, ein Flurname, der bis jetzt nirgends zu entdecken war. Hängt er zusammen mit „Stollen“ und ist es eine Verkleinerungsform davon? Ist es eine Zusammensetzung von „Stollen“ und „Acker“? Auf der Markung finden wir rechts der Straße nach Waldmössingen ebenfalls einen „Stollacker“ (beim Seltenbach). Oder ist ein Personenname hinter Stolgen zu vermuten? Durch die „lange Gasse“ (jetzt Zollhausstraße genannt, das klingt vornehmer!) kommen wir wieder zu unserem Ausgangspunkt ins Dorf zurück.
(Fortsetzung folgt)