Don´t believe and just watch – so bunt und schön kann nur Zirkus sein
Was haben ein Rentnerpaar, Zuckerwatte und Einräder gemeinsam? Sie alle waren Teil der aktuellen Vorführung des Circus Ratatouille aus Winterbach. Und die gesamte Auflistung an Requisiten und Besonderheiten wäre lang. Denn die 52 Schüler/-innen boten in ihrer zweistündigen Aufführung ein sehr vielfältiges und unterhaltsames Zirkusprogramm, das die Besucher/-innen begeisterte.
Engelberg, Winterbach
Es war kurz nach 17 Uhr am Samstag, den 15.06.2024, als die Deckenlichter im Großen Saal der Freien Waldorfschule Engelberg dämmerten und die Scheinwerfer die Bühne fokussierten. Die Zuschauer/-innen im komplett ausverkauften Großen Saal verstummten, endlich war es so weit. Das Ensemble des Circus Ratatouille startete sein diesjähriges Programm, indem es die Besucher/-innen schnell in das Setting einer Tombola in einer Seniorenresidenz versetzte. Da wurden aus Zuschauer/-innen direkt Gewinner/-innen, wer das Glück der richtigen Nummer auf der Eintrittskarte hatte. „Glück haben und einen Teddybären gewinnen“ – das wollte unbedingt auch Ute, die rüstige Rentnerin, die gemeinsam mit ihrem Mann Ulf durch das gesamte Programm führte. Mit Ute und Ulf, gespielt von Schülerinnen der achten und zehnten Klasse, gelang der Wechsel vom Altersheim auf den Rummelplatz, der fortan den Rahmen für die einzelnen Zirkusdarbietungen bot.
Mutig und leichtfüßig dribbelten Gaukler/-innen auf großen roten Laufkugeln über die Bühne und zeigten, was sich alles so anstellen lässt, während man mit beiden Beinen eben nicht auf dem Boden, sondern auf der Kugel läuft. Abgelöst wurden sie von einer Gruppe Jugendlicher, die aus ihrem anfänglichen Riesen-Mikado-Spiel eine Stockkampfperformance heraus entwickelten. Die Musik von Fluch der Karibik unterstützte den Spannungsbogen. Nicht weniger dramatisch und interessant blieb es bei all den anderen Zirkusnummern: Die Kraft und Beweglichkeit beim Schwungtuch, die Eleganz am Trapez, die Genauigkeit und Präzision mit dem Rhönrad, die guten Nerven auf dem Drahtseil; was es bedeutet, ein gutes Zirkusprogramm auf die Bühne zu bringen, bewiesen die unterschiedlichen Schüler/-innen des Circus Ratatouille eindrucksvoll an diesem frühen Samstagabend. Dabei blieb jede einzelne Zirkuseinheit an den Rummelplatz angepasst. Dosenwerfen geht also auch mit Akrobat/-innen, anstatt mit blechernen Gegenständen.
Vor allem war es das abwechslungsreiche Programm, das den Zirkusaufenthalt so unterhaltsam machte: Richtig schnell ging es mit der drehenden Bank zur Sache, auf der vier Schüler/-innen zu Vivaldis Sommer ihr kreative und wagemutige Karussellfahrt darboten, während die Künste am Vertikaltuch viel Ruhe und Ausdauer erforderten. Jeder Knoten, jedes Umschlagen des Tuchs muss sitzen, bevor die Akrobatinnen sich in Position begeben oder am Ende sogar fallen lassen können. Alle Zirkusartist/-innen bestachen durch ihre tolle Leistung während des gesamten Programms. Selbst nach über zweieinhalb Stunden (inkl. 30 Minuten Pause) führte die Schlussgruppe am Ende der Show eine erstklassige Jonglage-Nummer vor. Wer von uns hätte dazu noch die Kraft, Konzentration und Nerven?
Neben der 23-jährigen Trapezkünstlerin mit professioneller Zirkusausbildung blieb der einzige Erwachsene auf der Bühne an diesem Samstag der Zauberer Martin. Als Zirkuspädagoge – und offensichtlich sehr versierter Zauberer – steht er jedoch für ein gesamtes Team, das den Zirkus Ratatouille am Ende ausmacht. Angeleitet von Iris Kugel gibt es gerade mal eine Handvoll fleißige, ehrenamtliche Sportlehrer/-innen und Zirkuspädagog/-innen, die die Kinder wöchentlich trainieren und diese Vorführung auf die Bühne gebracht haben. Das gelingt wiederum nur mit einem enormen Einsatz hinter der Bühne. Vor dem Hintergrund, dass der Zirkus letztes Jahr aufgrund Personalmangels kurz vor dem Aus stand, weiß man diese Leistung umso mehr zu schätzen! Dies gilt nicht nur für die akrobatische, sportliche Leistung, sondern auch für den Aufwand, mit der Dekoration, mit der Auswahl der Requisiten und der Musik, mit der gesamten Organisation und natürlich auch mit der Herstellung der Kostüme. Im Zuge der Aufführung wurde der Fundus des Zirkus gesichtet und entrümpelt und neue Kostüme geschneidert. Beeindruckend ist auch das Ergebnis des fünfköpfigen Schneiderinnen-Teams, das rote Hosen aus einem alten Vertikaltuch gefertigt hat. Genau richtig kam da die Unterstützung zweier professioneller Schneiderinnen, die sich ebenfalls ehrenamtlich eingebracht haben. Zu erwähnen sind außerdem die vier Jugendlichen, die die komplette Beleuchtung und Tontechnik für diese Aufführung übernommen haben.
Der Circus Ratatouille steht für ein großes, lebensfrohes, gemeinsames Miteinander, das lebt, was sonst oft nur theoretisch bleibt: Jungs tanzen und turnen am Schwungtuch, Mädchen fahren Skateboard, jeder Mensch ist einzigartig und hat besondere Fähigkeiten. Fehler dürfen passieren, auch wenn sie sehr selten passiert sind an diesem Abend. Bei so einer vielfältigen und runden Vorstellung wird nicht nur viel geklatscht und gejubelt beim Publikum – alle Zirkuskinder zeigen, dass Zirkus vor allem Spaß macht. In bunten Tierkostümen machen sie es uns vor, mit Mark Ronsons Uptown Funk: Don´t believe and just watch.
Der Circus Ratatouille Engelberger Manege e.V. ist seit 1997 ein eigenständiger, eingetragener Verein. Die große Aufführung findet einmal im Jahr statt. Trainiert werden wöchentlich unter professioneller Anleitung Kinder und Jugendliche von Klasse 5 bis Klasse 11. Der Verein richtet sich an alle interessierten Schüler/-innen aus der Umgebung. Wer Interesse hat, mitzumachen oder den Zirkus unterstützen möchte, darf sich gerne melden bei Stephanie Senzenberger: grosser.leo@web.de. Gesucht werden dringend Helfer/-innen, die sich bei der Organisation oder beim Training einbringen können.