Ein 20 Zentimeter langer Holzstab mit einer auffächernden Spitze und der Aufschrift „Schiessprügel D.R.G.M. Sonne mit W“ – ein mysteriöses Objekt, das seit seiner (Wieder-)Entdeckung im Heimat- und Flößermuseum Calmbach schon oft für Stirnrunzeln sorgte. Der „Wildbader Anzeiger“ fragte Anfang Februar die Leser: „Was verbirgt sich hinter einem Schiessprügel?“
Ein Museumsbesucher erinnerte sich daran,dass Schiessprügel zur Starenabwehr im Weinberg verwendet wurden. Zwischen den beiden Metallplättchen wurde ein Zündplättchen eingespannt. Dann schlug man mit dem Prügel auf einen festen Gegenstand und es kam zum Knall.
So ähnlich war auch die Theorie von Dr. Marina Lahmann: Die Buchstaben „D.R.G.M.“ auf dem Stab könnten für „Deutsches Reichsgebrauchsmuster“ stehen, ein Markenzeichen, das von der Reichspatentstelle vergeben wurde und nur bis 1945 gültig war. Dieser Hinweis lässt vermuten, dass der Schiessprügel ein Produkt aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sein könnte. Der Schriftzug „Sonne mit W“ verweist auf die Firma Wicke, die vor allem für Spielzeugpistolen und Zündplättchen bekannt war. Diese Information führt zu einer Theorie, die eine Verbindung zwischen dem Schiessprügel und Zündplättchen oder Zündplättchenbändern nahelegt.
Die Theorie besagt, dass Zündplättchenbänder in den Spalt des Holzstabes eingelegt wurden. Ein kräftiger Schlag auf den Boden oder eine andere Oberfläche könnte die Zündplättchen zum Knallen gebracht haben, wodurch der „Schuss“ im Namen des Objekts erklärbar wäre. In diesem Fall hätte man den Stab „geprügelt“, um einen Knall zu erzeugen. Auch wenn diese Theorie plausibel erscheint, bleibt ihre Richtigkeit bisher offiziell unbestätigt. Es bleibt außerdem unklar, ob der Schiessprügel tatsächlich auf diese Weise funktionierte oder ob er eine andere, noch unbekannte Funktion hatte.
Der Schiessprügel gehört zu einer Reihe von Fundstücken, die im Heimat- und Flößermuseum in Calmbach ausgestellt sind. Diese Gegenstände stammen aus dem alten Ladengeschäft von Emma und Wilhelm Locher, die ab 1881 in der Calwer Straße 35 einen Laden mit „Spezereiwaren“ betrieben. Später übernahm ihr Sohn, Wilhelm Locher Junior, das Geschäft und führte es bis 1968 als Kolonialwarenhandel weiter.
Im Heimat- und Flößermuseum Calmbach kann der historische Laden heute begutachtet werden und die Besucher können die Schubladen und Regale durchstöbern. Jede Einzelne erzählt eine Geschichte und birgt Geheimnisse aus einer längst vergangenen Zeit. Neben alltäglichen Produkten wie Waschpulver und Schuhcreme finden sich auch Tiegel „Holmenkol-Skiwachs“ oder geheimnisvolle Balsamfläschchen der „Morgenländischen Drogen-Import-Gesellschaft“. Ein weiteres Highlight sind die Retro-Tabakwaren der Marken Reval und Ernte 23 sowie Rabattsparbücher – die analogen Vorläufer heutiger Treuekarten.
„Mit dem Kolonialwarenladen können wir ein Stück Calmbacher Kulturgeschichte bewahren“, zeigt sich Museumsleiterin Marina Lahmann erfreut. Die alten Produkte wurden von Petra Locher, der Enkelin des letzten Ladeninhabers, vor dem Verfall gerettet und dem Heimat- und Flößermuseum übergeben. Gemeinsam mit Lahmann stellte sie jedes einzelne Stück sorgfältig in den Ausstellungsraum – und bewahrte sie damit vor dem Vergessen. (mm)
Heimat- und Flößermuseum Bergstraße 1 75323 Bad Wildbad-Calmbach Tel.: 07081-930112 www.bad-wildbad.de Öffnungszeiten: Sonntag, 14–17 Uhr |