Von Joachim Klaehn
Ab sofort ist „Crunchtime“ – ab sofort warten die besonderen Momente nach einer regulären Saison, die bereits an Spannung kaum zu überbieten war. Oder etwa doch? Die Playoffs sind jedenfalls im Basketball stets eine Hoch-Zeit. Erstmalig zum illustren Teilnehmerfeld und nach 46 Jahren Endrunden-Abstinenz zählen die MLP Academics Heidelberg dazu, die als überraschender Abschlussfünfter nun auf den Vierten NINERS Chemnitz treffen. Die Viertelfinal-Serie nach dem Modus „Best of five“ beginnt am Samstag (17 Uhr/ab 16.45 Uhr live bei Dyn) in der Chemnitzer Messehalle und wird am kommenden Dienstag (20 Uhr) im SNP dome fortgesetzt.
NINERS: Zum vierten Mal in Folge dabei
Die Ausgangsposition ist relativ klar. Die starken Sachsen sind zum vierten Mal hintereinander in den Playoffs dabei und möchten unbedingt den letztjährigen Halbfinal-Einzug wiederholen. Sie trafen seinerzeit auf ALBA Berlin und unterlagen nach großartigen Fights mit 2:3. Die MLP Academics gelten bekanntlich als das Überraschungsteam der easyCredit Basketball Bundesliga und können weiterhin für Furore sorgen. „Wir sind Außenseiter, fühlen uns in dieser Rolle aber sehr wohl. Wir können befreit und mit viel Spaß auftreten – ohne die notwendige Seriösität vermissen zu lassen. Versprechen kann ich natürlich, dass wir alles versuchen werden, einen positiven Serienausgang zu erzielen“, sagt der Sportliche Leiter Alex Vogel vor dem samstäglichen Tip-off.
Die kleine Verschnaufpause nach dem abschließenden Verlängerungskrimi gegen die SKYLINERS Frankfurt (84:75) hat dem Team gutgetan. Die Schützlinge von Headcoach Danny Jansson konnten die Akkus wieder aufladen und sich auf den unbequemen und physischen Kontrahenten mental vorbereiten. Optimismus verbreiten die bisherigen drei Duelle gegen Chemnitz in dieser Saison: Heidelberg setzte sich im Pokal-Achtelfinale mit 78:73 durch, zog in der Messehalle Mitte Februar knapp den Kürzeren (65:72) und rang am 16. Februar im Dome die NINERS nach einer exzellenten Defensivleistung deutlich mit 81:66 nieder. Klar, dass die „Orange Army“ auf Revanche sinnt.
46. Pflichtspieltreffen ...
Was Insider wissen: Chemnitz ist derjenige Ligarivale, gegen den bis dato die meisten Vergleiche stattfanden. Das erste Playoff-Match ist das insgesamt 46. Pflichtspieltreffen in der ProA und BBL. Eine stolze Zahl - aktuell steht es 25:20 für Chemnitz. Die Gastgeber streben erneut nach Höherem, zumal der Vorjahreserfolg mit dem Erreichen des Halbfinals und dem Gewinn des FIBA Europe Cups 2024 durchaus als Richtschnur dienen. Der gewiefte Taktiker Rodrigo Pastore (53), in seinem zehnten Jahr bei den NINERS zugleich der dienstälteste BBL-Trainer, hat mit seinem ausgeglichen besetzten Team eine Menge vor. „Chemnitz hat eine sehr hohe Qualität. Dies zeigt auch die Tatsache, dass sie eine schwierige Saison hinter sich haben, dennoch aber auf dem vierten Rang nach 32 Spielen stehen. Wir haben die NINERS dieses Jahr bereits zweimal geschlagen. Doch Playoffs sind etwas anderes“, so die realistische Einschätzung von Alex Vogel.
Im Gegensatz zu den Jungs vom Neckar, die lediglich Alex Barcello nach Spanien ziehen lassen mussten, ist beim 1999 gegründeten Klub im Verlauf der Spielzeit 2024/2025 einiges passiert. Jaron Johnson wechselte nach einem kurzen Intermezzo zum italienischen Serie-A-Club Pallacanestro Varese, Eddy Edigin zum Pokalsieger SYNTAINICS MBC. Vor allem die Verletzung von Leistungsträger Aher Uguak (Patellasehnenriss im linken Knie) beim 84:80-Auswärtssieg Anfang Februar in Bonn war ein Schlag ins Kontor. Der 2,01 Meter große Kanadier sollte als Leistungsträger, defensiver Anker und athletischer Offensivmann dem Kollektiv erneut Qualität verleihen. Es musste also nach wechselhaften Vorstellungen und Hochs und Tiefs nachgerüstet werden - Damien Jefferson, Jacob Gilyard und insbesondere Kevin Yebo (zurück vom FC Bayern Basketball) kamen zu unterschiedlichen Phasen hinzu. Yebos Comeback im NINERS-Trikot sorgte für Emotionen, Euphorie und neue Energie. Der 2,07-Meter-Schlaks ist nicht nur einer der unumstrittenen Publikumslieblinge, sondern auch ein X-Faktor im Konzept des Italo-Argentiniers Pastore.
Welche Rolle spielt der Heimvorteil?
Chemnitz ist vor heimischem Publikum (5.000 Zuschauer) eine Macht. Auch wenn die Bilanz der NINERS (11:5) schwächer als die der meisten anderen Playoff-Teilnehmer ist, wenn es darauf ankommt, ist die Mannschaft in aller Regel sehr präsent und die Unterstützung der frenetisch-lautstarken Fans beeindruckend. Selbstverständlich setzen die Hausherren auf ihren Playoff-Heimvorteil, den sie letztlich dem Vierervergleich zwischen Heidelberg, Würzburg, Berlin und ihnen selbst zu verdanken hatten. Das genannte Quartett verzeichnete durchweg 18:14-Siege – ähnlich verhielt es sich beim Kampf um die Play-Ins, bei dem Oldenburg, Rostock, Ludwigsburg und Vechta nach 32 Spieltagen gleichauf lagen (16:16). Enger und dramatischer war’s in der BBL seit ihrer Gründung 1966 noch nie gewesen ...
Um nach drei, vier oder fünf Spielen ins Semifinale einzuziehen, müssten die MLP Academics den Heimvorteil „erobern“. Im Gegensatz zur NBA wechselt im deutschen Oberhaus das Heimrecht nach jedem Spiel. Sonnenklar, dass die Profis in Etappen denken und im Falle der Heidelberger unbedingt den zweiten Auftritt im SNP dome am 27. Mai (18.30 Uhr) eintüten möchten.
Es würde zu dieser aufregenden Spielzeit der Kurpfälzer passen, wenn die Serie tatsächlich über fünf Spiele gehen würde und es zum Showdown am 29. Mai käme. Doch erst einmal wollen beide Teams einen möglichst optimalen Einstieg in die „Crunchtime“ ab diesen Samstag hinbekommen.
Emotionale Momente sind hüben wie drüben ohnehin garantiert. Wetten, dass …
Fernsehen:
Die Partie wird ab 16.45 Uhr live bei Dyn übertragen.