Die Gemeinde Grömbach liegt im Landkreis Freudenstadt. Der beschauliche Ort hat gerade einmal etwas mehr als 600 Einwohner und befindet sich auf einem Höhenrücken zwischen der Nagold und dem Zinsbach. Mehr als 76 Prozent der Gemarkungsfläche sind mit Wald bewachsen. Bekannt dürfte der Ortsname Grömbach in der Region vor allem deshalb sein, weil auf der Gemarkung der Kommune ein großer Teil der beliebten „Erzgrube“ liegt – ein Stausee, in dem gebadet, gepaddelt und getaucht werden kann.
Derzeit geht der Name der Gemeinde aber eher durch die Schlagzeilen, weil die EnBW Windkraftprojekte GmbH dort einen Windpark errichtet. Die zwei Anlagen werden südwestlich von Grömbach im sogenannten „Gerechtigkeitswald“ gebaut. Im Dezember sollen sie in Betrieb gehen. Wenn die Anlagen erst einmal stehen, sind sie von unten betrachtet natürlich groß. Aber wie groß, das können sich wohl nur jene Schaulustigen vorstellen, die in den letzten Tagen am Straßenrand in Höfen an der Enz oder Calmbach kampiert haben. Unter anderem durch diese Gemeinden führte nämlich der Weg der Einzelteile, die in Grömbach zu funktionsfähigen Windrädern zusammengesetzt werden. Das Wort „Schwertransport“ bekommt bei einem solchen Anblick eine ganz neue Bedeutung. Das Auge kann die volle Länge eines Rotorblattes auf einem wirklich mehr als überlangen Lastkraftwagen kaum erfassen, geschweige dessen kann es ein Kamerafoto.
Das obige Bild zeigt die Trupps mit den Rotorblättern beim Passieren des Kreisverkehrs in Calmbach. Mitten in der Nacht bahnten sich die Fahrer einen Weg über die Bundesstraße – und unter anderem mitten über zuvor abgebaute Kreisverkehre. Denn an die Bewältigung solcher Kurven ist nicht zu denken. Vor und nach jedem Schwertransport fuhren kleinere Teams die Strecke ab, um alles zu sichern, die Straße für den Verkehr zu sperren und mögliche Hindernisse zu beseitigen. Sobald es die LKWs über einen Abschnitt geschafft hatten, richteten die Teams alles wieder her und bauten beispielsweise die Absperrungen an den Kreisverkehren sofort wieder ab. So waren alle Spuren der nächtlichen Aktion sogleich wieder verschwunden.
Auch wenn es mitten in der Nacht war, der ein oder andere wagte sich aus seinen vier Wänden raus auf die Straße – oder zumindest auf den Balkon –, um sich das Transportspektakel anzuschauen. Wie oft sieht man schon so großes, schweres Gerät direkt vor der eigenen Haustüre? Als die ersten Warnlichter im Dunkel der Nacht aufblitzten hielt der ein oder andere Schaulustige am Straßenrand gespannt die Luft an. Als dann der erste LKW um die Ecke kam, stutzte man noch kurz. Das Führerhaus ist doch gar nicht überdimensional – wie groß kann da so ein Rotorblatt schon sein? Sehr groß und wahrhaft überdimensional, wie sich schnell zeigte. Zur Verdeutlichung: Ein normaler Kameraschwenk von der Mitte des Rotorblattes aus, beginnend am vorderen Ende und bis zum hinteren, dauert etwa 20 Sekunden. Es dauert also 20 Sekunden, um einmal den Blick etwas genauer über ein einzelnes Rotorblatt schweifen zu lassen. Steht man direkt neben dem LKW, wenn sich dieser fortbewegt, hat man das Gefühl, ein ganzes Hausdach fährt über einen hinweg. Ein Mensch passt – je nach Bauteil – ziemlich genau unter der besonderen Ladung durch. Das Teil ist aus nächster Nähe so massiv, dass es ein Eigenleben zu haben scheint. Es fühlt sich fast verboten an, es nur zu berühren.
An dieser Stelle ein Gruß an die Männer: Die Größe (alleine) ist nicht entscheidend! Im realen Leben begeistern durchaus auch Technik und Form. Die Rotorblätter sind überraschend detailreich ausgearbeitet, teils scharfkantig geschwungen und spitz zulaufend an der langen Kante, teils mit Zacken ausgestattet. Hier steckt sichtlich einiges an Erfindergeist in den Bauteilen.
Nun fragt sich sicher so mancher, wie eine Gemeinde wie Grömbach zu einem Windpark kommt. Der Prozess läuft tatsächlich schon seit vielen Jahren. Die auserkorene Fläche war bereits im Flächennutzungsplan des Gemeindeverwaltungsverbands Pfalzgrafenweiler von 2003 mit Teilfortschreibung von 2010 als sogenannte „Konzentrationszone“ für Windkraftanlagen ausgewiesen. Schon im Jahr 2008 hat die Gemeinde Grömbach mit einem Nutzungsvertrag für die gemeindeeigenen Grundstücke die Weichen für das Vorhaben gestellt. Im September 2015 wurden Gestattungsverträge mit ForstBW abgeschlossen. Der Genehmigungsantrag nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz wurde überarbeitet und in 2021 erneut gestellt. Das Landratsamt Freudenstadt hat die immissionsschutzrechtliche Genehmigung am 3. November 2022 erteilt.
Ende März 2023 fiel die Entscheidung zur Investition in den Standort. In den Wintermonaten 2023 und 2024 wurden die Waldflächen vorbereitet, im darauf folgenden Frühjahr und Sommer folgte der Bau der Fundamente. Mit der Lieferung der Einzelteile ist das Projekt nun nahezu
abgeschlossen.
Bei der Errichtung von Windkraftanlagen sollte die vordergründige Frage natürlich sein, ob der Standort überhaupt lohnend ist in Bezug auf den Wind, der dort zu erwarten ist. Über ein LiDAR-Gerät hat die EnBW die Windgeschwindigkeit am Standort in Grömbach von November 2015 bis November 2016 gemessen. Ein externer Fachgutachter hat die Daten anschließend ausgewertet.
„Wir gehen derzeit von Windgeschwindigkeiten zwischen 6,0-6,1 m/s auf Nabenhöhe (166 m über Grund) aus“, so die EnBW. Die LiDAR-Technologie habe sich in den letzten Jahren in der Windbranche durchgesetzt. Dabei werden Laserstrahlen innerhalb kürzester Zeit nacheinander in verschiedene Himmelsrichtungen gesendet. Durch Rückstreuung an den Partikeln in der Atmosphäre (Dopplereffekt) können sehr genaue Rückschlüsse auf die aktuelle Windgeschwindigkeit sowie Windrichtung in verschiedenen Höhen bis zu 200 Meter über Grund gezogen werden. Zusätzlich zeichnen Sensoren Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck auf. Die Messdaten werden kontinuierlich erfasst und täglich über ein GSM-Modem übertragen.
Die EnBW baut zwei Windkraftanlagen vom Typ Vestas V 136. Sie haben einen Rotordurchmesser von 136 Metern und eine Nabenhöhe von 169 Metern. Die Strommenge, die sie erzeugen können, reicht rein rechnerisch für die Versorgung von rund 5.000 Haushalten aus. Über den Windpark können – ebenfalls rein rechnerisch – rund 13.700 Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden.
Bevor ein Windpark genehmigt und gebaut werden kann, sind zahlreiche Fachgutachten notwendig. Über die Gutachten wird geprüft, ob der Windpark im Einklang mit den Belangen der Bevölkerung vor Ort sowie Umwelt und Natur steht. Welche und wie viele Untersuchungen durchgeführt und welche Gutachten eingeholt werden, wird mit dem Landratsamt Freudenstadt abgestimmt und festgelegt. Neben den Gutachten zum Windaufkommen sind faunistische Erhebungen ebenso notwendig wie die Erstellung von Schall- und Schattenwurfprognosen.
„Untersuchungen zum Thema Schallimmissionen der Windkraftanlagen haben ergeben, dass alle gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden“, schreibt die EnBW auf der Webseite zum Windpark. Durchgeführt hat diese Untersuchungen ein externer Gutachter. Außerdem erzeugen Windenergieanlagen durch die Rotorkreisbewegung sogenannten Schattenschlag, für den ebenfalls strenge Grenzwerte gelten. „Auf einen bestimmten Punkt (zum Beispiel Wohnhaus, Bürogebäude) sind im Jahr maximal acht Stunden Schattenwurf von Windkraftanlagen zulässig“, erläutert die EnBW. „Zudem dürfen von diesen acht Stunden nicht mehr als 30 Minuten auf einen einzelnen Tag fallen. Sollte diese Zeit überschritten werden, müssen die betreffenden Windkraftanlagen so lange abgeschaltet werden, wie ihr Schatten auf den Immissionsort fällt.“
Mit Berechnungsmodellen könne prognostiziert werden, mit welchem Schattenwurf bei Anlagen zu rechnen ist, die noch gar nicht gebaut sind. „Im Modell wird davon ausgegangen, dass die Sonne immer scheint und nie Wolken am Himmel zu sehen sind.“ Dabei habe sich ergeben, dass der Schattenwurf über das Jahr gesehen deutlich geringer sei als erlaubt. Übrigens: Die Grenze von acht Stunden ist in jedem Fall bindend. Können diese nicht eingehalten werden, muss eine Abschaltung erfolgen.