Bürgermeisteramt Hausen ob Verena
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Dies und das

Ein weißer Elefant im Krankenzimmer

Schon der alte Grieche Hippokrates, auf den Ärzte heute noch ihren Eid ablegen, kannte das Delir, und William Shakespeare hat das Phänomen in einem Schauspiel...

Schon der alte Grieche Hippokrates, auf den Ärzte heute noch ihren Eid ablegen, kannte das Delir, und William Shakespeare hat das Phänomen in einem Schauspiel über Heinrich V. dichterisch verarbeitet. Dr. Carolin Fischer, Oberärztin der Geriatrie, blickte hier mit ihren Zuhörern über den Tellerrand, um sich dann aber auf das klinische Auftreten des gefährlichen Verwirrtheitszustandes zu fokussieren, den Mediziner als „Delirium“ bezeichnen. Der Begriff lässt sich aus dem Lateinischen mit „aus der Spur geraten“ übersetzen.

Das Thema der Geriaterin im Rahmen der Vortragsreihe „Ärzte im Dialog“ hatte nicht zufällig zahlreiche Zuhörer angelockt – tritt es doch gerade bei Älteren verhältnismäßig häufig auf und ist daher in der Altersmedizin ein wichtiges Thema. Nicht nur Angehörige stehen vor großen Herausforderungen, sondern ebenso Pflege und ärztlicher Dienst. Schließlich ist das Delir eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung. Damit keine langfristigen Schäden und Einschränkungen zurückbleiben, bedarf es umgehender Diagnostik und Therapie.

Dr. Fischer zitierte aus Betroffenenberichten in einem Fachbuch und machte damit klar, dass Menschen im Delir ausgeprägte Halluzinationen entwickeln: So sah einer in seinem Patientenzimmer eine lebensgroße Katze hinter dem Vorhang verschwinden, ein anderer ärgerte sich über zahlreiche Besucher, die in seiner Wahrnehmung essend auf seinem Krankenbett saßen. Carolin Fischer machte deutlich, dass man mit Menschen in diesem Ausnahmezustand ihre Wahrnehmungen nicht diskutieren solle, sondern vielmehr beruhigend auf sie einzuwirken habe: „Und wenn sie sagen: Da steht ein weißer Elefant im Krankenzimmer – dann lassen wir den Elefanten da einfach stehen.“ Es gelte immer, geduldig zu bleiben, auch wenn dies nicht einfach sei.

Die Oberärztin und ihre Kollegen von der Medizinischen Klinik III – Altersmedizin kennen die Risikofaktoren: viele Medikamente, Änderungen bei der Medikation, Infektionen sowie ein hoher oder niedriger Blutzucker können ins Delir führen. Auch nach großen Operationen oder schweren Erkrankungen kann es sein, dass der Patient plötzlich in seinem persönlichen Albtraum aufwacht, der von der Realität nicht zu unterscheiden ist, und den nur er selbst wahrnimmt.

Weil das alles sehr belastend ist – nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Angehörigen, setzen Chefärztin Karin Schoser und ihr Team im Klinikum Landkreis Tuttlingen konsequent auf Vorbeugung. Um kognitive Störungen möglichst frühzeitig zu erkennen und diese in der weiteren Behandlungsplanung adäquat zu berücksichtigen, gibt es für Risikopatienten ein Delir-Screening und vor großen OPs immer genug zu trinken. Danach erwartet Patientinnen und Patienten im Aufwachraum eine Box mit Brille und Hörgerät drin, die ihnen ermöglicht, sich trotz sensitiver Einschränkungen nach überstandenem Eingriff wieder zurechtzufinden.

Ganz wichtig seien außerdem ausreichende Orientierungsmöglichkeiten für ältere Patienten, wie eine Uhr an der Wand oder ein Kalender. Oder ein Familienfoto auf dem Nachtschrank. Zudem können Angehörige den Delirpatienten durch häufige Klinikbesuche unterstützen oder gar ein „Rooming in“ – indem sie mit dem Betroffenen im selben Zimmer übernachten. Denn Vertrautes in seiner Umgebung trage zur Beruhigung des Patienten im Delirium bei, meinte Oberärztin Dr. Carolin Fischer und betonte, wie viel von einer Multikomponentenprävention abhängt, wie sie am Klinikum Landkreis Tuttlingen umgesetzt wird: Dabei müssen der gesamte Mensch und dessen Umfeld im Fokus stehen. Greifen all diese Maßnahmen im Vorfeld, so kann es gelingen, die Delirhäufigkeit signifikant zu senken.

Erscheinung
`s Blättle – Amtsblatt der Gemeinde Hausen ob Verena
NUSSBAUM+
Ausgabe 12/2025

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