Stadtverwaltung Tuttlingen
78532 Tuttlingen
Aus den Rathäusern

Erinnerung an Ende von Krieg und NS-Diktatur – OB Beck: „Auch in Tuttlingen war die Bilanz verheerend“

Am 21. April 1945 endeten mit der Befreiung durch die Franzosen Krieg und NS-Diktatur in Tuttlingen. Mit einer Gedenkveranstaltung erinnerten die Stadt...

Am 21. April 1945 endeten mit der Befreiung durch die Franzosen Krieg und NS-Diktatur in Tuttlingen. Mit einer Gedenkveranstaltung erinnerten die Stadt Tuttlingen und die Initiative Stolpersteine am Ostermontag an das Jubiläum.

„Das Letzte, was meine Tochter und ich sahen, waren die Mündungsfeuer der Gewehre.“ Mit diesen Worten endeten die fiktiven Erinnerungen von Else Kälbermann. Vorgetragen wurden sie von der Historikerin Cindy Hörmle. Danach herrschte Stille im vollbesetzten Rathausfoyer. Und auch der folgende Redner brauchte eine Weile, bis er in der Lage war, seine Worte mit zunächst stockender Stimme vorzutragen.

Das Schicksal der Tuttlingerinnen Else Kälbermann und ihrer Tochter Edith, die 1942 von den Nazis in Riga ermordet wurden, machte deutlich, dass 1945 nicht nur der Zweite Weltkrieg endete. Das Kriegsende war auch das Ende der NS-Diktatur und ihrer Verbrechen – eine Botschaft, die alle Redner der Gedenkveranstaltung betonten.

„Auch in unserer Stadt war die Bilanz verheerend“, erklärte OB Michael Beck. 1000 Menschen aus Tuttlingen verloren durch den Krieg ihr Leben, an die 100 wurden Opfer der NS-Diktatur. Beck: „Sie starben, weil die Deutschen zwölf Jahre zuvor in einer demokratischen Wahl einen Mann gewählt hatten, der klar gesagt hatte, was er vorhat, und wer seine Feinde sind.“ Daraus müsse man Lehren für die Gegenwart ziehen – aber auch daraus, dass die NS-Diktatur nur durch Gewalt beendet werden konnte - „nicht durch zivilen Ungehorsam, nicht durch Sanktionen, nicht durch Diplomatie – so traurig und bitter dies auch ist.“

Kreisarchivar Dr. Hans-Joachim Schuster zeichnete die Ereignisse des 21. April 1945 in Tuttlingen nach. Nazi-Funktionäre wie Bürgermeister Paul Haug und Kreisleiter Immanuel Baptist hatten sich bereits abgesetzt, Landrat Eduard Quintenz setzte alles daran, irrsinnige Maßnahmen wie eine Sprengung der Groß Bruck zu verhindern. Es war ein Katz-und-Maus-Spiel mit versprengten SS-Einheiten und fanatisierten Hitlerjungen, am Ende wurden dann doch weiße Fahnen gehisst: Auf dem Turm des Honberg und an der Stadtkirche. Die Polizeiangestellte Martha Aberle organisierte dafür ein Bettlaken aus Polizeibeständen, und als sie dieses am Kirchturm befestigte, wurde sie beschossen. Zu ihrer Sicherheit sperrte der Mesner sie in der Sakristei ein. Trotz der unblutigen Kapitulation endete der Tag aber tragisch – durch ein Missverständnis: Am späten Nachmittag bombardierten alliierte Streitkräfte das bereits befreite Tuttlingen. Über 50 Menschen kamen ums Leben. Unter den Opfern waren auch befreite Zwangsarbeiter und französische Soldaten.

Auf kreative Weise hat sich die Jugendkunstschule ZEBRA mit den weißen Fahnen auseinandergesetzt. An vielen Häusern in der Bahnhofstraße wehten am Montag dann auch die von den Schüler*innen gestalteten Stoffbahnen. „Tücher wie diese bedeuteten für viele Menschen das Ende von Angst und Gewalt“, sagte Alicia Gschlecht von ZEBRA. Die Texte auf den seien „ein stilles aber eindringliches Statement junger Menschen.“

Die Bedeutung des Kriegsendes als Schlusspunkt der NS-Diktatur unterstrich Daniel Stöhr von der Initiative Stolpersteine. „Wir setzen uns ein, damit nie wieder eine Mutter und eine Tochter so etwas erleben müssen wie Else und Edith Kälbermann“, sagte er. Wichtig sei es, die Erinnerung wachzuhalten – und vor allem auch junge Menschen zu erreichen. Denn rassistisches Gedankengut sei unübersehbar auf dem Vormarsch. Und das Erstarken demokratiefeindlicher Kräfte müsse man verhindern.

Gemeinsam ging man danach an den Fahnen vorbei vom Marktplatz zum Stadtgarten. Viele hatten weiße Stoffstücke dabei, auf denen Leander Rist von der Initiative Stolpersteine die Namen der Menschen geschrieben hatte, denen die Tuttlinger Stolpersteine gewidmet sind: Menschen wie die Familie Kälbermann – und viele andere.

Erscheinung
Möhringer Stadtnachrichten mit Eßlinger Mitteilungen
NUSSBAUM+
Ausgabe 17/2025

Orte

Tuttlingen

Kategorien

Aus den Rathäusern
Dieser Inhalt wurde von Nussbaum Medien weder erfasst noch geprüft. Bei Beschwerden oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte an den zuvor genannten Erfasser.
Meine Heimat
Entdecken
Themen
Kiosk
Mein Konto