„Eigentlich könnte man so was auch gut in der Durlacher Altstadt machen“, sagt Helga Werling. „So was“, das ist der Straßenflohmarkt, den sie zusammen mit Maria Vollprecht und Mina Gabele in der Seboldstraße ins Leben gerufen hat: Vor den Nummern 14 und 16 laden Waren auf Tisch, Bank, Anhänger und Kleiderständer dazu ein, für wenig Geld und viel gutem Zweck das eine oder andere zu erwerben.
Gerade hat eine Gartenbank eine neue Besitzerin gefunden. „Die werden wir wieder herrichten und dann in den Garten stellen“, sagt sie und hievt die Einzelteile der Bank in den Kofferraum. Eine andere Frau hat eine Bluse in Rottönen gefunden. „Hoffentlich passt sie mir“, sagt sie, hält sie vor sich und betrachtet sich im Spiegel. Ja, sie werde sie kaufen, beschließt sie.
Eine weitere hat am 50-Cent-Tisch eine Kerze in Regenbogenfarben entdeckt und weiß schon, wie sie klarmacht, wem sie sie schenken wird. Eine vierte Frau ist mit Tochter und Enkelin gekommen. „Ich habe im Wochenjournal Durlach von diesem Flohmarkt gelesen“, berichtet sie. Sie sei oft auf Flohmärkten unterwegs und mache auch selbst Flohmarktstände.
Über diese und andere mögliche Kund*innen freut sich vor allem Angelika Ehrle. Denn der Erlös, der vor dem Haus Nummer 14 zusammenkommt, fließt in das Projekt Deepam. Dort arbeitet die Ergotherapeutin seit mehr als 30 Jahren. Deepam ist ein Therapiezentrum im südindischen Dorf Kuilapalayam bei Tamil Nadu, in dem Kinder mit besonderen Bedürfnissen betreut werden.
Die Spenden, die vor dem Haus Nummer 16 eingehen, werden in Durlach bleiben: Sie kommen dem Durlacher Frauenchor 1987 e. V. zugute. 15 Kuchen, die die Sängerinnen gebacken haben, kann Mina Gabele anbieten: Käse, Apfel, Schoko-Kirsch und Mandel-Zitrone. Das Kuchenbüffet sieht entsprechend einladend aus, dazu gibt’s Kaffee. Viele Gegenstände aus Mina Gabeles und anderen Kellern haben den Weg nach oben auf die Straße gefunden, darunter eine große Sammlung bunter Bänder, fein säuberlich nach Farben sortiert. „Früher hat man in jedes Gebinde einen Schlupf gemacht“, sagt sie. „Man hat das damals schön gefunden. Heute hat man einen anderen Geschmack.“ Auch, was den Chorgesang angeht, hätten sich die Präferenzen geändert, muss Mina Gabele traurig feststellen. „Die jüngeren Frauen singen lieber in einem Projektchor, dem sie dann nur für eine bestimmte Zeit angehören“, sagt sie.
Doch es geht beim Straßenflohmarkt nicht nur um Spenden. „Wir haben hier keinen Müll und leisten außerdem einen Beitrag zur Nachhaltigkeit“, erklärt Helga Werling. Was vielleicht doch keine neuen Besitzer*innen finde, werde nicht weggeworfen. „Bücher kommen in ein Antiquariat, Kleidung und Hausrat ins Second Hand-Kaufhaus, Sachen speziell für Frauen zu TafF“, sagt sie. „Besondere Sachen lagern wir im Keller ein für die nächste Gelegenheit.“ „TafF“, ergänzt Maria Vollprecht, „ist ein Tagestreff für Frauen, die keine Wohnung haben.“ Frauen schütze man dort auch vor der Gewalt auf der Straße. Alles Mögliche von Hygieneartikeln, über Kleidung, bis zur Erstausstattung für eine Wohnung werde dort gebraucht.
Noch einen weiteren guten Grund nennen die beiden: „So eine Aktion stärkt die Beziehungen in der Nachbarschaft“, sagen sie. „Wir haben viel Unterstützung bekommen und hätten es ohne diese auch gar nicht schaffen können.“ Ein besonderer Nachbar macht auch mit: Der Clown Mister Propeller übt mit Kindern Kunststückchen ein. (rist)
Info:
www.durlacher-frauenchor.de
Deepam, Therapiezentrum für Kinder mit besonderen Bedürfnissen
www.deepam-auroville.in
TafF, Tagestreff für Frauen: www.sozpaedal.de/taff.html