Heimat- und Wanderverein Ammerbuch e. V.
72119 Ammerbuch
NUSSBAUM+
Kultur

Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Hefekranzprozess“

Aus den Akten des früheren Kreisstrafgerichtes Calw ist folgendes Verfahren überliefert (in „Geschichte einer Stadt - Recht und Ordnung - Gerichtsbarkeit“...

Aus den Akten des früheren Kreisstrafgerichtes Calw ist folgendes Verfahren überliefert (in „Geschichte einer Stadt - Recht und Ordnung - Gerichtsbarkeit“ Seite 81/82 von Hellmut J. Gebauer, Archiv der Stadt Calw und Sparkasse Pforzheim Calw, 2006):
„Am 8. Februar 1870 hatte das Kreisstrafgericht eine Sache zu verhandeln, die als dummer Streich begonnen hatte, dann aber für die Beteiligten beinahe schlimm ausgegangen wäre. In Poltringen im Ammertal bestand die Sitte, dass Mädchen ihren Liebhabern zum neuen Jahr einen Hefekranz und dazu meist noch Zigarren oder noch etwas Wertvolleres zum Präsent machten. Auch der 17-jährige Joseph Hayer wurde von seiner Liebsten Rosine Sailer mit einem solchen Geschenk bedacht. Am Abend, nach einer Zusammenkunft mit seinen Kameraden Wallhäuser und Amman, beschlossen diese, ihm das Geschenk abzunehmen. Sie versteckten sich im Schlosshof, und als Hayer beim Nachhauseweg mit seinen in ein Tuch eingebundenen Geschenken vorbeikam, fielen sie von hinten über ihn her. Während Amman ihm die Augen zuhielt, entriss ihm Wallhäuser das Bündel und sprang damit über eine Mauer. Dabei stürzte er, und der Hefekranz zerbrach in Stücke. Den zerbrochenen Hefekranz und die Zigarren teilten sie untereinander. Hayer, der die beiden gleich als Täter vermutete, sah anfangs den Vorfall als einen Spaß an und rechnete damit, dass die Kameraden ihm das Tuch samt Inhalt zurückgeben würden. Als dies nicht geschah, zeigte er sie beim Landjäger an. Die beiden Beschuldigten schickten daraufhin Hayer schleunigst als Abfindung vier Gulden und 30 Kreuzer und gaben Rosine Sailer ihr Tüchlein zurück. So glaubten sie, die Sache aus der Welt geschafft zu haben. Doch die Justiz war bereits tätig geworden. Anderntags verhaftete der Landjäger die beiden Burschen und führte sie dem Oberamtsrichter in Herrenberg vor. Untersuchungen wurden eingeleitet und anschließend Anklage vor dem Königlichen Kreisstrafgericht Calw erhoben. Die beiden leugneten die Tat nicht, stellten aber alles als einen Scherz hin. Den Hefekranz, den sie allein hätten gar nicht aufessen können, wollten sie in der Wirtschaft mit anderen Kameraden verzehren. Doch der Staatsanwalt hielt in vollem Umfang an seiner Anklage Raub fest und beantragte, die Beschuldigten zu je fünf Monaten Arbeitshaus zu verurteilen. Die beiden Verteidiger, die Rechtsconsulenten Klinger und Schwarzmann, plädierten hingegen auf Freispruch. Letztendlich hatte der Richter ein Einsehen, glaubte den Angeklagten und sprach sie frei. Allerdings mussten sie die Verfahrenskosten übernehmen. So endete der Spaß für sie dann doch noch recht teuer.“

Wer hierzu vertiefende Informationen beitragen kann oder andere Geschichten als „Fundstücke“ beitragen möchte, kann sich gerne bei unserer AG melden (heimatgeschichte@hwv-ammerbuch.de).
Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter

Erscheinung
Amtsblatt der Gemeinde Ammerbuch
NUSSBAUM+
Ausgabe 14/2025

Orte

Ammerbuch

Kategorien

Kultur
Dieser Inhalt wurde von Nussbaum Medien weder erfasst noch geprüft. Bei Beschwerden oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte an den zuvor genannten Erfasser.
Meine Heimat
Entdecken
Themen
Kiosk
Mein Konto