Im Januar 1974 wurde im Zuge der Gemeindereform die Gemeinde Aichelberg in die Stadt Wildbad eingegliedert und im Juli 1974 erfolgte der Zusammenschluss der Gemeinde Calmbach und der Stadt Wildbad. Aus den ehemals drei selbstständigen Kommunen wurde eine: Wildbad im Schwarzwald. Seit 1992 heißt die Stadt Bad Wildbad.
Diese gemeinsamen 50 Jahre sollen nun am Sonntag, 15. September mit einem Fest gewürdigt und gefeiert werden. Ein Gottesdienst, ein Festakt und vor allem Begegnungen von Bürgerinnen und Bürgern aus allen heutigen Ortsteilen Bad Wildbads sind geplant.
Zum Hintergrund des Zusammenschlusses hat Dr. Marina Lahmann einige interessante Fakten zusammengetragen und diese im Bad Wildbad Report 2024 veröffentlicht. Nachfolgend der Artikel für alle an der jüngeren Stadtgeschichte interessierten Leser. Leider ist Bildmaterial nur eingeschränkt bzw. so gut wie gar nicht verfügbar.
Die Gebietsreform in Baden-Württemberg erfolgte in den Jahren 1968 bis 1975 und hatte das Ziel, größere und damit leistungsfähigere und effizienter arbeitende Verwaltungseinheiten zu schaffen.
Die bisherige Verwaltungsstruktur sollte den Veränderungen seit der Gründung Baden-Württembergs gerecht werden und sich dem Wandel im Industrie- und Gewerbebereich, der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung und den gewachsenen Bedürfnissen an staatliche Dienstleistungen – vom Bildungssystem über die Gesundheitsversorgung bis zu Freizeiteinrichtungen – anpassen. Die Reformen wollten die Gegensätze zwischen verschiedenen Regionen mit einer Neuordnung der Landkreise und Gemeinden ausgleichen.
Bei der baden-württembergischen Kreisreform von 1973 wurde die Zahl von 72 Land- und Stadtkreisen auf 44 reduziert. Ersten Überlegungen zufolge sollte auch der Landkreis Calw aufgelöst werden, blieb dann aber doch bestehen. Er war der einzige Landkreis, der im Zuge der Kreisreform verkleinert wurde. Insgesamt 16 Gemeinden wurden benachbarten Landkreisen zugewiesen, im Gegenzug kamen drei Gemeinden im südlichen Kreisgebiet hinzu.
Zur Gebietsreform gehört auch die Gemeindereform. Aus 3.379 Gemeinden in Baden-Württemberg sollten durch Zusammenschlüsse und Eingemeindungen weit weniger Gemeinden werden; Gemeinden sollten mindestens 8.000 Einwohner haben. Diese Mindestzahl wurde damit begründet, dass erst ab dieser Größe die Finanzierung der nötigen Infrastruktur – wie Schulen und Kindergärten, Altenheime, Sport- und Schwimmanlagen, Kultur- und Sozialeinrichtungen – gewährleistet sein würde.
Zum Schluss der Reform 1975 gab es noch 1.111 Gemeinden in Baden-Württemberg. Im Landkreis Calw verringerte sich die Zahl der Gemeinden von einst 104 auf 25. Durch weitere Zusammenschlüsse in den folgenden Jahren gibt es heute in Baden-Württemberg 1.101 Gemeinden. Das einstige Ziel, in Zukunft nur noch Gemeinden mit mindestens 8.000 Einwohner und Einwohnerinnen zu haben, wurde damals allerdings nicht erreicht. Heute hat mehr als die Hälfte der Kommunen weniger als 5.000 Einwohner.
Bevor eine Gemeindezusammenlegung freiwillig vereinbart oder gesetzlich festgelegt werden konnte, war in den betroffenen Gemeinden eine Anhörung durchzuführen. Im Falle von Eingliederungen fand diese Anhörung nur in der einzugliedernden Gemeinde statt, bei neu zu bildenden Gemeinden in allen betroffenen Gemeinden. Bei dieser Anhörung wurden die Stimmberechtigten gefragt, ob sie der Eingliederung bzw. dem Zusammenschluss zustimmten oder nicht.
Für den Bereich des heutigen Bad Wildbad gab es beides: eine Eingliederung (der Gemeinde Aichelberg in die Stadt Wildbad) und eine Neubildung (Zusammenschluss der Gemeinde Calmbach und der Stadt Wildbad). In beiden Fällen bedurfte es einer Anhörung der stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger.
Zur Eingliederung der Gemeinde Aichelberg nach Wildbad wurden nur die Bürgerinnen und Bürger von Aichelberg, Meistern und Hünerberg „angehört“, also per Stimmzettel befragt. Die Wildbader blieben bei diesem Verfahren außen vor.
Die Anhörung fand am 11. November 1973 statt. Die Abstimmungsbeteiligung betrug 56,97 Prozent. Für die Eingliederung stimmten 67,31 Prozent der Abstimmungsberechtigten, dagegen 32,69 Prozent.
Die Eingliederung Aichelbergs nach Wildbad trat zum 1. Januar 1974 in Kraft. Laut Eingliederungsvereinbarung sollte – bis zur allgemeinen Neuwahl der Gemeinderäte – ein Mitglied des seitherigen Gemeinderats Aichelberg dem Gemeinderat der Stadt Wildbad angehören: Erwin Frey wurde ab Januar 1974 dieses zusätzliche Mitglied des Wildbader Gemeinderats.
Am selben Tag wurden übrigens auch die Stimmberechtigten von Enzklösterle über eine Eingliederung nach Wildbad befragt. Dieses Ergebnis sah ganz anders aus: Bei einer hohen Beteiligung von 70 Prozent aller Abstimmungsberechtigten stimmten 80,47 Prozent gegen und 19,53 Prozent für eine Eingliederung. Enzklösterle blieb somit selbstständig.
In Verfahren eines Zusammenschlusses wurden die Bürger aller betroffenen Gemeinden angehört, im Fall des Zusammenschlusses von Calmbach und Wildbad die Bürger beider Orte am 16. Dezember 1973.
In Wildbad gaben 37,73 Prozent der Berechtigten ihre Stimme ab. 87,64 Prozent sprachen sich für den Zusammenschluss aus, dagegen waren 12,36 Prozent.
In Calmbach war die Beteiligung mit 48 Prozent etwas höher: 71,54 Prozent waren dafür, dagegen waren 28,46 Prozent.
Der Zusammenschluss trat am 1. Juli 1974 in Kraft. Die Amtszeiten der bisherigen Bürgermeister – Hermann Saam in Wildbad und Ulrich Maier in Calmbach – endeten am 30. Juni 1974. Dabei ging Saam altershalber in den Ruhestand und Maier wurde in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Mit Bildung der neuen Stadt „Wildbad im Schwarzwald“ trat am 1. Juli 1974 ein Übergangsgemeinderat zusammen, der aus beiden seitherigen Gemeinderäten Calmbachs und Wildbads bestand und 33 Personen umfasste. Das erste Mal tagte dieser Interims-Gemeinderat direkt am 1. Juli 1974 im Kursaal in Wildbad. Als Vorsitzender agierte – als ältestes Gemeinderatsmitglied – Stadtrat Fritz Schmid aus dem Ortsteil Wildbad. Zum 1. Stellvertreter des Bürgermeisters wurde an diesem Abend Walter Ableiter gewählt, der die Amtsgeschäfte ehrenamtlich bis Oktober 1974 besorgte.
Fünf Kandidaten umwarben die Wählerinnen und Wähler der Stadt Wildbad im Schwarzwald im Vorfeld der Bürgermeisterwahl. Gewählt wurde am 22. September 1974 Ulrich Maier, ehemaliger Bürgermeister von Calmbach. Seine Amtseinsetzung erfolgte am 22. Oktober 1974.
Die Wahlen zum Gemeinderat fanden am 20. April 1975 statt. Die eingeführte „unechte Teilortswahl“ sah 1 Sitz im Gemeinderat für den Stadtteil Aichelberg/Meistern/Hünerberg, 9 Sitze für den Stadtteil Calmbach, 1 Sitz für den Stadtteil Sprollenhaus/Nonnenmiß und 11 Sitze für den Stadtteil Wildbad vor. Es waren also 22 Sitze zu vergeben, von denen 10 an die CDU, 2 an die FDP, 5 an die Freie Wählervereinigung und 5 an die SPD gingen.
Was hatten die Gemeinden vom Zusammenschluss? Freiwillige Zusammenschlüsse wurden vom Land mit einer Finanzhilfe honoriert. Die Höhe dieser Zahlungen richtete sich nach der Einwohnerzahl der neuen Gesamtgemeinde. Investitionen in die Infrastruktur konnten so getätigt werden. In Wildbad im Schwarzwald wurde die Finanzhilfe für die Erweiterung der Grund- und Hauptschule Calmbach und den Neubau einer Sonderschule in Calmbach verwendet.
Im Zuge des Zusammenschlusses mussten einige Straßen in Aichelberg, in Calmbach und in Wildbad umbenannt werden, weil es sie sonst doppelt gegeben hätte. Einen Straßennamen gab es sogar in allen drei bisher selbständigen Gemeinden: den Jägerweg, der nur in Wildbad erhalten blieb.
In Aichelberg betraf die Straßenumbenennung die Wildbader Straße – heute Freudenstädter Straße – und den oben erwähnten Jägerweg – heute Pirschweg.
In Calmbach wurden die Gartenstraße – heute Frankenwiesenweg, die Goethestraße – heute Hölderlinstraße, die Silcherstraße – heute Hauffstraße, die Schönblickstraße – heute Vogelsangstraße, die Uhlandstraße – heute Kantstraße und eben auch der Jägerweg – heute Föhrenweg umbenannt.
In Wildbad wurde die Jahnstraße zum Jahnweg und der Kirchweg in Sprollenhaus wurde in Auf der Platte geändert.
1992 wurde „Wildbad im Schwarzwald“ in Bad Wildbad umbenannt. Die Verantwortlichen wollten damit die Bedeutung des Schwarzwaldstädtchens als Badeort hervorheben und sich neben Baden-Baden, Bad Herrenalb, Bad Liebenzell und den anderen Badeorten im Nordschwarzwald positionieren. Gerüchten zufolge war ein positiver Nebeneffekt der Namensänderung, dass man in Zeiten zunehmender Digitalisierung und damit Sortierung von Listen anhand des ABCs von einem der letzten Plätze im Alphabet „W“ mit einem Schlag ganz nach vorne rutschte, nämlich zum „B“. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt … (ml/gg)