Mit 350.000 Euro ist auch im Meßstetter Haushalt 2025 wieder ein satter Brocken für die „Kanalsanierungen in geschlossener Weise“ eingestellt. Das bedeutet, dass Bagger keine Löcher graben, um an die Rohre zu kommen, sondern mit Roboter-Technik die Meßstetter Rohre von innen her begutachtet und mittels „Schlauchlining“ saniert werden. Das kommt unter dem Strich günstiger und vermeidet Baustellen. Allerdings erfordert dieses Verfahren eine intensive, fachliche Begleitung durch ein versiertes Ingenieurbüro. Die dafür veranschlagten Honorarkosten (brutto knapp 52.500 Euro) hat der Technische Ausschuss in seiner jüngsten Sitzung einstimmig genehmigt.
Die Meßstetter Unterwelt muss ganz schön viel verkraften. Ohne dass es die Bürgerinnen und Bürger überhaupt mitkriegen. Zigtausend Liter Frischwasser und Abwasser fließen – auf dem Weg vom Wasserbehälter zum Verbraucher oder von dort zur Kläranlage – tagtäglich durch die schier endlos langen Rohre der Stadt. Vergraben in den Straßen oder unter Gehwegen und Gebäuden, ist das städtische Abwassernetz von Meßstetten weitverzweigt. Über eine Gesamtstrecke von zirka 120 Kilometer entsorgt es das Schmutzwasser. Wohl kaum einer denkt beim Öffnen des Wasserhahns oder beim Betätigen der Klo-Spülung daran, welche Vorgänge davor oder danach im wahrsten Sinne ablaufen. Das Abwasser-System muss so manches schlucken und zu den beiden Klärwerken in Unterdigisheim und Lautlingen transportieren.
Dass dabei mit der Zeit die Abwasserrohre Schaden nehmen oder durch Ablagerungen beispielsweise immer enger werden und irgendwann zu verstopfen drohen, das versteht sich von selbst. In regelmäßigen Abständen ist deshalb eine Sanierung der Rohre notwendig. Und zwar rechtzeitig, bevor es zu spät ist und die Schäden richtig gravierend sind, so dass teure bauliche Eingriffe erforderlich werden. „Kanalinnensanierung“ ist eine Methode, von welcher Bauleute, Ingenieure und andere Experten reden, wenn es darum geht, das Rohrnetz in Schuss zu halten. Diese Art der Sanierung spart Geld, erfordert aber eine intensive Begleitung durch ein Fachbüro. Ein solches ist der Dienstleister „Mayer Ingenieure“ aus Böblingen, dem die Gemeinderäte des Technischen Ausschusses erneut ihr Vertrauen schenken. Nicht von ungefähr hat dieses Büro doch bereits den Kanalzustandsbericht und den Allgemeinen Kanalisationsplan (AKP) für Meßstetten erstellt und in den zurückliegenden Jahren diese Sanierungsmaßnahmen in Abstimmung mit dem Bauamt zuverlässig durchgeführt. Die Honorarsumme beläuft sich auf knapp 52.500 Euro. Das ist allerdings nur ein Näherungswert. Da erst nach erfolgter Grundlagenermittlung in Abhängigkeit von den zu sanierenden Durchmessern und Materialien sowie dem Schadensumfang der Kanalisation die exakte Ausführung festgelegt werden kann, hat das Ingenieurbüro Mayer anhand von Erfahrungswerten dieses Honorarangebot unterbreitet.
Viele Abwasserkanäle sind von Altersschäden betroffen: Mit der Zeit bilden sich Risse, Wurzeln von Bäumen wachsen ins Rohr ein, es kann zu Rohrbrüchen, Verformungen oder Verschiebungen kommen. Schadhafte Dichtungen und Materialermüdung können sich im Laufe der Jahre immer stärker bemerkbar machen. Irgendwann sitzt das Rohr zu – oder es sickert immer mehr Abwasser ins Erdreich. Die Vorteile einer Rohrsanierung oder Kanalerneuerung in geschlossener Bauweise liegen darin, dass die Baumaßnahmen verhältnismäßig wenig Zeit in Anspruch nehmen, weil kein Bagger zum Einsatz kommt, der den Erdboden rund um die Baustelle aufgraben muss.
Anstatt Straßen aufzureißen, unter denen häufig die Leitungen verlaufen, reicht der Zugang über Schächte oder Baugruben. Wie bei einer Schlüssellochoperation werden Schläuche oder Rohrelemente von einem kleinen Zugang aus unter die Erde gebracht und von innen in das beschädigte Rohr geführt. Es entsteht so – zum Teil innerhalb kurzer Zeit – ein Rohr im Rohr, das sämtliche Funktionen des Altrohres übernimmt.
Die Vorgehensweise in geschlossener Bauweise hat auch Nachteile: Es sind nur verhältnismäßig geringe Schäden wie verschobene Rohrverbindungen, Risse oder Scherbenbildung im Rohr auf diese Weise zu reparieren – für größere Schäden am Rohr ist die offene Bauweise das Mittel der Wahl, weil eventuell das Rohr ausgetauscht und gegen ein neues ersetzt werden muss. Ein weiterer Nachteil der geschlossenen Bauweise liegt darin, dass die Grundstatik der Rohre noch gegeben sein muss – das ist gerade bei älteren Kanälen nicht immer der Fall. Hinzu kommt: Das grabenlose Inliner-Verfahren kann nur angewandt werden, wenn ein Rohrdurchmesser von mindestens zehn Zentimetern gewährleistet ist.
Schlauchlining – eine Erfindung, die die kanalisierte Unterwelt veränderte. Seit rund 50 Jahren werden in Europa Abwasserrohre, Fallrohre und Kanäle mit dem Schlauchlining-Verfahren saniert. Erste Überlegungen zu einem neuen grabenlosen Verfahren hatten englische Ingenieure in den 1960er- und 70er-Jahren angestellt. Sie hatten die Idee, die bauliche Substanz von Kanälen zu erhalten, ohne dass aufwendige Grabungen erfolgen mussten. Der Hintergrund: In London befindet sich das mit mehr als 180 Jahren älteste Abwassernetz Europas. Das starke Verkehrsaufkommen in der Metropole, die zahlreichen Fremdleitungen in den Straßenquerschnitten sowie die finanziellen Aspekte einer Kanalsanierung erforderten immer dringender eine kostengünstige Renovierung mit möglichst geringen Aufgrabungen.
Im Laufe der Zeit wurde dieses Verfahren immer weiterentwickelt, verfeinert und variiert. So dass in Meßstetten nun modernste Technik zum Einsatz kommt. Das Grundkonzept des Inliner-Verfahrens, wie es auch genannt wird, ist aber noch immer gleich. Ein mit Kunstharz getränkter Schlauch-Gewebeträger wird im Altrohr positioniert und vor Ort ausgehärtet. Das Altrohr dient dabei als Schalung und es entsteht ein muffenloses Kunststoffrohr, das in dem bestehenden Kanal anliegt.
Ausschlaggebend, ob das Inliner-Verfahren angewandt werden kann, ist der Zustand der Altrohre. Aufschluss über den Zustand liefert die Bestandsaufnahme, bei welcher mit Roboter und Kameras das Rohrnetz unter die Lupe genommen wird. Das geschah in Meßstetten systematisch von 2016 bis 2019 im Rahmen der Eigenkontrollverordnung. Das Büro „Mayer Ingenieure“, welches auch jetzt wieder ins Boot geholt wurde, hat auf Grundlage des Meßstetter Kanalzustandsberichts seit 2019 Sanierungspläne fürs Stadtgebiet ausgearbeitet. Die Fachleute verwenden Schadenskürzel und teilen Rohre in sogenannte Zustandsklassifizierungen ein. Diese Skala umfasst fünf Stufen: 0 (umgehende Beseitigung), 1 (kurzfristige Beseitigung), 2 (mittelfristige Beseitigung), 3 (langfristige Beseitigung) und 4 (geringe Schäden).
Danach wird geprüft, welche Kanalstrecken (Haltungen) mittels Kanalinnensanierung repariert werden können und welche Verfahren angewendet werden müssen. Um nun möglichst effizient vorzugehen, werden Haltungen priorisiert, in denen das meiste Fremdwasser eintritt. „Dieses Fremdwasser belastet unnötigerweise die Kläranlagen, weil es zusätzlich zum normalen Abwasser auch wieder gereinigt werden muss“, erklärt Fritz Stoll vom städtischen Bauamt. Zudem werden Sanierungsstellen möglichst in einem begrenzten Umkreis (in den meisten Fällen ortsteilweise) abgearbeitet. So wurden in der Vergangenheit in Tieringen, Unterdigisheim, Oberdigisheim, Hossingen und in der Kernstadt schwerpunktmäßig die Sanierungen vollzogen. In diesem Jahr stehen Haltungen in den Rohrnetzen von Hartheim und Heinstetten im Kalender. (VB)