Die seltene Gelegenheit, einen Zeitzeugen des Holocaust sprechen zu dürfen, hatten die Schüler der Jahrgangsstufe 9 des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums just in diesen Tagen, an denen man des 80. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz gedenkt. Paul Eric Joseph war mit seiner Frau aus den Niederlanden, wo das Ehepaar lebt, gekommen, um in Heidelberg und Umgebung Schülern seine Lebensgeschichte zu erzählen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Mit seiner sympathischen und humorvollen Ausstrahlung fand der 86-Jährige sofort einen Zugang zu den Neuntklässlern, die sich auch in Geschichte und Religion gerade mit dem Thema Nationalsozialismus beschäftigen.
In einem Film zeigte Joseph den Jugendlichen die Geschichte der Flucht seiner Familie vor den Nazis bis hin zur Rettung in der Schweiz. Joseph stammt von der ursprünglich in Heidelberg ansässigen jüdischen Familie Hochherr ab, die im Zweiten Weltkrieg fliehen musste. Viele Familienmitglieder wurden in Auschwitz oder anderen Lagern ermordet, nur Josephs Eltern und eine Cousine, die es in die USA schaffte, konnten sich retten. Der kleine Paul Eric war damals gerade erst fünf Jahre alt, als seine Eltern von den Niederlanden, wohin sie sich aus Heidelberg geflüchtet hatten, über Belgien und Frankreich in die Schweiz flohen.
Ihre Flucht gelang aus vielen Gründen: Da sich seine Eltern gut in Holland integriert und freundschaftliche Beziehungen zu ihren neuen Nachbarn gepflegt hatten, haben diese sie bei der Flucht unterstützt. Die Familie konnte gut Französisch sprechen, was ihnen in Frankreich weitergeholfen hat. Zudem hatte der Vater noch Geschäftskontakte auf der Fluchtroute, die ebenfalls eine Hilfe waren. Besonders wichtig waren aber die vielen „Passeure“ – Fluchthelfer, die ehrenamtlich oder gegen Bezahlung die Gefahr auf sich nahmen, Juden außer Landes zu schmuggeln. Den Nachkommen dieser Fluchthelfer, die ihre Zivilcourage nicht selten mit dem Leben bezahlen mussten, ist Josephs Film gewidmet.
Auf die Frage der Teenager, wie Joseph heute zu Deutschland stehe, antwortete er, dass er der jungen Generation ohne Vorurteile begegne und persönlich noch keinen Judenhass erlebt habe. Für ein erfolgreiches Zusammenleben sei Integration sehr wichtig, betonte er. Am Ende der eindrucksvollen Veranstaltung bedankte sich der stellvertretende Schulleiter des DBG Martin Kilian bei Paul Eric Joseph für sein Kommen und sein Engagement für die Jugendlichen.
Uta Fink