Liebe Leserinnen und Leser, so singt Astrid Lindgrens literarische Pippi Langstrumpf. Die ist neun Jahre alt und macht sich die Welt so, wie sie ihr gefällt. Das Haus, das sie bewohnt, die Villa Kunterbunt, ist ein fiktiver Ort, an dem ihre Einfälle keine Grenzen zu haben scheinen. Sie bricht mit dem Regel-Korsett der Erwachsenen: sie isst mit den Händen, legt sich mit Straßenkleidung ins Bett, holt sich ein Pferd ins Wohnzimmer und benutzt die Lampen an der Decke als lustige Schaukeln.
Klar, das hat was, die Sehnsucht nach dem Freigeist. Regeln aber kann man nur ausreizen und überschreiten, wenn es sie überhaupt gibt – sprich, wenn es das Festlegen auf so etwas wie Wahrheit und Fakten gibt, die nicht der Beliebigkeit anheimfallen. Und auch wenn Donald Trumps Nachname in jenem der Romanfigur von Astrid Lindgren steckt, so ist dessen Regierung doch kein Kinderbuch, sondern bittere Realität.
Trump, Vance, Hegseth, Musk – sie sind beängstigende Wirklichkeit. Regeln kennen diese vier letztlich keine. Und die Welt machen sie sich tatsächlich, wie sie ihnen gefällt. Wer widerspricht, wird abgestraft, als Lügenpresse bezeichnet, als linke Aktivisten beschimpft, als geistig beeinträchtigt bezeichnet oder wie etwa Migranten als „Tiere“ und „Terroristen“ verunglimpft. Und Trumps unberechenbare Zollpolitik, die zeigt doch schon längst offen und unverhohlen, dass es für ihn keine Werte gibt.
Du willst niedrige Zölle – dann kaufe unsere Waffen. Du willst Waffen – dann gib deine Rohstoffe her. Du willst diplomatische Aufwertung – dann schließe Frieden. Du willst militärische Protektion? Dann wage es nicht, unsere Tech-Unternehmen zu gängeln. In der Welt von Donald Trump hat nichts eine Würde, aber alles einen Preis. Sie ist einfach vulgär und zutiefst darwinistisch, käuflich – und schlicht unmenschlich.
Es ist so traurig: da werden politisch treue Gewalttäter begnadigt, Unschuldige deportiert, sich schamlos selbst bereichert und Bombenangriffe öffentlich diskutiert. Da wird davon geredet, sich Grönland und den Panamakanal einzuverleiben und Diktator Wladimir Putin dafür gelobt, dass er für Donald Trump gebetet hat.
Was mich besonders traurig macht: Die moralischen Verfehlungen von Trump und Musk, die gemeinsam 19 Kinder mit 7 verschiedenen Frauen gezeugt haben, scheinen die sonst so prüden US-amerikanischen Christen, auch viele Katholiken, nicht zu stören.
Wo sonst der Wert der heterosexuellen Familie in herausragender Weise betont wird, schweigen die US-amerikanischen Vorzeige-Christen. Wer sich für die Armen und Ängstlichen einsetzt, wird beleidigt, wer Barmherzigkeit verlangt, erfährt unbändigen Hass. Wer sich gegen Rassismus und für die „Black Lives Matter“-Bewegung engagiert, wird als Teil einer „Organisation von Neokommunisten“ verunglimpft, denen es um die Zerschlagung von Staat und Familie ginge.
Wer allerdings den Holocaust verharmlost und sich in die Fußstapfen des nationalsozialistischen Regimes stellt, wird für das Zeigen des Hitlergrußes mit Einladungen zum US-amerikanischen Präsidenten belohnt. Es ist das Pervertieren der Worte Jesu, des christlichen Glaubens und der US-amerikanischen Demokratie.
Die Doppelmoral der christlichen Rechtsextremen, die anderen Religionen, etwa dem Islam, jegliche Moral absprechen, aber selbst bei moralischen Verfehlungen schweigen, ist himmelschreiend. Dies ist nicht das Christentum, das den Menschen als Geschöpf Gottes zur Nächstenliebe verpflichtet.
Auch nicht das Christentum, von dem die US-Bischöfin Mariann Edgar Budde beim Gottesdienst zu Trumps Amtseinführung sprach, als sie den neuen Präsidenten fast flehentlich mahnte, achtsam mit seiner politischen Agenda und den Rechten von Migranten umzugehen.
Leider können weder eine Bischöfin Budde noch ein Papst Franziskus internationale Hilfsprogramme sicherstellen, noch die weltweite Sicherheit gewährleisten oder Handelskriege beenden. Mit Blick auf Trump und seine Gesinnungsgenossen scheinen deren Worte wirkungslos. Aber umsonst waren sie trotzdem nicht, weil daraus Mut und zwischen den Zeilen die Hoffnung spricht, dass die Mächtigen vielleicht doch vom Thron gestürzt werden mögen – wenn es nur Menschen gibt, die an dieser Verheißung festhalten. Und auch Ostern, das wir gerade feiern, hält an dieser Hoffnung fest.
Nochmals zu Pippi Langstrumpf. Etliche Jahre geisterte der Slogan ,Sei Pippi, nicht Annika‘ durch die Gegend, der dem ungezähmten Geist Pippis dem schüchternen Gemüt ihrer besten Freundin Annika den Vorzug gibt. Um der Menschen und der Schöpfung willen, kann man sich nur wünschen, dass viel mehr der Slogan gilt: Sei um der Liebe Christi Willen Budde und auch Franziskus, nicht Vance oder Trump. Ihr Pfarrer Ronny Baier