Das Deutsche Zweirad- und NSU-Museum in Neckarsulm bietet eine der größten historischen Sammlungen von Motor- und Fahrrädern in Deutschland. Angesichts der hier auf 2000 Quadratmetern präsentierten 400 Exponate bekommen nicht nur Biker glänzende Augen. Nachdem unser Verein im letzten Jahr zum 150. Jubiläum der Traditionsmarke NSU das Audi-Werk am gleichen Standort besucht hatte, hatten wir uns in diesem Frühjahr als komplementäre Veranstaltung eine Führung in diesem ältesten deutschen Motorradmuseum vorgenommen.
Am 20. März war es dann so weit. Schon der erste Eindruck ist bemerkenswert. Die Ausstellung ist in zwei Gebäuden des ehemaligen Neckarsulmer Deutschordensschlosses untergebracht, die durch ein modernes Stahlglas-Rampentreppenhaus funktional miteinander verbunden sind. Im Eingangsbereich empfing uns Sven Heimberger, der sportlich-jugendlich wirkende Kurator der Sammlung, der sich als technisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter vor allem um die Bestandserhaltung der Ausstellungsobjekte kümmert. Selbst ein begeisterter Motorradfahrer, hält er Kontakt zu Leihgebern, bereitet die Sonderausstellungen vor, restauriert, recherchiert und verfasst die Ausstellungstexte – ein absoluter Fachmann also. Entsprechend sachkundig und gewürzt mit Hintergrundwissen fiel dann auch die Führung aus, die daneben noch Raum für den Dialog unter Kennern ließ.
Der Rundgang begann mit einer fünfminütigen Filmvorführung im Forum, bei der, wer wollte, auf festmontierten Maschinen die Simulation einer kurvenreichen Bergfahrt erleben konnte – eine kleine Werbeshow fürs Motorradfahren. Ansonsten stimmten Motorradlegenden aus der Vorkriegszeit wie die Brough Superior SS 100 Pendine von 1929 auf das Kommende ein. Einen solchen "Rolls-Royce of motorcycle" fuhr Lawrence von Arabien, der englische Kriegsheld und Motorrad-Enthusiast, der 1935 mit dieser Maschine leider auch tödlich verunglückte. In der Sonderausstellung „Innovation. Wagemut. Transformation. 150 Jahre NSU“ nebenan war u. a. eine NSU Bullus zu sehen, benannt nach dem Engländer Tom Bullus, der in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts damit serienweise Rennerfolge feierte. Weitere Höhepunkte der NSU-Motorradgeschichte folgten, wie z. B. die strömungsgünstig verkleidete NSU Delphin III, mit der Wilhelm Herz 1956 auf dem Salzsee in Bonneville/USA mit gemittelten 339,4 km/h einen Motorrad-Geschwindigkeitsrekord aufstellte. Mit der NSU Baumm III, dem von Gustav Adolf Baumm entworfenen "fliegenden Liegestuhl", verbrauchte H. P. Müller – nahezu auf dem Rücken liegend – im gleichen Jahr sensationelle 1,12 Liter Benzin auf 100 km. Im Zentrum des Interesses standen weiter die einzigartige NSU 500 Vierzylinder Rennmaschine von 1951 und die NSU Rennmax, die erste 250-er Straßenrennmaschine mit Viertaktmotor, die ihre Nennleistung über der magischen 10 000 U/min-Marke erreichte. Auf ihr wurde Werner Haas 1953 Weltmeister in der 250-er Klasse. Was Wunder, dass auf der Basis dieser Erfolge NSU Mitte der 1950er-Jahre der größte Zweiradhersteller der Welt war.
Im großen Ausstellungssaal tauchte unsere Gruppe anschließend tief in die Geschichte der Mobilität auf zwei Rädern ein. Es seien nur einige Marksteine der technologischen Entwicklung erwähnt: Am Anfang standen der hölzerne "Reitwagen" von Daimler-Maybach aus dem Jahr 1885 und das erste Serienmotorrad der Welt von Hildebrand und Wolfmüller (das übrigens dem "Motorrad" auch den Namen gab). Die Clément V2 von1902 war die erste Maschine der Welt mit V2-Motor, die BMW R 32 das erste echte BMW-Motorrad. Vom Flugzeugbau inspiriert war die Megola mit ihrem im Vorderrad eingebautem 5-Zylinder-Sternmotor. Präsentiert wird u. a. eine erst kürzlich wiederentdeckte Megola Werksrennmaschine von 1922, die 60 Jahre lang verschollen war und im Auffindungszustand belassen wurde. Unter den vielen herausragenden Motorradmodellen stechen daneben besonders heraus: die Captain America, Peter Fondas Harley Panhead aus dem Film "Easy Rider" – das Kultbike schlechthin; die 1975 Hercules W 2000 mit Wankelmotor oder das Vorserienmodell der 1974 Honda Gold Wing. Lediglich zehn GL 1000 der Vorserie wurden gebaut, von denen heute nur noch drei existieren. Das ausgestellte Exemplar ist die Nr. 7.
Dass die Führung zwar auf 90 Minuten angesetzt war, aber um einiges länger ausfiel, spricht für ihre Qualität. Anschließend konnte sich jeder auf eigene Faust in den restlichen Räumen der Sammlung kundig machen. Auf Interessierte warteten z. B. die Fahrradausstellung (zu sehen u. a. die Laufmaschine des Freiherrn von Drais und historische Hochräder) oder auch die Rennsportabteilung, die den Rennfahrer-Legenden und ihren Maschinen gewidmet ist.
Zum guten Schluss begab man sich in den stimmungsvollen historischen Gewölbekeller der "Museumsstuben" nebenan, wo wir beim gemeinsamen Mahl eine beeindruckende und erinnerungswürdige Exkursion ausklingen ließen. Dank für die Organisation gebührt wie immer unserem "Ausfahrts-Beauftragten" Werner Knebel.