Er fotografiert erst seit einem Jahr. Doch was Jürgen Klein in dieser Zeit an Blickwinkeln auf Alltägliches gefunden hat, war dem Kuratorium der „Galerie im Schloss“ wert, seine Bewerbung zu berücksichtigen. Eine gute Entscheidung, wie sich bei der Vernissage zeigt.
„Linien + Formen, Licht + Schatten“. Der Titel hört sich nicht spektakulär an. Und auch die Motive sind es nicht. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Wenn Jürgen Klein bei der Einführung in seine Ausstellung das Bild eines Hochhauses mit einem zeltartigen Eingang zeigt, dann denkt man sich nicht viel. Zeigt er dann den Blickwinkel, den er für seine Fotografie gewählt hat, hat er dafür das Weitwinkelobjektiv der Kamera genutzt – dann sieht das auf einmal ganz anders aus. Dann wird aus unspektakulär magisch. Wird aus dem Einfachen das Besondere. Und manches wird zur Herausforderung für den Kopf, der versucht einzuordnen, was die Augen sehen; und dabei hin und wieder kläglich scheitert. Denn Klein zeigt nie das Objekt in Gänze. Er wählt den Ausschnitt. Arbeitet Struktur, arbeitet Licht und Schatten heraus, ohne aber zu verzerren. „Ich arbeite lediglich mit Kontrasten“, sagt Klein. Eines seiner Lieblingsmotive: Treppenhäuser. Ihnen widmet er in seiner Ausstellung eine ganze Etage des Rathauses. Und es ist nicht immer einfach, sie zu erkennen, die Dimension zu erfassen, den Verlauf. „Das macht gerade den Reiz aus“, sagt Klein, und er weiß, dass eine Zuordnung, die der Verstand von Natur aus vornehmen will, eine Herausforderung ist. Weil alles, wie er sagt, losgelöst, abstrakt, nicht mehr mit dem Ursprünglichen verbunden ist. „Das mute ich den Betrachtern zu“, ist der Fotograf ganz selbstbewusst.
Jürgen Klein kommt aus Frankfurt. Dass er wirklich erst ein Jahr als Fotograf unterwegs ist, wie Kurator Rainer J. Roth in seiner Begrüßung sagt, das mag man nur schwer glauben. Auch Klein selbst wohl nicht so recht. „Vor einem Jahr hätte ich mir nicht im Traum denken können, heute vor Ihnen einführende Worte sprechen zu dürfen“, ist er selbst überrascht. Dass er sich alles selbst beigebracht hat, noch weniger. Doch es ist so. Denn beruflich verweist nichts auf seine Kameraleidenschaft. „Ich bin promovierter Apotheker“, erklärt Klein. Ja, das Faible für Kunst, für Musik, das, so sagt er, stecke in ihm. So wie das Auge, der Blick, der dem Alltäglichen das entlockt, was auf den ersten Blick nicht sichtbar ist. Was soll auch an einem Abrisshaus, entkernt und der Hülle bereits entledigt, verlockend sein? Jürgen Klein findet genau das, macht aus einer Lichtinstallation einer U-Bahn-Station ein Rätsel. Auch, weil er allem die Farbe nimmt. Kleins Fotografien sind ausschließlich Schwarz-Weiß. Gerade das ist es, was dann auch die Strukturen betont, was den Blick anzieht. Er bedient sich auch dem Spiel mit der Perspektive, überwindet so Häuserschluchten. So wirken durch viele Meter getrennte Gebäude, als berührten sich ihre Mauern – und der Kontrast des Materials, das so unterschiedlich ist, sich scharf voneinander abhebt und nicht zusammenpassen will, ist für den Verstand ein Mysterium.
„Man soll dieses Schöne einfach mal auf sich wirken lassen“, fordert Jürgen Klein dazu auf, einen Schritt zurückzugehen und sich zu üben im Sehen, dem Wahrnehmen statt des Einordnens. Denn, so sagt er an die Gäste gewandt, „unter der Oberfläche steckt doch vielleicht ein bisschen mehr“. Für ihn sei wichtig, so sagt der Fotograf in seiner Einführung, genau hinzusehen, um den Kern der Dinge zu erfassen. Das ist seine Motivation. Die führt ihn manchmal auch zu ungewöhnlichen Aktionen: Wähnt er hinter einer geschlossenen Tür ein fotogenes Treppenhaus, dann wird halt einfach geklingelt, um hineinzugelangen. Dann mischt sich Neugier mit sozialer Komponente: „Ich habe so schon schöne Gespräche erlebt“, grinst Klein. Äußerst sympathisch ist, dass er mit seinen Werken keine Botschaft vermitteln will. Die Frage danach, was der Künstler sagen will, die müsse man sich nicht stellen, will er den Gästen der Vernissage keine Interpretation aufbürden. „Was sie sehen, sind Fotos, die Ihnen hoffentlich gefallen. Nicht mehr und nicht weniger“, bleibt er ganz bescheiden und unprätentiös.
Die Ausstellung „Linien + Formen, Licht + Schatten“ ist bis zum 12. Juli zu den Öffnungszeiten des Rathauses zu sehen. (cs)