Gemeindearchivar Daniel Kress lenkt bei seiner Führung im Rahmen der Kulturregion Heilbronner Land den Blick auf die Offenauer Zeitzeugen aus Holz und Stein, die gern übersehen werden
Mitten hinein in die Geschichte führt Gemeindearchivar Daniel Kress an diesem sonnig-schönen Herbstsonntag seine Gäste. Das ist ganz wörtlich zu verstehen, ist doch die kleine, ringsherum mit Eichenrinde verkleidete Graf-Westerholt-Kapelle neben dem Kulturforum Saline für Besucher sonst verschlossen. Das ist kein Tribut an die Moderne, sondern passt zu ihrer Historie. Als privates Refugium ließ sich Graf Otto von Westerholt-Gysenberg das schmucke Kleinod in der Mitte des 19. Jahrhunderts im damals in Mode gekommenen Heimatstil einst in seinem Garten errichten.
Das Wohnhaus in der Offenauer Wahlheimat des im Deutsch-Französischen Krieg schwer verwundeten Leutnants aus Westfalen existiert mit dem Salzschreiberhaus noch. Der Rest ist Geschichte.
Sie erzählt Daniel Kress seinen rund 30 gespannt lauschenden Zuhörern an diesem 15. September nicht nur über die schmucke Westerholt-Kapelle mit ihrem leuchtend blauen Sternenhimmel im Inneren und der Glocke der längst verschwundenen Saline Clemenshall auf dem spitzen Schindeldach. „So kleine Sachen, wo man sich nicht so auskennt“ hat sich der Gemeindearchivar der Neckargemeinde für die Führung im Rahmen des diesjährigen Projekts der Kulturregion Heilbronner Land unter dem Titel „Sakrale Bauten, sakrale Kunst – Gotteshäuser, Museen, Pilgerstraßen und Wallfahrtsorte“ im Offenauer Ortsbild ausgesucht.
Damit trifft er den Geschmack von Bernd Löser. Der Offenauer ist „gespannt zu sehen“, was er in seiner Heimatgemeinde noch nicht kennt. Die Teilnehmerin aus Neckarmühlbach hat von Freunden aus Offenau von dem Spaziergang durch die Ortsgeschichte erfahren. Sie macht gern Stadtführungen, „man erfährt immer etwas Neues. Jeder hat seinen Schwerpunkt auf etwas anderem.“
Und so hört sicher nicht nur sie mit Erstaunen, dass der Bereich um die Pfarrkirche St. Alban bis 1852 als Friedhof benutzt wurde. Der mächtige Grabstein mit dem beeindruckenden Totenkopf aus Sandstein an der Fassade der alten Kelter neben dem Kirchhof legt noch Zeugnis ab von dieser Zeit.
Weltlich-politisch geht es an und in der Kirche weiter. Der Widderkopf in der Mitte des gemeißelten Deutschordenskreuzes über dem Eingangsportal ist heute verwittert. Besser zu sehen ist das Wappen des Komturs Johann Christoph von Buseck im Inneren der Kirche. Dort thront es ganz oben am Hochalter und noch einmal zur Erinnerung für alle Betrachter an der Decke darüber. Beim Bau von St. Alban 1751 hatte der Verwalter im Dienst des Deutschen Ritterordens mit Sitz in Gundelsheim „privates Geld einfließen lassen und durfte sich so verewigen“, erläutert Gemeindearchivar Daniel Kress das selbstbewusste Statement in Schwarz-Weiß.
Vorbei an der aus luftigen Tuffsteinbrocken errichteten Grotte zur Verehrung der heiligen Maria aus Lourdes hinter der Offenauer Pfarrkirche führt Kress die Gruppe weiter bis zum aktuellen Friedhof und dem Denkmal für die Offenauer Gefallenen beider Weltkriege aus den frühen 1920er-Jahren.
Sehr bildhaft ist die Sprache des Steinmetzen auf dem dort angebrachten Relief, mit Eichenbaum und Vogel, dem Soldat mit Stahlhelm und Karabinergewehr. Sogar das abgebildete Grab des im Feld gestorbenen Kameraden ziert, historisch genau, ein Kreuz aus Birkenrinde. Warum das so ist? Das ist eine Geschichte, die nur noch der Künstler zu erzählen wüsste. (her)
Wer ist die Kulturregion Heilbronner Land?
Der Arbeitskreis „Kulturregion HeilbronnerLand“ wird getragen von der Stadt Heilbronn sowie von Städten und Gemeinden des Landkreises Heilbronn und der Region. Sein Bestreben ist es, gemeinsam Kulturarbeit zu machen, die für jeden greifbar ist. Die Veranstaltungen mit jährlich wechselnden Schwerpunkten finden in den teilnehmenden Kommunen statt, werden dort geplant und finanziell getragen. Nach dem Thema „Skulptur vor Ort 1995/96“ stehen 2024 „Sakrale Bauten, sakrale Kunst – Gotteshäuser, Museen, Pilgerstraßen und Wallfahrtsorte“ im Mittelpunkt des Interesses. Die Veranstaltungsreihe will einen Blick hinter die Türen von Kirchen, Kapellen, Synagogen, Moscheen, Wallfahrtsorten werfen oder die Geschichte von Kultplätzen und Wegkreuzen ihren Besuchern näherbringen. (www.kulturregion-heilbronnerland.de)