Der Deutsche Landkreistag, dessen Präsident Landrat Dr. Achim Brötel ist, sieht im Koalitionsvertrag zur Bildung einer neuen Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD sowohl positive als auch enttäuschende Aspekte. Brötel betont, dass jede Regierung eine faire Chance verdiene und es durchaus sinnvolle Ansätze gebe – insbesondere in der Migrationspolitik sowie im Bereich des Bürgergelds. Insgesamt fehle es dem Vertrag jedoch an belastbaren Aussagen.
Viele drängende Fragen würden nicht beantwortet oder in eine ungewisse Zukunft verschoben, meint der Landrat. Eine echte politische Wende lasse sich auf diese Weise nicht erreichen, folgert er.
Angesichts der bundesweit angespannten kommunalen Finanzlage sei es unverständlich, dass der Koalitionsvertrag kaum substanzielle Lösungsansätze enthalte. Brötel sieht eine Notwendigkeit für sofortige Gespräche über den angekündigten Zukunftspakt zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Es müssten „Verhandlungen darüber umgehend beginnen“, stellt er heraus.
Auch wenn einzelne Vorschläge in die richtige Richtung gingen, werde das zentrale Problem – die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen – nicht gelöst. Brötel bezeichnete die im Vertrag enthaltenen Maßnahmen dazu als „ersichtlich unzureichend“. Ein echter Aufbruch sehe anders aus.
Der Deutsche Landkreistag fordert daher weiterhin deutliche Verbesserungen auf kommunaler Ebene sowie eine umfassende Reform des Sozialstaats. In den Koalitionsverhandlungen habe offenbar „der Mut oder die Kraft gefehlt“, die aus Brötels Sicht notwendigen Reformen klar zu benennen und in konkrete Schritte zu überführen.
Zudem kritisierte Brötel den Umfang und die Struktur des Koalitionsvertrags. Trotz gegenteiliger Ankündigungen sei ein sehr umfangreiches Werk entstanden, das sich durch zahlreiche kleinteilige Einzelmaßnahmen auszeichnet, jedoch keine klaren Prioritäten setze. Statt eines Neuanfangs erkenne man eher eine Rückwärtsgewandtheit, so Brötel: „Es deutet momentan jedenfalls mehr auf eine Lieferkette in die Vergangenheit als auf einen echten Neuanfang hin.“
Eine zentrale Forderung des Landkreistags bleibt die Verdreifachung des kommunalen Anteils an der Umsatzsteuer. Nur so könnten Städte, Landkreise und Gemeinden ihren verfassungsrechtlichen Aufgaben gerecht werden. Derzeit aber wiesen die Kommunalfinanzen ein Rekorddefizit von 24,3 Milliarden Euro aus – viermal so hoch wie noch im Jahr 2023. Brötel warnt dabei mit dramatischen Worten: „Die Hütte brennt lichterloh!“
Positiv hob der Deutsche Landkreistag hervor, dass die kommunale Ebene an vielen Stellen des Vertrags ausdrücklich berücksichtigt werde. Genannt werden unter anderem Beteiligungsfristen bei der Gesetzgebung, Mitwirkung an wichtigen Kommissionen sowie die Einbindung in den Zukunftspakt. Allerdings reiche die bloße Nennung nicht aus – es brauche konkrete Maßnahmen, so der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises.
Im Bereich Migration enthält der Vertrag aus Sicht der Landkreise erkennbare Fortschritte. Der Bund signalisiere eine konsequentere Linie, etwa durch Zurückweisungen an den Grenzen und eine Rückführungsoffensive. Auch die Regelung, dass neu einreisende ukrainische Geflüchtete künftig keine Bürgergeldleistungen mehr erhalten, sondern Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz, entspreche langjährigen Forderungen des Landkreistags.
Was den angekündigten Zukunftspakt betrifft, seien die Formulierungen zu vage, bewertet Brötel. Der von ihm für erforderlich gehaltene Abbau von Aufgaben sowie eine ehrliche Kostenkritik seien darin nicht konkret genug dargestellt. Als Präsident des Deutschen Landkreistags resümiert Brötel seinen Eindruck von dem Koalitionsvertrag, der noch unter dem Vorbehalt der Bestätigung durch die beteiligten Parteien steht: „Unser Problem ist doch, dass schon viel zu lange über alles Mögliche geredet worden ist, aber niemand mehr die Kraft hat zu handeln. Das muss sich jetzt dringend ändern – und zwar nicht irgendwann, sondern sofort!“ (pm/lra/red)