Gemeinde Walzbachtal
75045 Walzbachtal
Dies und das

Leben am Walzbach – Unsere Geschichte (11)

Ende des Zweiten Weltkrieges und Neuanfang Dorfleben in der Kriegszeit Unsere Dörfer kommen nach 1939 glimpflich durch die ersten Kriegsjahre. An Verdunkelung,...

Ende des Zweiten Weltkrieges und Neuanfang

Dorfleben in der Kriegszeit

Unsere Dörfer kommen nach 1939 glimpflich durch die ersten Kriegsjahre. An Verdunkelung, Lebensmittelrationierung und weitere Einschränkungen gewöhnt man sich. Frauen arbeiten verstärkt in Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie, viele der jüngeren sind als „Blitzmädel“ und Krankenschwestern bei der Wehrmacht. In fast jeder Familie sorgt man sich um Angehörige, die als Soldaten zu Lande, auf den Meeren und in der Luft im Einsatz sind. Die Anzeigen mit den Namen der Gefallenen werden im Laufe der Jahre immer zahlreicher, dazu kommen die Nachrichten von Verwundeten und Vermissten.

Ab Herbst 1944 beherrschen feindliche Jagdbomber den Luftraum und fallen mit Bordwaffen und Bomben über Militär und Zivilisten, Züge und Pferdegespanne in der Region her. In der zweiten Märzhälfte 1945 überqueren amerikanische und französische Truppen südlich von Mainz und bei Speyer den Rhein. Die Franzosen erobern Baden von Norden her. Mehr und mehr kommen keine Züge mehr, werden Strom-, Wasser- und Telefonleitungen unterbrochen. Radio und Zeitungen berichten einseitig und unglaubwürdig über Erfolge der deutschen Truppen. Das Abhören von „Feindsendern“ steht unter schwerer Strafe.

Die Arbeit der meisten Vereine kommt zum Erliegen. Teilweise sind die Vereine durch das NS-Regime verboten (z. B. Naturfreunde, Arbeitergesangverein, Musikverein „Harmonie“), der Spielbetrieb der Sportvereine ist spätestens ab 1940 nicht mehr möglich, da die jüngeren Männer zum Kriegsdienst eingezogen werden.

Auch in Jöhlingen und Wössingen werden Kriegsgefangene und Verschleppte aus den besetzten Gebieten als Zwangsarbeiter eingesetzt, z. B. in der Landwirtschaft. Aus den schwer beschädigten Städten Karlsruhe, Pforzheim oder Mannheim werden mehrere hundert Personen zur Unterbringung zugewiesen, was zu einer sehr angespannten Wohnraumsituation führt.

Kampfhandlungen zum Ende des Krieges

Bruchsal, Pforzheim und Karlsruhe mit seinen umfangreichen Industrie-, Militär- und Bahnanlagen sind wiederholt Ziele von Luftangriffen. Dabei kommen auch Einwohner von Jöhlingen und Wössingen ums Leben, die dort beschäftigt oder auf Besuch sind. Bei den wiederholten Luftangriffen müssen die Einwohner unserer Dörfer in Kellern oder selbst gebauten Bunkern (in der Hauptsache an Hohlwegen) Schutz suchen.

Die wichtigsten und folgenreichsten Kampfhandlungen für unsere Dörfer sind:

  • Nacht 24./25. April 1944: Britische Jagdbomber greifen Karlsruhe an. Vermutlich wegen schlechten Wetters treffen sie die Umgebung. Der Himmel über Jöhlingen ist taghell erleuchtet. Eine Luftmine trifft das Gasthaus „Hirsch“ (Einmündung Bahnhofstraße / B 293) – mehrere Häuser werden zerstört, Dächer in der Umgebung werden abgedeckt. Fünf Personen kommen ums Leben.
  • 9. September 1944: Nachmittags greifen Jagdbomber den Personenzug zwischen Wössingen und Dürrenbüchig und Landwirte auf dem Feld an; im Zug sterben mehrere Personen.
  • 28. Dezember 1944: Am Vormittag greifen amerikanische Jagdbomber den Personenzug aus Bretten bei Dürrenbüchig an; zehn Personen kommen ums Leben.
  • 20. März 1945: Am Nachmittag greifen feindliche Jagdbomber Jöhlingen an. In der Langentaler Str. werden Wohnhäuser zerstört, sieben Menschen finden den Tod, darunter drei Kinder.
  • In den letzten Kriegswochen werden in den Dörfern Panzersperren aufgebaut, die sich dann als unwirksam erweisen werden. Zudem wird jeweils ein „Volkssturm“ aufgestellt, der unzulänglich ausgerüstet und ausgebildet ist und nicht wirksam zum Einsatz kommt.
  • 3. April 1945: Jöhlingen wird mit Artillerie beschossen; ein Soldat und zwei Kinder kommen ums Leben.
  • 4. April 1945: Am Nachmittag greifen Tiefflieger Wössingen an; der „Schwanen“ (ältestes Gasthaus in Wössingen) und ein Wohnhaus in der Steiner Straße werden völlig zerstört. Sieben Menschen finden den Tod, darunter drei Kinder.
  • 5. April 1945: Um die Mittagszeit wird Jöhlingen von französischen Truppen besetzt. Bei den Kämpfen kommen 16 deutsche Soldaten ums Leben; teilweise werden sie von eigenen Offizieren erschossen, weil sie den aussichtslosen Kampf nicht weiterführen wollen.
  • Am Abend des 5. April wird Wössingen ohne Kampfhandlungen eingenommen.
  • In den Folgetagen beziehen marokkanische Truppen Quartier in Jöhlingen. Dabei kommt es zu Plünderungen, Zerstörungen und Vergewaltigungen einer großen Zahl von Frauen. Im katholischen Pfarrhaus finden über 100 Frauen mit Kindern für einige Tage Zuflucht und Schutz.
  • Bei einzelnen Schießereien oder durch Hantieren mit herumliegender Munition kommen mehrere Kinder und Erwachsene ums Leben.

„Bilanz“ am Kriegsende

Der Krieg hat sehr schmerzlich in die Dörfer und Familien eingegriffen. Es herrscht unendlich große Trauer um die vielen Toten, Verwundeten und Vermissten. Bei den Kämpfen um die beiden Dörfer sind deutsche Soldaten gefallen, durch Fliegerangriffe und Artilleriebeschuss sind zahlreiche Zivilpersonen ums Leben gekommen.

Über 180 Gefallene und 52 Vermisste aus Jöhlingen, 127 tote und 53 vermisste Soldaten aus Wössingen zeugen von einer schrecklich traurigen Bilanz. Die Gemeinden Jöhlingen und Wössingen lassen Gedenktafeln mit Namen und Bildern der Gefallenen und Vermissten anfertigen. Im Friedhof in Jöhlingen und in Wössingen werden später Ehrenmale errichtet und die Namen auf Metalltafeln zur Erinnerung dargestellt.

Vereine erinnern an Mitglieder, die im Dienst als Soldaten ums Leben gekommen sind und errichten Ehrenmale (z. B. FC Viktoria Jöhlingen, FV 04 Wössingen).

„Stunde Null“ und Neuanfang

Mit dem Einmarsch der französischen Truppen Anfang April 1945 endet die nationalsozialistische Herrschaft in unseren Gemeinden. Die NS-Bürgermeister und örtliche Parteigrößen flüchten oder werden verhaftet. Die Besatzungsmacht versucht, so rasch als möglich eine neue verlässliche Verwaltungsstruktur aufzubauen. Dazu setzen die Franzosen politisch „unverdächtige“ Bürgermeister ein. Durch die Neuordnung der Besatzungszonen übernimmt im Juli 1945 die amerikanische Militärregierung den Landkreis Karlsruhe. Die erste Wahl neuer Gemeinderäte erfolgt am 27. Januar 1946. Eine der Hauptaufgaben besteht in der Linderung der Wohnungsnot. Am 27. März 1946 wählt der Gemeinderat Jöhlingen Emil Roth zum ersten Bürgermeister. Da in Wössingen keine Mehrheitsentscheidung zustande kommt, setzt der Landrat Adolf Schmidt als ersten Bürgermeister ein.

Aufnahme von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen

Ab Spätjahr 1945 müssen die Gemeinden neben den Evakuierten auch eine größere Zahl von „Ostflüchtlingen“ unterbringen. „Wohnungskommissionen“ werden eingesetzt, die alle Häuser nach Unterbringungsmöglichkeiten durchkämmen.

Ab Ende 1945 werden den Gemeinden Heimatvertriebene (in der Hauptsache aus Ungarn, Jugoslawien, Tschechoslowakei und Rumänien) zugewiesen. Im Mai 1947 sind in Jöhlingen 586 Personen und in Wössingen 719 Personen als „Neubürger / Vertriebene“ offiziell untergebracht. Zur Wohnungsnot kommt am 27. Mai 1947 ein verheerendes Unwetter mit Gewitter, wolkenbruchartigem Regen und Hochwasser, das in Jöhlingen und Wössingen furchtbare Schäden anrichtet. Darauf werden etwa 200 Personen hektisch in eine ehemalige Kaserne in Karlsruhe einquartiert.

Die Unterbringung der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge in eigenen Wohnungen stellt in der Folgezeit eines der zentralen Themen der Gemeinden dar.

Heimat- und Kulturverein Walzbachtal, November 2024

Quellen:

Karl-Heinz Glaser in „Ortschronik Walzbachtal“ (2023)

Heimat- und Kulturverein in „2015 – 70 Jahre Kriegsende“ (2015) und „Heimatvertriebene in Walzbachtal“ (2016)

Erscheinung
Amtsblatt Gemeinde Walzbachtal
NUSSBAUM+
Ausgabe 48/2024

Orte

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von Gemeinde Walzbachtal
28.11.2024
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