Auf der Bühne stellen sich die Schüler in einer langen Reihe nebeneinander auf. Alle haben sich freiwillig gemeldet, doch keiner von ihnen weiß, wozu eigentlich. Die meisten bekommen einen Staubwedel in die Hand gedrückt, andere eine Sonnenbrille, eine Handtasche oder eine Rose. Was sie damit sollen? Natürlich tanzen, so wie einst Freddie Mercury im Video zum Queen-Song „I Want To Break Free“ im Jahr 1984. Weil damals keiner der Schüler schon geboren war, zeigen ihnen Katie Risebrow, Max Burns und Charlie Jennings, wie es geht. Am Königsbacher Lise-Meitner-Gymnasium sind die drei Schauspieler begeistert, wie motiviert die Schüler mitmachen. Burns attestiert einigen von ihnen sogar eine natürliche Begabung. Wobei er diese Begriffe selbst nicht benutzt. Denn wie seine beiden Kollegen spricht er kein Deutsch, sondern nur Englisch. Alle drei kommen aus Großbritannien und gehören zur English Theatre Company, die in ganz Europa aktiv ist. Als sie am Dienstag in Königsbach bei vier Auftritten drei verschiedene Stücke auf die Bühne bringen, schauen ihnen insgesamt mehr als 700 Schüler von der fünften bis zur elften Klasse zu. In der Aula herrscht zuerst gespannte Stille, dann großer Redebedarf. Denn nach den Aufführungen dürfen die Schüler den Schauspielern Fragen stellen, natürlich nur auf Englisch.
Wie viele Hände dabei teilweise nach oben gehen, beeindruckt nicht nur Senta Böhrer. Die Lehrerin leitet die Englisch-Fachschaft mit ihrer Kollegin Meike Siebert, mit der sie auch den Besuch der Schauspieler organisiert hat. In erster Linie geht es für sie dabei um das Schaffen eines Praxisbezugs, um das Ermöglichen eines anderen Zugangs als im Unterricht: Die Schüler sollen sehen, wofür sie Englisch lernen, warum Vokabeln wichtig sind und wie die Sprache verwendet werden kann. Dass sie jedes einzelne Wort verstehen, ist dabei aus Sicht der Lehrerinnen nicht entscheidend. Wichtig ist, dass sie der Handlung folgen können. Voriges Jahr hatte man die Truppe in Königsbach schon einmal zu Gast, damals mit durchweg positiven Erfahrungen sowohl bei den Schülern als auch bei den Lehrern. Dass sich die Schauspieler spontan auf ihr Publikum und dessen Englischkenntnisse einstellen können, schätzen Böhrer und Siebert ebenso wie ihre Fähigkeit, die Schüler aktiv in die Stücke einzubeziehen. Für Risebrow, Burns und Jennings macht genau das den Reiz an ihrer Tätigkeit aus. Für sie ist jede Aufführung spannend, weil sie nie wissen, wie das Publikum reagiert.
Alle drei haben schon als Kind mit der Schauspielerei begonnen und inzwischen eine professionelle Ausbildung absolviert, die sie auf vieles vorbereitet hat, aber nicht unbedingt auf pubertierende Teenager. Dass sie deren Aufmerksamkeit trotzdem mühelos gewinnen können, liegt an ihrem frischen, unverkrampften Spiel. Risebrow, Burns und Jennings scheinen immer genau zu wissen, was beim jungen Publikum ankommt und wen man auf die Bühne holen kann. Die Stücke bieten ihnen die dafür notwendigen Freiheiten. Für Burns geht es auch darum, den Schülern über die Schauspielerei zu zeigen, was sie in ihrem Leben alles tun und sein können, wenn sie wollen. Mit seinen beiden Kollegen ist er seit Januar in acht Ländern gewesen, unter anderem in Belgien, Frankreich und Österreich. Auch, wenn sie den Job und die vielen Stunden im Auto „exhausting“, also anstrengend, finden, machen sie ihn gern: schon allein für die Momente, in denen sich auf den Gesichtern der Kinder und Jugendlichen ein Lächeln ausbreitet. – Nico Roller