Nach nur wenigen Tagen war die Veranstaltung ausgebucht: Über 100 Kita-Fachkräfte, teilweise ganze Teams aus dem gesamten Enzkreis zeigten großes Interesse an einem Fachtag im Landratsamt Enzkreis, bei dem sich alles um die Frage drehte, wie sich in Tageseinrichtungen Kinder mit Autismus besser verstehen und begleiten lassen.
„Schon beim letzten Fachtag war die Resonanz sehr erfreulich, dieses Mal regelrecht überwältigend. Offenbar ist der Bedarf an Information und Vernetzung nach wie vor groß“, konstatierte Katja Kreeb, Dezernentin für Familie und Soziales. Der Termin des Fachtags sei bewusst in zeitlicher Nähe zum 2. April gewählt worden - dem Internationalen Autismus-Tag, an dem weltweit unter dem Motto „not invisible – nicht unsichtbar“ auf die Situation und Bedürfnisse von Menschen mit Autismus aufmerksam gemacht wird.
„Kita-Fachkräften kommt bei der Begleitung von Kindern mit Autismus eine bedeutende Rolle zu. Umso erfreulicher ist es, dass wir erneut so viele Fachkräfte erreichen und ihnen gezielt Unterstützung und konkrete Hilfestellungen für den Kita-Alltag bieten konnten“, freuen sich Lena Romeiko und Barbara Ott vom Fachdienst Kindertagesbetreuung im Jugendamt. Neben solchen Fachveranstaltungen und Informationsmaterialien könnten sich Kitas im Enzkreis beispielsweise auch durch den „Mobilen Fachdienst Inklusion“ (MoVeIn) beraten und begleiten lassen. „Auch haben wir im Kreis ein eigenes Netzwerk für Unterstützte Kommunikation“, betonte Romeiko. Dort könnten sich Fachkräfte austauschen und wertvolle Impulse für die eigene Arbeit mitnehmen.
Als Expertinnen konnten Sabine Jurgan, Psychologin am Kinderzentrum Maulbronn, und Katja Jansen vom Heilpädagogischen Zentrum des Caritasverbandes Pforzheim e.V. gewonnen werden. „Kinder mit Autismus wird oft fälschlicherweise unterstellt, sie wollen etwas nicht. Dabei handelt es sich oft um ein Noch-Nicht-Können“, erklärte Jurgan in ihrem Vortrag. „Es ist wichtig, die Bedürfnisse der Kinder zu erkennen und zu unterstützen - anstatt zu erwarten, dass sie von selbst alles können. Um Fortschritte zu machen, brauchen die Kinder gezielte Hilfestellungen und eine Beziehung, in der sie sich auch mit ihren Besonderheiten angenommen fühlen.“
Katja Jansen ergänzte praktische Tipps: „Rückzugsmöglichkeiten wie geräuschreduzierende Kopfhörer oder reizarme Räume können Kindern mit Autismus enorm helfen.“ Auch mit der Visualisierung von Abläufen sowie festen Ritualen gebe man den Kindern Orientierung. „Im Übrigen profitieren davon alle Kinder. Dank spezieller Kopfhörer kann sich jedes Kind mal zurückziehen, wenn es ihm zu laut wird.“
Auch rückten Jansen und Jurgan die Situation der Eltern von Kindern mit Autismus in den Fokus. „Oftmals wird den Eltern vorgeworfen, ihr Kind zu verwöhnen oder nicht genügend zu fordern. Dabei kennen sie die Grenzen ihres Kindes besser als jeder andere“, betonte Jurgan. Es sei wichtig, betroffenen Eltern in ihrem Alltag den nötigen Rückhalt zu geben und ihre Erfahrungen anzuerkennen.
Der Fachtag wurde mit der Vorstellung des Dokumentarfilms „Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann“ abgerundet. In dem Film entführt ein kleiner Junge mit Autismus das Publikum in seine Welt und erklärt, was in ihm vorgeht, warum er anderen nicht in die Augen schaut und manchmal aggressiv wirkt. Und der mit seinen Antworten das Klischee auflöst, Menschen mit Autismus hätten keine Gefühle - und der klarmacht: Nicht sprechen zu können, bedeutet nicht, dass es nichts zu sagen gibt.
„Dieser Film zeigt eindrucksvoll, wie wichtig es ist, autistischen Kindern mit einer Haltung der Wertschätzung und Akzeptanz zu begegnen“, so Anne Marie Rouvière-Petruzzi, Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung im Enzkreis, abschließend. „Unsere Haltung als Gesellschaft muss sein: ‚‚Du bist richtig, du bist wichtig, ich sehe dich‘‘. Denn Sichtbarkeit schaffe Akzeptanz und Normalität und verbessere die Lebensqualität der Kinder und ihrer Familien.