Ettlinger Bündnis gegen Rassismus und Neonazis
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Kommunalpolitik

NS-Opfern Namen und Würde geben (2)

Im November verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig acht neue Stolpersteine in unserer Stadt. Wir setzen die Veröffentlichung der Biografien der...

Im November verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig acht neue Stolpersteine in unserer Stadt.

Wir setzen die Veröffentlichung der Biografien der ermordeten Frauen und Männer fort.

Anna Elisabeth Lumpp, Augustastr. 5

Anna Elisabeth Lumpp wurde am 6. April 1897 in Ettlingenweier geboren. Ihr Vater war der Landwirt Wilhelm Lumpp, ihre Mutter Veronika Lumpp geb. Luther. Die Familie wohnte in dem landwirtschaftlichen Anwesen Haus 49 in Ettlingenweier.

Wie der Mittelbadische Kurier am 23. Mai 1935 unter der Überschrift „Geistesschwache Brandstifterin“ berichtete, wurde die 38-jährige ledige Frau Lumpp vom Karlsruher Schwurgericht von der Anklage der Brandstiftung an der Scheune und des Stalls des mütterlichen Anwesens in Ettlingenweier freigesprochen. Das Gericht ordnete ihre Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt an, da sie „als geistesschwach und gemeingefährlich anzusehen“ wäre. Die Angeklagte gab zu, „das Feuer gelegt zu haben, das Wohngebäude habe sie jedoch nicht in Brand stecken wollen. Die Angeklagte stand mit ihrer Mutter in einem sehr gespannten Verhältnis und behauptet, sie sei von dieser schlecht behandelt und von ihr unterdrückt und ausgenutzt worden. Insbesondere hatte sie einen Hass gegen ihre Mutter, weil diese angeblich das Brot wegschloß. Aus einer Verärgerungsmanie heraus ließ sie im Keller ihrer Mutter Most auslaufen und wollte sie dem Kälblein Mockele den Hals abschneiden. Schließlich legte sie, um ihrem Ärger Luft zu machen, den Brand im Stall. Sie habe etwas anstellen wollen aus Zorn über die angeblich schlechte Behandlung.“

Seit dem 3. Februar 1935 befand sich Frau Lumpp in Untersuchungshaft im Bezirksgefängnis in Karlsruhe. Der Direktor des Gefängnisses stellte den Antrag auf ihre Unfruchtbarmachung. Das Erbgesundheitsgericht ordnete am 28. Juli diese wegen „angeborenem Schwachsinn“ an. Zum Vormund wurde Dionys Lumpp bestellt.

Prof. Dr. Gregor untersuchte Frau Lumpp im Gefängnis II in Karlsruhe und beschrieb sie als „körperlich gesund, aber mit geistiger Anomalie, bzw. Geistesschwäche“. So äußerten sich auch die Mutter und der Bürgermeister: Sie sei „geistig nicht in der Höhe“, was in Ettlingenweier allgemein bekannt wäre.

Die Mutter habe sie schon in frühen Jahren von zu Hause weggegeben und später sogar direkt aus dem Elternhaus verwiesen, daher habe sie auf Schädigung der Mutter gesinnt. Die Straftat entspräche ihrem geistigen Horizont, normaler Strafvollzug sei möglich, die Verlegung in eine Heil- und Pflegeanstalt nicht erforderlich. Als 15-/16-jähriges Mädchen war sie ein Jahr bei der Apothekerfamilie Thummer von der Stadtapotheke in Ettlingen in Stellung. Dort wurde sie als „fleißig, geistvoll auf der Höhe“ beschrieben, „später seien die Leistungen nicht mehr so“ gewesen. 1934 war sie bei einer anderen Familie in Stellung, die mit ihrer Arbeit sehr zufrieden war. Die Frau wollte „ihr Kind aber nicht mit ihr alleine lassen“. Sie hatte den Eindruck, dass sie „geistig nicht normal“ wäre. Die zuständige Kreisfürsorgerin schilderte sie als „fleißig und arbeitsam“, sie sei aber „von ihren Angehörigen ausgenutzt und unterdrückt worden“. Dieses Verhalten habe die Charakterentwicklung des Mädchens ungünstig beeinflusst und sie bösartig gemacht.

Am 28. Juni 1935 sollte sie aus dem Bezirksgefängnis Karlsruhe in die Illenau überführt werden. Irrtümlicherweise wurde sie aber in die Pflegeanstalt nach Rastatt gebracht. Ihre Unfruchtbarmachung wurde ausgesetzt, da sie in Dauerverwahrung kam. Die Direktion der Pflegeanstalt in Rastatt stellte am 6. Oktober 1938 fest, dass „eine Entlassung in den nächsten Jahren noch nicht in Betracht kommt“.

In einem Schreiben an das Erbgesundheitsgericht Karlsruhe teilte das Gesundheitsamt Karlsruhe am 28. Dezember mit, dass Anna Elisabeth Lumpp am 26. Juni 1940 vor Durchführung der Unfruchtbarmachung gestorben sei. Als Sterbeort wurde vom Ratsschreiber in Ettlingenweier Brandenburg an der Havel angegeben.

Weder Datum noch Sterbeort stimmen. Aus Vertuschungsgründen wurde so verfahren. Anna Elisabeth Lumpp wurde von Rastatt über die Zwischenanstalt Zwiefalten am 4. Mai 1940 in die Tötungsanstalt Grafeneck „verlegt“ und dort nach ihrer Ankunft im Gas ermordet.

Der Stolperstein für Elisabeth Lumpp wird vor dem Haus Augustastr. 5 verlegt, weil hier der letzte amtlich festgestellte Wohnsitz von ihr war. Vermutlich war sie hier bei einer Familie in Stellung.

Fortsetzung nächste Woche!

Erscheinung
Amtsblatt Ettlingen
Ausgabe 50/2024

Orte

Ettlingen

Kategorien

Kommunalpolitik
Politik
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