Ettlinger Bündnis gegen Rassismus und Neonazis
76275 Ettlingen
Kommunalpolitik

NS-Opfern Namen und Würde geben (3)

Wir setzen die Veröffentlichung der Biografien der ermordeten Frauen und Männer, denen mit den neuen Stolpersteinen in Ettlingen gedacht wird, fort. ...
Foto: Ettlinger Bündnis gegen Rassismus und Neonazis

Wir setzen die Veröffentlichung der Biografien der ermordeten Frauen und Männer, denen mit den neuen Stolpersteinen in Ettlingen gedacht wird, fort.

Helene Schneider, Morgenstr. 12, Ettlingenweier

Helene Schneider wurde am 8. März 1903 in Ettlingenweier geboren. Sie war katholisch. Ihr Vater war der Landwirt Ignaz Schneider. Die Mutter war Therese Schneider, geb. Kappenberger. Helene wohnte bei ihren Eltern in der damaligen Hauptstraße.

Die Mutter, Theresia Schneider, verstarb 1936 an schwerer Krankheit. Sie konnte schon lange vorher zu Hause keine Arbeiten mehr erledigen und sich um die Tochter kümmern. Der Vater könnte wohl mit der Tochter, die man damals als verrückt bezeichnet habe, wie es ein naher Verwandter schilderte, total überfordert gewesen sein. Vielleicht habe er sie deshalb weggegeben. Sie hätte Prozessionen durch das Dorf veranstaltet, wäre niedergekniet und habe das Vaterunser gebetet. Andere Kinder wären hinter Helene hergerannt, hätten sich über sie lustig gemacht und sie gehänselt, heute würde man sagen „gemobbt“.

1925 wurde Helene in die Heil- und Pflegeanstalt Illenau in Achern eingeliefert. Ab April 1935 war sie Patientin der psychiatrisch-neurologischen Klinik in Heidelberg. Die Ärzte attestierten ihr Schizophrenie. Da man sie als nicht geschäftsfähig einstufte, wurde ihr Vater als Vormund bestimmt.

Am 16. Juli1935 beantragte die Klinik ihre Unfruchtbarmachung „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Der Vater war gegen die Unfruchtbarmachung, da sie sowieso nicht beabsichtige zu heiraten und in ein Heim für Frauen gehen wollte.

Die Unfruchtbarmachung wurde angeordnet. „Der Einzelne muss zu Gunsten seines Volkes das Opfer bringen, das für ihn ohne weitere Gesundheitsschädigung bleiben wird.“

Helene Schneider wurde von der Pflegeanstalt Rastatt über die Zwischenanstalt Zwiefalten nach Grafeneck „verlegt“ und dort am 4. Mai 1940 ermordet.

Josef Grünling, Sackgasse Morgenstraße

Josef Grünling wurde am 13. Juni 1884 in Ettlingenweier geboren. Seine Eltern waren Eduard Grünling und Marta Grünling, geb. Kappenberger. Die Mutter verstarb 1904.

Josef Grünling, der „Hasenpelz“ genannt wurde, war von Beruf Eisendreher und ledig. Eine frühe Wohnung befand sich im Hinterhaus in der Morgenstr. 27. Später wohnte er in einem Anbau an die Scheune seiner Großmutter in der von der Morgenstraße abzweigenden Sackgasse. Dahin hätte ein ein Meter breiter Gang geführt.

Im Ersten Weltkrieg gehörte Josef Grünling dem Reserve-Infanterie-Regiment 111 an. Er war Soldat der 5. Kompanie. Rekrutiert wurde er durch das Bezirkskommando Karlsruhe. In Ripont in Frankreich, in der Gegend von Reims, wurde er am 13. Februar 1918 gefangen genommen und in das Gefangenenlager St. Quentin verbracht. Seine Gefangenennummer war 14.46. Aus dem Durchgangslager für Kriegsgefangene in Meschede (Hochsauerlandkreis) wurde er am 22. Februar 1920 entlassen und erhielt 357,60 Mark ausbezahlt als „Lohnung, Entlassungsgeld und Verpflegungsgeld“. Er wohnte wieder in Ettlingenweier.

Bei Lorenz sei er einer der besten Dreher gewesen. Er habe sehr dem Alkohol zugesprochen. Von Markgräfin Augusta Sibylla hätte er als seiner Geliebten erzählt. Wegen seiner Sprüche und seines Alkoholkonsums sei er bei den Nachbarn nicht sehr beliebt gewesen.

Eines Tages, es muss wohl 1938/1939 gewesen sein, sei ein Auto in die Sackgasse reingefahren. Zwei Männer in Uniform mit schwarzen langen Ledermänteln seien ausgestiegen und hätten Josef Grünling Minuten später herausgebracht, ins Auto gesetzt und seien weggefahren. Er wurde ins Konzentrationslager (KZ) Dachau deportiert. Dort erhielt er die Häftlingsnummer 33907.

Als Haftgrund wurde „AZR“ angegeben, d. h. „Arbeitszwangshäftling Reich“, also jemand, der im Rahmen der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ ins KZ eingeliefert wurde.

Im Zuge der von der Kriminalpolizei im Juni 1938 durchgeführten Aktion „Arbeitsscheu Reich“ gegen als „asozial“ eingestufte Personen wurden mehr als 10.000 Menschen verhaftet und in KZs verschleppt. Sie wurden mit einem schwarzen Winkel als „Asoziale“ gekennzeichnet.

Gemeint waren Personen, die „durch geringfügige, aber sich immer wiederholende Gesetzesübertretungen, sich der in einem nationalsozialistischen Staat selbstverständlichen Ordnung nicht fügen wollen“. Namentlich wurden Landstreicher, Bettler, Prostituierte, Zigeuner, Trunksüchtige sowie mit ansteckenden Krankheiten, insbesondere Geschlechtskrankheiten, behaftete Personen aufgeführt. Die Verhaftungswelle sollte vor allem der Disziplinierung der sogenannten subproletarischen Gruppen dienen.

Von Dachau wurde Josef Grünling am 28. September 1939 ins KZ nach Mauthausen in Österreich verschubt. Hier wurde er ermordet. Er fand den Tod am 20. November 1939 um 15.10 Uhr im Alter von 55 Jahren und 5 Monaten. Als Todesursache trug der SS-Obersturmführer und Lagerarzt Meningitis in den Leichenschauschein ein.

Todesursachen wurden sehr kreativ erfunden, so dass diese Angabe hier absolut nichts aussagt.

Foto: Ettlinger Bündnis gegen Rassismus und Neonazis
Erscheinung
Amtsblatt Ettlingen
Ausgabe 02/2025

Orte

Ettlingen

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Politik
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