Gemeinde Oberstenfeld
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Aus den Rathäusern

Offener Brief von Landrat Dietmar Allgaier an Landtags- und Bundestagsabgeordnete im Landkreis: „Die Krankenhäuser liegen selbst auf der Intensivstation“

Wegen der dramatischen finanziellen Situation der Krankenhäuser in Baden-Württemberg hat sich Landrat Dietmar Allgaier, gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender...

Wegen der dramatischen finanziellen Situation der Krankenhäuser in Baden-Württemberg hat sich Landrat Dietmar Allgaier, gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der Regionalen Kliniken Holding (RKH) Gesundheit, mit einem offenen Brief an die Landtags- und Bundestagsabgeordneten im Landkreis Ludwigsburg gewandt.

Darin benennt er konkrete Forderungen wie eine dauerhafte Erhöhung der Krankenausvergütung durch den Bund und ein Nothilfeprogramm des Landes, um die Leistungsfähigkeit und den Fortbestand der Kliniken im Land sicherzustellen.

Der offene Brief von Landrat Dietmar Allgaier im Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

die finanzielle Lage der Krankenhäuser im Land und im Landkreis Ludwigsburg ist dramatisch. Deshalb wende ich mich heute mit ebenso großer Sorge wie Dringlichkeit an Sie – in der Hoffnung, dass Sie als Landes- und Bundesabgeordnete positiven Einfluss auf die Entwicklung nehmen können.

Bildlich gesprochen liegen die Krankenhäuser selbst auf der Intensivstation. Denn schon seit Jahren stehen sie unter massivem finanziellem Druck. Insgesamt fehlen den baden-württembergischen Kliniken in den Jahren 2023 und 2024 mehr als 1,5 Milliarden Euro. Erste Insolvenzen von Krankenhäusern in freigemeinnütziger Trägerschaft unterstreichen die Brisanz der Lage. Für 2024 rechnen auch Landkreise, die umfangreiche Strukturentscheidungen wie die Schließung von zwei oder drei Klinikstandorten treffen mussten, mit Defiziten im zweistelligen Millionenbereich. Das gilt leider auch für unseren Landkreis.

Die baden-württembergischen Landkreise sind von der Unterfinanzierung der Krankenhäuser stark und unmittelbar betroffen, da sie den stationären Sicherstellungsauftrag haben. Schon jetzt zahlt ein Großteil der kreiskommunalen Klinikbetreiber hohe Stützungsbeiträge an die Krankenhäuser. Für das laufende Jahr gehen die Landkreise von Unterstützungsleistungen von rund 790 Millionen Euro aus. Gleichzeitig sind die Landkreise immer weniger in der Lage, die sprunghaft angestiegenen Krankenhausdefizite aus den Kreishaushalten zu finanzieren. Ohne Ausgleich der Finanzierungslücken und eine auskömmliche Regelfinanzierung durch Bund und Land droht die Übertragung der Klinken an private Betreiber. Dies würde nicht nur der gesetzlich gesicherten Trägerpluralität widersprechen, sondern vor allem auch die Versorgungssicherheit der Bevölkerung gefährden.

Daraus ergeben sich zwingend Forderungen an Bund und Land. Vor einer dringend notwendigen Krankenhausreform müssten mit Hilfe eines sogenannten Vorschaltgesetzes die finanziellen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Reformprozess geschaffen werden. Ferner sollte der Bund eine belastbare Auswirkungsanalyse seiner Reform vorlegen. Die aktuell geplante Umstellung der Betriebskostenfinanzierung inklusive der Vorhaltefinanzierung wird der Situation in Baden-Württemberg nicht gerecht, weil sie den im Land bereits weit fortgeschrittenen Strukturwandel nicht berücksichtigt. Die baden-württembergischen Landkreise fordern deshalb zudem die dauerhafte Erhöhung der Krankenhausvergütung um mindestens vier Prozent, damit die Inflation und die Lohnkostensteigerungen abgemildert werden. Zudem fehlt noch immer eine gesetzliche Regelung, die die überdurchschnittlich hohen Personal- und Sachkosten im Land in der Vereinbarung über den Krankenhausgrundpreis berücksichtigt. Dringend notwendig ist auch die Rücknahme der Kürzungen (Fixkostenregelung), die die Bundesregierung vorgenommen hat, und die verlässliche Finanzierung künftiger Kostensteigerungen: Alle Krankenhäuser, die im Krankenhausplan des Landes aufgenommen sind, haben einen rechtlichen Anspruch auf die Finanzierung ihrer Kosten.

Das Land Baden-Württemberg finanziert im Krankenhausbereich zwar mehr als andere Bundesländer, deckt seit Jahren aber auch nur die Hälfte der notwendigen Investitionsmittel. Auf diese Weise ist mit der Zeit ein großer Investitionsstau entstanden. Vor diesem Hintergrund ist eine deutliche Anhebung der Investitionsförderung dringend notwendig: Die Krankenhaus-Einzelförderung muss um mindestens 250 Millionen Euro erhöht werden.

Auch eine Erhöhung der Pauschalförderung ist dringend geboten: Sie ist in fast 20 Jahren nur einziges Mal, im Jahr 2012, um zehn Millionen Euro auf 160 Millionen Euro angehoben worden. Das reicht bei Weitem nicht aus, um mit der Kostenentwicklung Schritt zu halten. Auch dies führte zu einem erheblichen Investitionsstau und dazu, dass die Träger in Vorleistung getreten sind, um die bedarfsgerechte stationäre Versorgung sicherzustellen. Die kommunale Ebene fordert deshalb schon seit Jahren zu Recht eine Erhöhung der Pauschalförderung um 100 Millionen Euro. Das Land hat die Pflicht zur auskömmlichen Finanzierung der Investitionskosten und diese Pflicht muss das Land auch endlich erfüllen!

Gleichzeitig ist ein Nothilfeprogramm dringend notwendig, um noch dieses Jahr die Krankenhäuser finanziell stabilisieren zu können. Dieses Programm müsste ein Mindestvolumen von 300 Millionen Euro haben.

Wegen seiner unzureichenden Betriebskostenfinanzierung trägt der Bund die Hauptverantwortung für die desaströse Finanzlage der Kliniken. Dennoch kann und darf sich das Land nicht hinter der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Betriebskostenfinanzierung verstecken, da es den Kreisen die Pflicht zur Sicherstellung der Krankenhausversorgung übertragen hat. Wenn also der Bund nicht hilft und allein das Land Ansprechpartner der Kommunen für alle finanzverfassungsrechtlichen Angelegenheiten ist, muss das Land in die Bresche springen und das akut benötigte Nothilfeprogramm auflegen.

Ich bitte Sie, Ihren Einfluss geltend zu machen, um die oben beschriebenen, dringend notwendigen Veränderungen in einem so wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge wie der Krankenhaus-Finanzierung herbeizuführen. Für Ihren Einsatz bedanke ich mich im Voraus sehr herzlich.

Mit freundlichen Grüßen

Dietmar Allgaier

Erscheinung
Mitteilungsblatt der Gemeinde Oberstenfeld
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Ausgabe 27/2024

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von Gemeinde Oberstenfeld
05.07.2024
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