
Die Wurzeln der Stadtkapelle Hockenheim reichen bis 1864 zurück, als die Hockenheimer Blaskapelle entstand. 1873 wurde sie in die neu gegründete Feuerwehr eingegliedert, 1925 zur Stadtkapelle, und der 1924 gegründete Orchesterverein fusionierte 1961 mit ihr. 1995 stellte der Verein die sinfonische Blasmusik – oft mit Originalkompositionen und abweichend von der militärisch geprägten Tradition – in den Mittelpunkt. Die Stadtkapelle pflegt zugleich ihr historisches Erbe und ein breites Repertoire: sinfonische Blasorchesterliteratur, klassische/traditionelle Stücke, moderne Unterhaltungsmusik, Bigband-Arrangements sowie Film- und Musicalmusik. Ebenfalls 1995 fand das erste Jahreskonzert in der Stadthalle Hockenheim statt; seitdem ist es eine feste lokale Veranstaltung, bei der Orchester und Jugendorchester ihre Arbeit präsentieren.
Am 23. November um 17.00 Uhr war es wieder so weit: In der bis auf den letzten Platz ausverkauften Stadthalle stand für die Stadtkapelle das traditionelle Jahreskonzert an. Der musikalische Abend bot den Orchestern die Möglichkeit, ihre Wandlungsfähigkeit und ihr Können zu zeigen und das Publikum mit ihren Stücken mitzureißen. Wie gewohnt war der freischaffende Dirigent Dominik Koch am Pult – er ist nicht nur Musikpädagoge, sondern auch als Juror, Arrangeur und Coach unterwegs. Außerdem leitet Alexander Six schon seit einiger Zeit das Jugendorchester und trug so ebenfalls zur musikalischen Gestaltung des Abends bei.
Im ersten Teil des Konzerts spielte das Jugendorchester „A little Suite of Horror“. Die einzelnen Sätze tragen gruselige Titel wie Freitag, der 13., Mitternachtsszene, Wurdalak, Voodoo und Halloween Party. Obwohl die Suite als eher einfache Blasorchestermusik für ein Jugendorchester gilt, verlangt sie von den Spielern doch eine solide Ausbildung. Man hat sofort gemerkt, dass die jungen Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Alexander Six bestens vorbereitet waren. Das zeigt, dass starker Nachwuchs fürs Hauptorchester heranwächst. Weitere Stücke des Jugendorchesters waren “Canticle of the Saints” von Ed Huckeby und “The Lord of the Dance” von Ronan Hardiman.
Das Hauptorchester eröffnete den Abend mit „Sidus“ von Thomas Doss. In „Sidus“ nimmt Doss uns mit auf eine wundersame Reise hinauf zum Sternenhimmel, jenem Ort, auf den sich so viele Träume und Gedanken der Menschen aller Zeiten gerichtet haben. Die Musik fängt den Kontrast zwischen der Weite des Alls, der Erhabenheit der Schöpfung und dem einzelnen Menschen ein. Aus dieser Perspektive erscheinen alle Sorgen klein, weshalb auch der Schluss dieses besonderen Werkes von Zuversicht geprägt ist.
Als besonderer Höhepunkt des Abends stand die Aufführung von Modest Mussorgskis berühmter Suite "Bilder einer Ausstellung" auf dem Programm. Den ursprünglichen Klavierzyklus hatte Mussorgski bereits 1874 komponiert; die Idee dazu entstand nach dem Besuch einer Gedenkausstellung für seinen Malerfreund Viktor Hartmann, dessen Werke ihn tief beeindruckten. Erst Jahrzehnte später – 1922 – überführte Maurice Ravel die Stücke in eine orchestrale Fassung, die durch ihre Farbenpracht und Klangfülle den internationalen Durchbruch dieses Werks bewirkte. Die einzelnen Sätze des Zyklus sind musikalische Beschreibungen von Hartmanns Gemälden und Zeichnungen: mal schroff und grotesk, mal melancholisch oder heiter. Musik zur Beschreibung von Gemälden zu nutzen, verlangt viel Fantasie und ein feines Gespür für Stimmungen; das Orchester aber setzte diese programmatischen Szenen eindrucksvoll um. Mit druckvoller Dynamik, differenzierter Instrumentation und präziser Artikulation machte es die zehnteilige Programmmusik zu einem packenden Erlebnis, das beim Publikum starke Resonanz fand.
Der Abend endete mit beschwingten Swing-Nummern. Beeindruckend war, auf welche Weise ein sinfonisches Blasorchester die klassischen, weltbekannten Lieder von Frank Sinatra neu interpretierte und lebendig werden ließ. Durch sorgfältig ausgearbeitete Arrangements, klare Bläserharmonien, markante Rhythmusgruppen und gefühlvolle Solopassagen verlieh das Ensemble den vertrauten Melodien einen frischen, eigenständigen Charakter. Das Medley kombinierte Respekt vor dem Original mit kreativen Nuancierungen. Das Zusammenspiel zwischen den Sektionen, die ausdrucksstarke Leitung des Dirigenten und die spürbare Verbindung zum Publikum machten die Interpretationen zu etwas Besonderem. Für viele Zuhörer entstand dadurch nicht nur ein nostalgisches Wiederhören, sondern eine neuartige, unvergessliche Erfahrung, die lange nachklang. (GK)