Ihr Berufsverband bezeichnet sie auch als „Krankheitsversteher“. Sie arbeiten an Diagnosen, Prognosen und Therapien und: an der Zukunft der Medizin. „Wir dringen tief in das Wissen um die Krankheiten ein“, erklärte Professor Dr. Arno Dimmler im vollbesetzten Studiensaal des Gymnasiums Neureut. „Pathologie – Das tägliche Abenteuer Diagnose“, lautete der Titel des jüngsten Vortrags im Rahmen der Reihe „Uni macht Schule“. Was genau macht ein Pathologe? Wie arbeitet er? Warum spielt dieses Fach in der Medizin eine zentrale Rolle, obwohl es in der öffentlichen Wahrnehmung bei weitem nicht so präsent ist wie andere Fachrichtungen? Mit einem ungemein spannenden, anspruchsvollen und kurzweiligen Vortrag gab der Leiter des Instituts für Pathologie an den ViDia-Kliniken Karlsruhe und Professor an der medizinischen Fakultät der Universität Erlangen Nürnberg eine Einführung in das Thema.
Die Hauptaufgabe der Pathologie besteht in der Untersuchung und Beurteilung von meist krankhaftem Gewebe, das von Operationen, Biopsien oder endoskopischen Eingriffen der Chirurgie, der Inneren Medizin, der Gynäkologie und der HNO stammt. Die Untersuchungen in der Pathologie erfolgen mit makro- und mikroskopischen sowie mit morphologischen, histochemischen, immunhistochemischen oder molekularmedizinischen Methoden. „Bilder und Strukturen spielen eine sehr wichtige Rolle“, so Professor Dimmler. Nach einer Betrachtung mit dem bloßen Auge werden die Gewebeproben meist in Paraffin eingebettet, woraus sich sehr feine Schnitte für die weitere Begutachtung gewinnen lassen. Bei besonderer Dringlichkeit werden Gefrierschnitte angefertigt, die innerhalb einer Viertelstunde fertiggestellt sein können. Durch eine sogenannte HE-Färbung der Schnitte lassen sich krankhafte Veränderungen leichter erkennen.
Um die Arbeit seines Instituts zu veranschaulichen, zeigte Professor Dimmler zahlreiche Fotos und Schaubilder, die im Laufe des Vortrags immer tiefer in die Strukturen des menschlichen Körpers und seiner Zellen eindrangen. Das Spektrum der zu untersuchenden geweblichen Veränderungen ist groß: Es reicht von bakteriellen und viralen Entzündungen und Pilzen bis hin zu Parasiten. Der Schwerpunkt aber liegt sicherlich auf der Untersuchung von Tumorgewebe. So veranschaulichte Professor Dimmler beispielsweise anhand der Fotos von Zellstrukturen den Unterschied zwischen einem harmlosen Polypen des Dickdarms – einem tubulären Adenom – und einem bösartigen, fortgeschrittenen Tumor der Darmwand – einem Adenokarzinom. Deutlich sichtbar waren die großen Zellkerne; das Gewebe, so der Pathologe, habe einen großen Umsatz, die Zellen teilten sich sehr schnell. Auf einem weiteren Foto beschrieb der Referent einen undifferenzierten malignen Tumor – eine Metastase eines schwarzen Hautkrebses. „Lange war die Therapie bei solchen Tumoren unklar“, erläuterte er. Mittlerweile lässt sich die Lebenserwartung bei einigen dieser Tumoren durch eine Antikörpertherapie verlängern. Wird ein bestimmtes Antigen auf den Tumorzellen erkannt, können Antikörper das Zellwachstum blockieren. Auch das Foto einer Biopsie eines Lungentumors im Vergleich zu normalem Lungengewebe zeigte der Chefarzt der Pathologie. Das Gewebe ist verdichtet und sehr kleinzellig. „Das ist ein kleinzelliges Lungenkarzinom – sehr aggressiv“, betonte der Mediziner und warnte vor dem Rauchen, durch das kleinzellige Karzinome ausgelöst würden.
Der Referent veranschaulichte faszinierende medizinische Fortschritte. Beispielsweise lässt sich der Schutz, den einige Tumore gegen die Immunantwort des Körpers haben – wodurch sie ungehindert wachsen – mit sogenannten Immun-Checkpoint-Inhibitoren blockieren. Der Krebs ist dann für das Immunsystem sichtbar und kann angegriffen werden. Bei all dem spielt die Pathologie mit ihren Diagnose- und Testverfahren eine große Rolle.
Die modernste Form der Pathologie ist die Molekularpathologie, die der Analyse von genetischen Veränderungen dient und für die Diagnose von bösartigen Tumorerkrankungen sowie Krankheitserregern eingesetzt wird. So beschrieb Professor Dimmler das sogenannte „Next generation sequencing“, das in der modernen genetischen Diagnostik häufig zur Abklärung genetisch bedingter Erkrankungen eingesetzt wird. In diesem Verfahren werden Hunderte von Genen parallel sequenziert, um kleinste Veränderungen sichtbar zu machen. NGS wird eingesetzt, um viele in Frage kommende Gene, die mit einem bestimmten Krankheitsbild zusammenhängen, in einem einzigen Sequenzierlauf lesen und analysieren zu können.
Auch hier liefert die Pathologie mit ihrer Diagnose zentrale Informationen zur Therapie-Planung, die durch die neueren Verfahren immer individueller wird. Und mit einem Blick auf die Rechtsmedizin, mit der seine Fachrichtung zuweilen verwechselt wird, betont Professor Dimmler dann auch: „Die Pathologie hat viel mehr mit dem Leben als mit dem Tod zu tun“. (mh)