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Rückblick zum Männerfrühstück am 12. Dezember 2024: Pfarrer Dr. Johannes Reinmüller über das Verhältnis von Christen und Staat

In täuschend echten Interviews mit fiktiven Wolfschlügern vermittelte der Referent eingangs, wie unterschiedlich die Einstellungen der Menschen heute...
Pfarrer Dr. Johannes Reinmüller
Pfarrer Dr. Johannes ReinmüllerFoto: E. Schmidtblaicher

In täuschend echten Interviews mit fiktiven Wolfschlügern vermittelte der Referent eingangs, wie unterschiedlich die Einstellungen der Menschen heute zur Kirche und Christentum sind.

Herr Reinmüller beschäftigte sich in seinem Referat aber vor allem mit dem Verhältnis der Christen zu Staat und Gesellschaft im Lauf der Geschichte.

An einem Rembrandt-Bild, das den alten Paulus lesend im Gefängnis in Rom darstellt, zeigte Herr Reinmüller, wie wichtig für die Christen (wie auch schon für die Juden) das Lesen ist. Gott erscheint nicht in Gefühlen oder der Natur, sondern im Buch. Und da fürs Lesen eine gewisse Bildung notwendig ist, tritt das Christentum als Bildungsreligion auf. So spielt die Schule in christlich geprägten Regionen im Vergleich zu anderen eine große Rolle, was natürlich Voraussetzung für Wissenschaft und Technik sei, aber auch für Reformation und Aufklärung.

Gleichzeitig erscheint Paulus auf dem Bild als Gefangener des Römischen Staats. D.h. die Christen stellen eine verfolgte Minderheit dar, Außenseiter, die sich weder an Menschenopfern, Zirkusspielen noch am Militärdienst beteiligen. Herr Reinmüller zieht von dieser Oppositionsrolle der frühen Christen eine direkte Linie zu den oppositionellen Christen in der DDR, die durch ihre gewaltfreien Montags-Proteste den Wunsch nach Frieden artikulierten und so zum friedlichen Zusammenbruch der DDR beitrugen.

Das Verhältnis von Christen und römischem Staat änderte sich grundlegend mit Kaiser Konstantin und seinen Nachfolgern, die seit 313 das Christentum tolerierten und es sogar zur alleinigen Staatreligion erklärten. Die Christen wurden anerkannt, Staat und Kirche verschmolzen zu einer Einheit, was der Kirche zu Macht, Größe und staatstragendem Auftreten verhalf. Das führte nach Herrn Reinmüller später zu Entartungserscheinungen wie den Juden- und Hexenverfolgungen oder zum Paktieren der Deutschen Christen mit dem NS-Staat. Schuld daran sei vor allem ihre „Bibelvergessenheit“ gewesen.

Aus all den geschichtlichen Überlegungen zog Herr Reinmüller vier Konsequenzen für eine kritische Haltung der Christen zu Staat und Gesellschaft heute:

1. Mehr Bibel, weniger Zeitgeist, die Bibel als Kompass in Gebet und Gemeinschaft!

2. Das Wissen um die Andersartigkeit. Die Christen seien zwar nicht von dieser Welt, hätten aber einen Auftrag in dieser Welt, vor allem im Einsatz für die Entrechteten, in der Diakonie und im Kampf für den Frieden.

3. Ziel sei Schalom, der allumfassende Friede, der andere Menschen nicht als Fremde, sondern als Geschwister ansieht.

4. Das Wissen um die Begrenztheit. Anstelle von Größe und Macht fordert Herr Reinmüller Buße und Bescheidenheit von den Christen.

Er fordert die Trennung von Kirche und Staat. Der aktuelle Bedeutungsverlust der Kirchen deute darauf hin, dass die Konstantinische Epoche auslaufe. Das würde den Christen gut tun.

Herr Reinmüller verstand es, diese eher grundsätzlichen Überlegungen lebendig, frisch und humorvoll vorzutragen und so auch bei eher skeptischen Zuhörern einen Eindruck zu hinterlassen.

Text: E. Schmidtblaicher

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Ausgabe 03/2025

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