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Rückschlag für das Quittenprojekt

Aus für den Hofladen Ellen Müller und Rainer Stadler genießen ein beachtliches Renommee mit ihrem Quittenprojekt Bergstraße. Ihr Quittenessig hat...
Rainer Stadler und Ellen Müller in ihrem Hofladen in Sulzbach. Zum 31.12. wird der schließen. „Nicht, weil wir wollen“, beteuern beide. Sie sehen keine andere Möglichkeit. Es geht um das Finanzamt.
Rainer Stadler und Ellen Müller in ihrem Hofladen in Sulzbach. Zum 31.12. wird der schließen. „Nicht, weil wir wollen“, beteuern beide. Sie sehen keine andere Möglichkeit. Es geht um das Finanzamt.Foto: cs

Aus für den Hofladen

Ellen Müller und Rainer Stadler genießen ein beachtliches Renommee mit ihrem Quittenprojekt Bergstraße. Ihr Quittenessig hat Preise gewonnen, ist aus den guten Küchen etlicher Köche nicht mehr wegzudenken, und das Projekt selbst ist bereits in Zeitschriften und Fernsehen vorgestellt worden. Nun müssen Müller und Stadler einen herben Rückschlag verkraften: Ihr Hofladen schließt. „Nicht, weil wir wollen. Wir müssen“, sagen beide.

Quitten sind widerspenstige Diven. Vor einer Verarbeitung müssen sie aus ihrem Pelz geschält werden. Saft geben? Da ist jede noch so kleine Traube ergiebiger. Und ihr Fruchtfleisch ist auch nicht mal eben verarbeitet. Wer sein Projekt der Quitte widmet, der macht das nicht aus Profitgier. Der macht es aus Leidenschaft. Das ist bei Ellen Müller und Rainer Stadler nicht anders. „Ehrenamtlich“, nennen sie ihren Einsatz. Ihre Brötchen verdienen sie mit anderen Jobs. Stadler sagt, er arbeitet 60 Stunden pro Woche am Quittenprojekt Bergstraße, 20 Stunden im eigentlichen Erwerb. „Wir haben noch nie einen Euro verdient, noch nie was als Unternehmer 'rausgezogen“, beteuert Stadler, schiebt nach, dass man eigentlich eher Verein als klassisches Unternehmen ist. Und überhaupt, so sagt Müller, laufe das Projekt nur, weil man keine Miete zahlen muss und alles alleine macht ohne bezahlte Helfer. Einsatz versus Ertrag – man muss schon sehr Quitten-verliebt sein, um das Verhältnis zu rechtfertigen.

12 Jahre ist das für Müller und Stadler vollkommen in Ordnung. Auf Stadlers Hof mitten in Sulzbach haben sie sich eine Produktionsküche eingerichtet, lagern Material und Trecker. 2016 eröffnet der Hofladen, der vor allem Müllers Handschrift trägt – liebevolle Präsentation der eigenen Produkte inklusive. 12 Jahre ist alles gut.

Bitteres Ergebnis der Betriebsprüfung

Ende 2023 dann kündigt sich das Finanzamt mit einer Betriebsprüfung an. Alle Unterlagen der Jahre 2018 bis 2021 werden gesichtet. Das Ergebnis ist für die beiden Herzblutunternehmer niederschmetternd. Mit „Schnappatmung“ kommentiert Stadler die erste Reaktion auf den Bericht. Der sagt ganz klar, dass der Hof ins Vertriebsvermögen aufgenommen werden muss. Etwas, das Stadler immer vermeiden wollte. Die Krux: Steigt der Wert in den kommenden Jahren, muss bei Aufgabe des Projekts die Differenz zwischen heutigem und dann gültigem Wert im Betriebsvermögen gezahlt werden. Für Stadler gibt es nur eine Lösung: „Der Hof muss aus diesem Betriebsvermögen raus.“ Die Klarheit darüber, sagt Müller, sei schnell dagewesen. Auch wenn es das Aus des so beliebten Hofladens bedeutet. Äußerlich sind die beiden klar, die innere Verfassung ist eine andere: „Ich bin todtraurig“, sagt Müller. Ihr Hofladen ist Anlaufpunkt nicht nur für die, die ein Geschenk suchen oder selbst die Küche auffüllen. Er ist auch Anlaufpunkt für den Plausch mit der älteren Dame aus dem Nachbarort. „Es belebt auch Sulzbach“, ist Stadler überzeugt.

Das Aus des Hofladens, die Auslagerung der Produktionsküche, das völlige Minimieren aller Arbeiten rund um das Projekt auf dem Hof – das ist das Ziel. Die Quittenprodukte wird es dann vor allem im Onlineshop geben. In der Scheune steht zudem ein Warenautomat bereit. Dafür, sagt Stadler, muss es aber den richtigen Platz geben. „Und es muss steuerlich abgeklärt werden“, sagt Müller. Sie sind fortan gebrannte Kinder.

10.000 Euro Nachzahlung

Steuerliche Beratung haben sie. Die renommierte Kanzlei hat ihre Situation bisher gänzlich anders bewertet, als es nun das Finanzamt macht. „Uns passiert das, was fast allen passiert“, sagt Rainer Stadler. Er sagt aber auch, dass es immer Ermessensspielräume gibt. Auch für ein Finanzamt. „Ich war davon ausgegangen, dass die Betriebsprüfung mit Verstand gemacht wird“, zeigt er sich enttäuscht. Die ist auch bei Ellen Müller zu spüren. „12 Jahre. Irgendwann fragt man sich wofür“, klingt bei ihr Resignation durch. Dass es nicht einfach sein würde, das, so sagen sie, sei ihnen immer klar gewesen. Dass sie jetzt durch hartes behördliches Vorgehen so gebeutelt werden, das stand nicht im Plan. „Wir werden nicht die einzigen sein“, sagt Stadler. „So macht man viele kleine Manufakturen kaputt“, weiß auch Müller, dass sie nicht allein dastehen. Nur: Es nützt nichts. Zu allem Überfluss bedeutet der Bericht auch die Neuberechnung der Steuerjahre ab 2018. Die bedeutet eine Nachzahlung. „10.000 Euro“, nennt Rainer Stadler eine Zahl. Das Geld müssen die beiden jetzt irgendwie aufbringen. Haben sie versucht, gegen den Bericht vorzugehen? Die Kanzlei hat Einspruch eingelegt, sagt Stadler. Das interessiert niemanden, sagt er auch. Wenn es Auswirkungen haben soll, dann müssten er und Müller klagen. Aber dafür ist definitiv kein Geld da. (cs)

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