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Schauspieler und Autor Joe Bausch erzählt aus seinem erfahrungsreichen Leben

Der einzige Lichtblick in der Kindheit war ein roter Traktor Im Rahmen des 50-jährigen Bestehens der Stadtbibliothek war der Autor, Schauspieler und...
Bibliotheksleiter Thomas Michael (r.) konnte für die Jubiläumsfeierlichkeiten den Autor und Schauspieler Joe Bausch nach Wiesloch verpflichten. Dessen Ausführungen waren feinfühlig, ernüchternd, aber auch erheiternd.
Bibliotheksleiter Thomas Michael (r.) konnte für die Jubiläumsfeierlichkeiten den Autor und Schauspieler Joe Bausch nach Wiesloch verpflichten. Dessen Ausführungen waren feinfühlig, ernüchternd, aber auch erheiternd.Foto: chs

Der einzige Lichtblick in der Kindheit war ein roter Traktor

Im Rahmen des 50-jährigen Bestehens der Stadtbibliothek war der Autor, Schauspieler und Theaterwissenschaftler Joe Bausch in Wiesloch zu Gast. Er stellte an diesem Abend sein neuestes Buch „Verrücktes Blut“ vor, in dem er über seine Kindheit und Jugend als Bauernsohn im Westerwald schreibt.

Bibliotheksleiter Thomas Michael begrüßte Joe Bauch im ausverkauften Kulturhaus; viele der Anwesenden kennen ihn in der Figur des Dr. Josef Roth, der als Forensiker seit fast 28 Jahren beim Kölner Tatort mitwirkt. Nebenbei schreibt er Bücher über seinen Alltag als Gefängnisarzt in der JVH Werl, in der er mehr als 30 Jahre tätig war.

„Eigentlich hätte ich das aktuelle Buch als Erstes schreiben müssen. Seit ich den Film "Das weiße Band" gesehen hatte, war mir klar, davon handelt meine Kindheit. Die Szenen erinnerten mich an meinen Vater, der mich mit all seiner Härte und Gewalt, die er selbst erlebte, erzogen hat.“ Doch der Verlag meinte, ich solle zuerst etwas schreiben, was sich gut liest und zum Erfolg wird, und so erschienen zunächst die Bücher „Maxima Culpa“, „Knast“, „Gangsterblues“ und jetzt aktuell „Verrücktes Blut“.

Kindheit

Joe Bausch wurde 1953 im tiefsten Westerwald als Sohn einer Bauersfamilie geboren, nach dem Wunsch des Vaters sollte er den Hof übernehmen. Sein Leben war in die Farben schwarz/grau gehüllt, der einzige Lichtblick war der orange/rote Traktor seines Vaters. „Eigentlich sollte ich nach dem Wunsch der Mutter Gerd oder Wolfgang heißen, da mein Vater ein Verehrer von Goebbels und Göring war, wurde ich auf den Namen Josef Herrmann getauft. Schon bald war mir klar, diesen Namen abzulegen. Erst mit 6 Monaten wurde ein Fotograf aufs Dorf bestellt, um das Foto von uns zu machen, da nicht sicher war, ob das Kind die ersten Monate überlebt. Ich habe die Härte in der Erziehung meiner Eltern erfahren, die sie selbst erhalten haben; Züchtigungen und Schläge blieben nicht aus. Ein Lichtblick in der Familie war meine Tante Res, die unverheiratete und kinderlose Schwester meines Vaters. Sie hielt mich an, viel zu lesen, um gescheit zu werden. Sie verwöhnte mich auch mit ein bisschen Liebe, die mir ansonsten verwehrt blieb.“

Verletzungen

Da Bausch ein aufgewecktes Kind (mit roten Haaren) war, blieb es nicht aus, dass er in Rangeleien verstrickt war und er mit mancher Platzwunde oder anderen kleineren Verletzungen nach Hause kam. „In diesen Momenten tröstete mich Tante Res, spuckte in ihr Taschentuch, drückte es auf die Wunde und sagte, das ist nicht schlimm, jetzt fließt das verrückte Blut ab.“ Neben den körperlichen Demütigungen erfuhr Bausch auch sexuelle Übergriffe durch seinen 2 Jahre älteren Bruder, der als Pflegesohn in der Familie aufgenommen wurde. „Anfangs dachte ich, das sei normal, wenn er sich mir näherte, doch als es zur Regelmäßigkeit, der Schmerz immer größer wurde, wehrte ich mich. Ich konnte mich niemanden anvertrauen und das war das Schlimmste für mich. Diese Zeit hat mich geprägt, auch für mein späteres Leben“.

Besuch des Gymnasiums

Auf Anraten des Hausarztes, der dem Vater erklärte, sein Sohn sei sehr klug, er müsse ihn aufs Gymnasium schicken, war klar, dass er als Hoferbe nicht zur Verfügung stand. Ein Schlüsselerlebnis während der Schulzeit war die vermeintliche Diagnose einer schweren Krankheit. „Als Todgeweihter wurde mir jeder Wunsch erfüllt, die Mädchen meiner Schule wollten mich als Freund, ich erhielt endlich ein bisschen Zuwendung. Mit meinen Freunden fuhren wir im Pkw durch die Gegend und hatten viel Spaß. Doch dieser endete mit dem Besuch bei einem Onkologen in Frankfurt, der die richtige Diagnose ‚Pfeiffersches Drüsenfieber‘ stellte und damit das schöne Leben vorbei war. Als ich nicht mehr sterben durfte, wollte ich auch nicht mehr leben“, so Bausch in seinem überaus lebendigen Vortrag. Auf seiner Abiturfeier, an der sein Vater nicht teilnahm, erschien Bausch im weißen Anzug in Begleitung von zwei Prostituierten aus Frankfurt und war der „Star des Abends“.

Studium

Wenige Monate später leistete er seinen Wehrdienst ab und verspürte erstmals eine unbändige Lust am Leben. „Es war klar, nie mehr so zu sein wie die anderen.“ Nach dem abgeschlossenen Studium der Theaterwissenschaften schloss sich das Medizinstudium an. „Ich hätte mir so gerne die Anerkennung meines Vaters gewünscht, doch dazu kam es nicht mehr. Als er verstarb, konnte ich nicht bei ihm sein, erst Tage später saß ich in der Kühlkammer neben seinem kalten Körper und führte das Gespräch mit meinem Vater, das er mir zeitlebens verwehrte.“

Nach seinem Medizinstudium begann er seine Laufbahn als Arzt in der Justizvollzugsanstalt Werl, wo er über 30 Jahre lang tätig war. Seine Erfahrungen aus dieser Zeit haben sein Leben und seine berufliche Entwicklung maßgeblich geprägt. Neben seiner Arbeit als Arzt fand Joe Bausch seinen Weg in die Schauspielerei und wurde als Dr. Joseph Roth im „Tatort“ bekannt. Seine Darstellung des forensischen Arztes ist nicht nur von seinem medizinischen Fachwissen geprägt, sondern auch von seiner Fähigkeit, komplexe Charaktere zum Leben zu erwecken.

Die Besucher im Kulturhaus hörten gespannt zu, waren fasziniert vom Redefluss des sympathischen Autors. „Auch wenn ich Ihnen heute Abend nichts aus meinen Büchern vorgelesen habe, jede meiner Ausführungen können Sie darin nachlesen“, so Bausch abschließend, ehe er noch lange die mitgebrachten oder gekauften Bücher signierte. Im ersten Teil des Abends widmete er sich den verschiedenen Charakteren der Inhaftierten, die er im Laufe des Lebens kennenlernte. „Schon bei den Zugangsuntersuchungen konnte ich das Schicksal erkennen, warum diese Menschen hier gelandet sind. Und auch die Tatsache der Inhaftierung hat die Menschen in den meisten Fällen nicht geändert“. (chs)

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