„So, bitte alle Handys anschalten!“- Verkehrte Welt an der Schule am Kraichbach? Üblicherweise verlangen die Lehrkräfte genau das Gegenteil. Nicht so in der Medienkompetenzwoche, in der sich alles um das Smartphone dreht.
Statt Mathe und Deutsch wählen die Klassen der Hauptstufe eigene Themen rund um das Handy und besprechen diese während des Unterrichts. „Das Smartphone nimmt einen immer größeren Raum im Leben unserer Schüler ein. Ziel ist es, dass die Jugendlichen sich ihrer Smartphonenutzung bewusstwerden und ihre Kompetenzen zu einem sicheren und sinnvollen Gebrauch erweitern“, erklärt Schulleiterin Constanze Frisch die Durchführung der Medienwoche. „Zudem möchten wir unsere bisherigen Handyregeln an der Schule unter die Lupe nehmen und anpassen. Jede Klasse sammelt dazu Vorschläge.“
In einer Umfrage erfassen die Schüler das tägliche Nutzungsverhalten. Das Ergebnis bestätigt die Erwartungen. Ein Drittel der Schüler ist länger als fünf Stunden täglich am Smartphone. Nur wenige Eltern kontrollieren regelmäßig die Inhalte oder Apps auf dem Handy oder richten ihren Kindern eine Bildschirmzeit ein. Das Smartphone hält viele junge Menschen vom Nachtschlaf ab. Zahlreiche Jugendliche erlebten bereits Mobbing über das Internet.
Die Herausforderungen für die Familien wachsen deutlich.
Altersgerecht thematisieren die Lehrkräfte folglich den Umgang mit diesen zunehmenden Herausforderungen. Die Schüler lernen Warnzeichen im Chat zur Erkennung möglicher Cybergroomer (Erwachsene, die gezielt Minderjährige über das Internet manipulieren und sexuell belästigen oder missbrauchen) kennen, bewerten Gefahren von TikTok-Challenges und Prank-Videos (Streiche, die über Videoportale Millionen von Jugendlichen erreichen), stellen Regeln für den Klassenchat auf, reden über den Einfluss von Influencern und sammeln Unterstützungsmöglichkeiten bei Cybermobbing. In einem Tagebuch dokumentieren sie ihre tägliche Bildschirmzeit und werten diese aus. Sie suchen gemeinsam mit ihren Lehrkräften Strategien und Maßnahmen zum digitalen Wohlbefinden.
Zudem besuchen die Klassen täglich einen anderen Workshop. Schulsozialarbeiterin Anna Schlitt prüft mit den Jugendlichen gemeinsam die Sicherheitseinstellungen auf ihren Smartphones. Es zeigt sich, dass viele Smartphones mangelhaft gesichert waren. Zahlreiche Schüler haben beispielsweise keinen Sperrbildschirm auf dem Handy.
Die Studenten Alexandra Grüßmann und Julian Kraft zeigen den Schülern Bilder von Personen, die sich in sozialen Netzwerken durch Filterfunktionen anders darstellen, als sie sind. Die Schüler erkennen gezielt, welche Bilder unecht („fake“) sind und welche nicht. „Eigentlich ist das Mädchen auf dem natürlichen Bild mit den Sommersprossen viel schöner als auf dem bearbeiteten Bild für Instagram“, empfindet Alexander aus Klasse sieben. Die Klasse stimmt ihm zu.
Tobias Hoffmann, Sachbearbeiter Vorbeugung des Polizeireviers Hockenheims, unterweist die Jugendlichen über Rechte und Gefahren bei WhatsApp. Die Schüler und Eltern müssen sich bewusst sein, dass sie sämtliche Rechte an Fotos und Videos an die Mutterfirma Meta abgeben. Der Polizist zeigt den Schülern, wie sie ihre WhatsApp-Einstellungen sicherer machen können. Er empfiehlt beispielsweise, die Einstellung so zu ändern, dass Fotos und Videos nicht automatisch in die Galerie herunterladen werden, gerade wenn es sich um anstößige oder strafbare Inhalte handeln könnte.
An einem Infonachmittag gibt Hoffmann interessierten Eltern und Erziehungsberechtigten Tipps, wie sie ihre Kinder bei einem sicheren Smartphoneumgang unterstützen und vor Gefahren schützen können. „Begleiten Sie Ihre Kinder am besten bei jeder neuen App“, rät der Polizist.
Die Smartphonewoche zeigt allen Beteiligten, dass weiterhin Handlungsbedarf besteht und dass die Medienbildung einen berechtigten Stellenwert im Bildungsplan einnimmt.
Das Feedback der Schüler am Ende der Woche bestätigt diese Beobachtung. Viele Denkprozesse wurden gerade erst angestoßen. Die Auseinandersetzung mit ihrem Smartphone und ein angemessener Umgang damit wird die Schüler somit während ihrer Schulzeit weiter begleiten. Beispielsweise werden die in der Woche erarbeiteten Regeln zur Handynutzung an der Schule in den verschiedenen Foren weiter diskutiert werden und schließlich in die Schulordnung der Schule am Kraichbach eingehen. (ms)