Aus den Rathäusern

Stadtrundgang für Menschenwürde in Östringen

Ein Zeichen gegen Rassismus und für Menschenwürde setzten die Teilnehmenden des diesjährigen Östringer Stadtrundgangs Ende März. Der Rundgang fand...

Ein Zeichen gegen Rassismus und für Menschenwürde setzten die Teilnehmenden des diesjährigen Östringer Stadtrundgangs Ende März. Der Rundgang fand im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus statt. An fünf geschichtsträchtigen Orten der Kernstadt verweilten die Teilnehmenden, um sich gemeinsam an prägende Momente der Stadtgeschichte zu erinnern.

Bürgermeisterstellvertreterin Heidi Wagenblass betonte in ihren einleitenden Worten die fundamentale Bedeutung der Achtung der Menschenwürde für unseren demokratischen Rechtsstaat. In den Fokus ihrer Ansprache setzte sie die bis heute fehlende und aktuell sogar abnehmende Parität von Frauen und Männern in Führungspositionen und politischen Gremien. Als frühes Beispiel weiblicher führender Köpfe in Östringen wies sie auf Lioba Grillenberger hin, die erste Schulleiterin des Leibniz-Gymnasiums, das mit Ulrike Sauer-Ege auch aktuell wieder eine Frau an der Spitze hat.

An der Gedenktafel der ehemaligen Synagoge in der Saarlandstraße erinnerte die Integrationsbeauftragte Daniela Blech-Straub daran, dass Juden und Jüdinnen einmal fünf Prozent der Östringer Bevölkerung ausmachten und mit zahlreichen Geschäften, darunter ein Eisenwarenladen, ein Schuhgeschäft und eine Bäckerei, das Dorfgeschehen bereicherten. Heidi Wagenblass brachte die jüdischen „Berches“ ins Gespräch. Die in der gesamten Bevölkerung begehrten Zopfbrote seien noch bis in die jüngste Zeit von anderen Bäckereien nach jüdischem Rezept angeboten worden.

Der Stadtrundgang führte weiter zum Waggon-Gedenkstein vor der Gustav-Wolf-Kunstgalerie. Das Mahnmal war 2015 in einem Geschichtsleistungskurs des Leibniz-Gymnasiums entworfen und realisiert worden. Seine Bedeutung erläuterte Nils Jochum, einer der damaligen Schüler: „Der Waggon steht für die von den Nationalsozialisten ins französische Konzentrationslager Gurs deportierten und dann in Auschwitz ermordeten Östringer Juden Amalie und Ludwig Wolf.“ Auch seine damalige Lehrerin Susanne Christ war anwesend. Beide erzählten von dem bewegenden Schulprojekt mit der intensiven Recherche zum Leben der Ermordeten und zu den NS-Gräueltaten, die auch hier in Östringen geschahen. „Daran mitzuwirken, dass es so weit nicht mehr kommt, sondern dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde im Alltag Bestand haben, geht jeden von uns an“, formulierte Nils Jochum als Botschaft an die Gruppe. Der Geschichtsstudent befasst sich derzeit in seiner Doktorarbeit mit dem Nationalsozialsozialismus.

Auch ein Besuch der Darul Erkam Moschee in der Hauptstraße war Teil des Stadtrundgangs. Dort empfingen Mitglieder des Muslimischen Kulturvereins Östringen die Gäste herzlich. Imam Haşim Gümüş beantwortete offen Fragen zur Bedeutung einzelner Elemente der Moschee, zu muslimischen Gebetsritualen und zum bevorstehenden Zuckerfest, das dieses Jahr zeitlich mit dem Östringer Frühlingsfest zusammenfiel.

Ältere kennen das geschichtsträchtige Gebäude noch als Café Wagner. Noch früher hatte sich dort das Schuhgeschäft der Jüdin Karoline Strauß befunden, davor eine jüdische Bäckerei.

An die Aufnahme vietnamesischer Flüchtlinge erinnerten Heidi Wagenblass und Susanne Hirsch vor dem Pfarrhaus der katholischen Kirchengemeinde. Auf Initiative des ehemaligen Pfarrers Kurt Faulhaber hatte die Östringer Katholische Kirchengemeinde 1979 insgesamt 20 Flüchtlinge aus Vietnam in ihrem neu erbauten Pfarrhaus aufgenommen. Zusammen mit anderen aus ihrer Schulklasse und ihrem engagierten Lehrer Hermann Dischinger half Susanne Hirsch den Flüchtlingen beim Ankommen im Alltag. Beim Stadtrundgang teilte sie mit den Anwesenden emotionale Rückblicke aus ihrem kürzlichen Treffen mit dem Pfarrer a.D. und damals Aufgenommenen: Bis heute seien die Flüchtlinge von damals erfüllt von tiefer Dankbarkeit für das zweite Leben, das ihnen nach der gefährlichen Flucht aus aussichtsloser Lage hier in Östringen geschenkt worden sei.

Einmal mehr zeigte der Stadtrundgang, wie wichtig Begegnung und eine lebendige Erinnerungskultur für die Achtung der Menschenwürde und die Sicherung unserer demokratischen Rechtsstaatlichkeit sind. Ein herzliches Dankeschön allen Beteiligten für ihre Wortbeiträge, Fragen und ihr Dabeisein!

dbs

Erscheinung
Östringer Stadtnachrichten
NUSSBAUM+
Ausgabe 16/2025

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Östringen

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Aus den Rathäusern
von Stadt Östringen
17.04.2025
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