
Was ehemals der Selbstversorgung diente, ist seit vielen Jahren zum Hobby mit Leidenschaft geworden: die Kleintierzucht. Doch liegen dieser in den letzten Jahren massive Steine im Weg.
Die extrem gestiegenen Kosten von Futter, Einstreu und Tierarzt zwangen schon viele Züchter in die Knie, so dass sie ihr Hobby schlicht nicht mehr bezahlen können. Das gilt auch für die Hockenheimer Kleintierzüchter. Waren einst in den ersten 30 Jahren nach der Gründungszeit 1906 über 30 Züchter aktiv, finden sich heute bei den Hockenheimer Kleintierzüchtern nur noch drei Kaninchenzüchter und sieben Geflügelzüchter, so aus der Pressemitteilung der Kleintierzüchter. Auch die umliegenden Vereine, die wie Hockenheim zum Kreisverband Schwetzingen gehören, klagen über Nachwuchsmangel. Das Durchschnittsalter liegt nun im Rentenalter. Die tägliche Versorgungspflicht der Tiere, die Kosten, die Verantwortung. All das und vieles mehr möchte sich heutzutage kaum einer mehr aufhalsen.
Doch was heißt das für die Zucht, für die Arterhaltung, für das Hobby? „Viele Rassen stehen jetzt schon auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten“, berichtet der 1. Vorsitzende Thorsten Kneis. Der Verein hat sich z.B. der Hühnerrasse Ramelsloher weiß angenommen, um eines der Kulturgüter zu erhalten. „Doch es ist sehr schwer“ erklärt er weiter. „Der Genpol wird immer enger, da es immer weniger Züchter der Rasse gibt und es daher schwer bis unmöglich wird, Fremdblut zu bekommen.“ Auch die von Zuchtfreund Alexander Brehm gezüchteten Dominikaner fallen in diese Kategorie.
Bei den Kaninchen sieht es nicht anders aus. Die Zuchtgemeinschaft Kerstin und Gabi Sorge kämpfen bei den Meissner Widdern für die Arterhaltung. „Zum Glück haben wir die Interessengemeinschaft der Meissner Widder“, so Kerstin Sorge, 2. Vorsitzende des Vereins. „Ein Zusammenschluss vieler Meissner-Züchter in Deutschland, die sich gegenseitig helfen. Das gibt es aber leider nicht in jeder Rasse, was das ganze noch um einiges erschwert“. Doch wie kann man eine Rasse denn erhalten? Einfach vermehren ist nicht das Ziel. Es gibt einen Rassestandard, wie die Tiere aussehen sollen für jede Tierart, für jede Rasse. Für die Überprüfung, wie gut die Tiere diesem entsprechen, gibt es Ausstellungen.
Lokalschauen in den Vereinen, Kreisschauen in den Kreisverbänden, dem Zusammenschluss mehrerer umliegender Vereine, sowie Landes-, Bundes- und Sonderschauen. Möglichkeiten zu wissen, „wie gut“ die eigenen Tiere sind, gibt es viele. Doch auch hier liegen wieder Felsbrocken im Weg. Durch extrem hohe Kosten für Futter und Einstreu, für Hallenmiete, Strom und Wasser etc. steigen auch die Kosten für die Aussteller ins bald Unbezahlbare. Nicht zuletzt ist das größte Problem der Geflügelzüchter seit Jahren die Vogelgrippe. Durch Einstallpflicht können keine Ausstellungen stattfinden. Die fast immer den Freilauf gewöhnten Hühner dürfen plötzlich nicht mehr raus. Wer sich an die Ausgangssperre zur Coronazeit erinnern kann, kann sich vorstellen, wie die Tiere sich fühlen. „Bisher sind wir noch verschont geblieben“, so Thorsten Kneis. „Und ich hoffe, das bleibt den Tieren zuliebe auch so.“
Genug Sorgen hat der Vorstand des Vereins aber auch abseits der Tiere. „Leider macht auch die Stadt Hockenheim dem Verein schwer zu schaffen, da jahrelang von deren Seite versäumte Forderungen nun alle auf einmal nachgefordert werden“, heißt es in der Pressemitteilung. Ohne Rücksicht auf die dank der Coronapandemie fehlenden Einnahmen pocht die Stadt auf ihre Forderungen, was den Kleintierzüchterverein kurz vor den Ruin und somit in Richtung Auflösung treibt.
„Bei gerade mal sieben aktiven Züchtern und um die 60 Mitglieder sind wir nur noch ein kleiner Verein“, so die Kassiererin Gabi Sorge. Einige Stallungen stehen leer, die Kosten aber steigen, das Geld reicht hinten und vorne nicht. Leider musste auch unsere Gaststätte schließen und einen neuen Pächter zu finden grenzt heutzutage ans fast Unmögliche. „Durch die vielen altersbedingten Renovierungen“, ergänzt sie Kerstin Sorge, „schrumpft der Kontostand zusehends. Auch gehen viele Mitglieder langsam auf dem Zahnfleisch, da wir die noch anstehenden Arbeiten kaum noch selbst bewerkstelligen können. Hilfe von außen können wir uns kaum leisten und ehrenamtliche Helfer zu finden grenzt auch schon fast an ein Wunder.“ „Noch geben wir nicht auf“ erklärt der Schriftführer Fred Schmitt, „denn die Hoffnung stirbt zuletzt." (red/ks)


