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Szenische Lesung „Traum im Polarnebel“

Erinnerungen an ein vergessenes Volk Nach einem reichhaltigen Frühstück stellten dieser Tage Ursula und Anton Ottmann im Dorfgemeinschaftshaus Hohenhardter...
Ursula und Anton Ottmann lasen Auszüge aus dem Buch „Traum im Polarnebel“ von Juri Rytcheu. Das Buch handelt von dem fast vergessenen Volk der Tschuktschen.
Ursula und Anton Ottmann lasen Auszüge aus dem Buch „Traum im Polarnebel“ von Juri Rytcheu. Das Buch handelt von dem fast vergessenen Volk der Tschuktschen.Foto: aot

Erinnerungen an ein vergessenes Volk

Nach einem reichhaltigen Frühstück stellten dieser Tage Ursula und Anton Ottmann im Dorfgemeinschaftshaus Hohenhardter 7 in Schatthausen den Roman „Traum im Polarnebel“ von Juri Rytcheu in einer szenischen Lesung vor.

Er spielt auf einer Halbinsel im äußersten Norden Sibiriens und erzählt von den etwa 15.000 Tschuktschen, einem indigenen Volk, das sich seinerzeit ausschließlich von der Jagd und dem Fischfang ernährte. Zur Handlung: Am 4. September 1910 strandete in Enmyn ein amerikanisches Schiff. Beim Versuch, eine Eisbarriere freizusprengen, wurde John, ein Besatzungsmitglied, schwer verletzt. Der Kapitän überredet die Einheimischen, ihn mit dem Hundeschlitten in ein weit entferntes Krankenhaus zu bringen. Er verspricht ihnen dafür drei Winchester Büchsen und bürgt mit seinem Kopf, dass er auf ihre Rückkehr warten werde. Bei der Rast in einer Nomadensiedlung bekommt John Fieber, Wundbrand hat eingesetzt. So wird die Schamanin Kelena gerufen, die dem Verletzten fast alle Finger amputiert und ihm damit das Leben rettet.

Dann erreicht die Gruppe die Nachricht, dass die Küste nach einem Wetterwechsel eisfrei ist und sie kehren um. Doch John muss entsetzt feststellen, dass das Schiff ohne ihn abgefahren ist. Er wird in der Siedlung aufgenommen und kommt bei der Familie von Toko unter, sie werden Freunde. Orwo, der anerkannte Obmann der Bewohner, fertigt ihm spezielle Aufsätze für seine fast fingerlosen Hände, und er lernt, sich im Alltag zurechtzufinden. Bei der Jagd auf ein Walross löst sich versehentlich ein Schuss aus seinem Gewehr und tötet seinen Freund. Wie selbstverständlich übernimmt er die Verantwortung für dessen Frau Pylmau und Jako, den Sohn. Mit der Zeit wird John von den Tschuktschen als einer der ihren akzeptiert und gründet mit Pylmau eine Familie.

Komplexe Historie

John tut alles, um die Lebensverhältnisse des Volkes zu verbessern und organisiert den Kauf eines Motorbootes. Als Gold gefunden wird, versucht er die Einheimischen vor skrupellosen Ausbeutern zu schützen. Da ist vor allem Mr. Carpenter, der sich auf Kosten der Tschuktschen bereichern möchte. So verkauft er ihnen Dinge, die sie nicht brauchen oder mit denen sie nicht umgehen können, wie zum Beispiel den Alkohol. Außerdem möchte er das Vorrecht auf das Gold haben, das dort von Amerikanern gefunden wurde. Eine Geschäftspartnerschaft lehnt John ab. Daraufhin informiert der Händler Johns Mutter in Amerika über dessen Aufenthaltsort. Diese kommt eines Tages tatsächlich nach Enmyn und fleht John an, nach Hause zu kommen. Dabei hat sie nur Verachtung für die Einheimischen und das in ihren Augen erbarmungswürdige Leben ihres Sohnes übrig. Obwohl ihm seine Freunde und auch seine Frau zureden, mit der Mutter zu gehen, die sie nicht leiden sehen können, bleibt John bei seiner Frau und den Kindern.
Ursula und Anton Ottmann haben in ihrer Lesung die Handlung des Buches so komprimiert, dass sich die Zuhörerinnen und Zuhörer hautnah ein Bild von den Lebensumständen des kleinen Volkes machen konnten, von ihrem zwar entbehrungsreichen, aber doch zutiefst menschlichen Zusammenleben – ohne Hierarchien und mit großer Achtung für die Umwelt und die Tiere, die sie zum Überleben brauchen. Der Autor, selbst auf der Tschuktschen-Halbinsel geboren, hat in seinen zahlreichen Büchern die Geschichte seines Volkes beschrieben, einem Volk, das heute nahezu vergessen ist und dem es im modernen Russland heute weitaus schlechter geht als in seinen Romanen. (aot)

[Bitte in einen KASTEN setzen] Info: „Traum im Polarnebel“ von Juri Rytcheu, Unionsverlag Zürich, 369 S. TB 1993, ISBN 3-293-20034-6

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