Kraichtal-Münzesheim ...von Hans-Joachim Of
Am Ende ging alles ganz schnell. Am 6. März stand sein 19. Geburtstag an, wenige Tage zuvor hatte Fußball-Bundesligist TSG Hoffenheim den Vertrag mit dem „talentierten Abwehrspieler“ Tim Drexler um zwei Jahre verlängert und bis 2027 mit einem Lizenzspielervertrag ausgestattet. Zuletzt stand der U19-Nationalspieler aus Münzesheim bereits im TSG-Spielerkader und feierte mit dem Team einen 3:2-Auswärtssieg bei Borussia Dortmund. Bei der folgenden Begegnung in Frankfurt wurde er in der zweiten Halbzeit für Nationalspieler Anton Stach eingewechselt, und beim baden-württembergischen Derby zwischen der TSG Hoffenheim und dem VfB Stuttgart feierte Tim Drexler sein Startelf-Debüt. Obwohl er gegen gestandene Bundesligaprofis und Torjäger wie Deniz Undav oder Serhou Guirassy antreten musste, löste der junge Kicker mit der Trikotnummer 35 seine Aufgabe gut. Das Sportmagazin „Kicker“ sprach im Nachgang vom „einzigen Hoffenheimer Lichtblick bei einer überfordernden TSG Hoffenheim“. Tatsache ist, dass dieses ungleiche Match, das bekanntlich mit 0:3 endete, kein Spiel war, um langsam in die Bundesliga reinzuschnuppern. Drexler hatte im Verein mit Pavel Kaderabek, Kevin Akpoguma oder Florian Grillitsch auf dem Rasen Schwerstarbeit zu verrichten. Schlussmann Oliver Baumann verhinderte Schlimmeres.
TSG-Coach Pellegrino Matarazzo lobte am Ende das Eigengewächs und sagte auf der Pressekonferenz: „Ich finde, dass Tim gegen den VfB Stuttgart mit diesem Druck gut umging. Klar, war nicht alles perfekt, aber wir haben viel, womit der Junge arbeiten kann.“ Und Keeper Oliver Baumann: „Der wird uns künftig noch helfen. Ich sehe großes Potenzial, denn er war sehr mutig.“
Am Ende hatte seine Unbekümmertheit und die guten Trainingsleistungen für das Startelf-Ticket gesorgt, und man braucht sicher kein Hellseher zu sein, um zu prognostizieren, dass weitere Einsätze folgen werden. Pirmin Schwegler, Leiter Profi-Fußball bei den Kraichgauern: „Tim ist ein großes Abwehrtalent mit unglaublich viel Entwicklungspotenzial. Er hat zuletzt immer wieder mit starken Leistungen in der Regionalliga-Mannschaft auf sich aufmerksam gemacht, obwohl er als Jahrgang 2005 noch für die U19 auflaufen könnte. Tim überzeugt nicht nur mit seiner abgeklärten Spielweise, sondern auch mit seiner beeindruckenden Geschwindigkeit.“ Man wolle, so hieß es, den Spieler schrittweise und mit entsprechender Sorgfalt an den Profikader heranführen und ihn neben Spielpraxis bei der U23 regelmäßig bei den Profis mittrainieren lassen – mit dem klaren Ziel, in voll in den Bundesliga-Kader zu integrieren.
Vor Tim Drexler hatte auch U17-Weltmeister Max Moerstedt seinen Vertrag verlängert. Wie alles begann? Bereits im Alter von drei Jahren lernte Tim Drexler beim Heimatverein FzG Münzesheim das Fußball-Einmaleins und wechselte 2016 zur TSG Hoffenheim in die dortige Akademie. Schnell wurde man auf das heute 1,86 Meter große, ehrgeizige Talent aufmerksam. Wie jeder junge Fußballer, der bei einem ambitionierten Verein am Ball ist, hatte auch der junge Innenverteidiger von einer Karriere in der Bundesliga geträumt. Tims Vorbild, Niklas Süle, hatte vorgemacht, wohin der Weg führen kann, wenn man an sich arbeitet. Im Oktober 2020 feierte Tim Drexler sein Länderspieldebüt in der deutschen U16-Mannschaft beim Spiel gegen Dänemark in Duisburg. Beim furiosen 6:2-Sieg der Hoffenheimer U19 gegen den 1. FC Kaiserslautern in der A-Junioren-Bundesliga kam Tim später zu seinem ersten Einsatz in der U19. Schon sein früherer Trainer Denny Galm hielt, wie auch Marcel Rapp (heute Coach bei Holstein Kiel), große Stücke auf den Kraichtaler Fußballer.
Für Freizeit und Ausgehen mit seinen alten Kumpels aus Münzesheimer Tagen bleibt für den Hip-Hop-Fan Tim Drexler keine Zeit mehr. Nach der Grundschule in Münzesheim (2011 bis 2015) hatte er die Mittlere Reife an der Gemeinschaftsschule Kraichtal (2015 bis 2021) abgelegt. „Natürlich hatte ich darauf gehofft, doch nicht gedacht, dass alles so schnell geht“, sagt der Fußballer, der als kurz- und mittelfristiges Ziel „erfolgreich sein und möglichst viel spielen“ angibt. Auch bei der FzG Münzesheim freut man sich über den nächsten Karriereschritt seines früheren Jugendfußballers. Der langjährige Vorsitzende Jens Becker: „Wir haben natürlich den Weg von Tim verfolgt und sind mächtig stolz auf ihn. Dass er jetzt den Schritt in den Profikader geschafft hat, ist super.“ Hier würde eine sehr gute Mischung aus Talent, Disziplin und Ehrgeiz zusammenkommen. „Wir wünschen Tim alles Gute und viel Erfolg. Vielleicht sehen wir ihn eines Tages sogar in der A-Nationalmannschaft?“ Auch Kraichtals Bürgermeister Tobias Borho freut sich und teilt mit: „Wir beglückwünschen den jungen Fußballprofi Tim Drexler und hoffen mit ihm auf eine große und verletzungsfreie Karriere.“ Übrigens: Auch Tims 22-jährige Schwester Lisa hat eine Hoffenheimer Vergangenheit, war in der 2. Bundesliga für die TSG am Ball und spielt aktuell beim KSC im Frauenteam. Dass auch die Eltern Silke und Michael Drexler im positiven Sinne „fußballverrückt“ sind, steht außer Frage. Die Anfeuerung im Stadion ebenso. „Wenn man in unmittelbarer Umgebung die Chance hat, seinen Fußballtraum zu verwirklichen, sollte man ihn auch nutzen“, sind sich die Geschwister einig. Und die Eltern? „Wir unterstützen unsere Kids natürlich in allem, was sie tun und begleiten sie bestmöglich auf ihrem Weg.“