Fortsetzung - Arbeiten im Winter
Nach dem Austrieb wachsen die Reben sehr rasch und es muss Ordnung gemacht werden. Am Anfang des Bogens ließ man ein bis zwei Ruten mit Trauben wachsen. Die anderen wurden ein bis zwei Blätter über den sichtbaren Trauben abgebrochen, kleine unscheinbare Triebe ohne Trauben ganz entfernt. Es durfte kein Blätterwald entstehen. Am Rebenkopf ließ man drei Ruten, die auf zweijährigem Holz standen, hochwachsen. Sie gaben die Ertragsbögen fürs nächste Jahr. Weitere Triebe wurden eingekürzt und vorgesehen fürs übernächste Jahr. Direkte Ruten aus dem Kopf bezeichnete man als Sommerlatten - an ihnen gab es keine guten Trauben.
Pilzkrankheiten, hauptsächlich Peronospera, breiteten sich bei nassem Wetter sehr schnell aus. Deshalb musste man durch Spritzen mit Kupfer vorbeugen. Das Kupfervitriol bestand aus kleinen Steinen und musste im Wasser aufgelöst werden. Zum Neutralisieren wurde gelöschter Brandkalk verwendet. Um die richtige Menge zu bekommen, wurde Lakmuspapier eingetaucht, bis es sich rot verfärbte. Mit einer Rückenspritze wurde die Spritzbrühe von zwei Seiten an das Laub gespritzt. Eine Person musste mit Eimern die Spritzbrühe nachbringen, nachfüllen und im Fass umrühren, damit die Konzentration gleichmäßig blieb. Der Abstand der Spritzungen richtete sich nach der Witterung. Bei nassem Wetter war der Abstand kürzer als bei trockenem Wetter. Ein Nachteil der Kupferspritzung war es, dass es eine gewisse Wachstumsstockung gab, was sich auch auf die Öchslegrade auswirkte.
Eine weitere Krankheit war der Mehltau, der bei schwülheißem Wetter auftrat und mit gemahlenem Schwefel vorbeugend bekämpft wurde. Dabei ging man durch die Zeilen mit einem kleinen Eimer in der einen Hand und mit der anderen Hand warf man eine kleine Menge Schwefel unter den Rebstock, der bei Sonneneinstrahlung verdampfte und so den Befall verhinderte. Nach dem Regen musste der Vorgang wiederholt werden. Später gab es sehr fein gemahlenen und gereinigten Schwefel, den man der Spritzbrühe zusetzen konnte.
Hauptschädling war der Heu- und Sauerwurm. Heuwurm ist die erste Generation des Traubenwicklers, wovon es zwei Varianten gibt: den bekreuzten und den einbindigen. Beide verursachten das gleiche Schadbild. Die Raupen befallen die Blüten, ziehen sie in einem Gespinst zusammen und fressen sich satt bis zum Verpuppen. Daraus entsteht die zweite Generation, der Sauerwurm, der die heranwachsenden noch sauren Beeren befällt, was zu großen Schäden durch Grauschimmelfäule führen kann. Der Zeitpunkt zur Bekämpfung wurde mit Leimtafeln festgestellt. Hierbei hatte man zur Bekämpfung ein Nikotinpräparat, das bei der Anwendung nicht ungefährlich war. Man hatte keine Schutzmaske und atmete die Dämpfe ein, was in Abstatt auch zu einem Todesfall eines Familienvaters führte.
Der Boden wurde durch Felgen unkrautfrei gehalten. Dies geschah mit einer flachen breiten Haue, was oft bei trockenem und steinhartem Boden nicht leicht war, da alles Handarbeit war. An den schnellwachsenden Ruten entfernte man die Geiztriebe und band sie mit Roggenstroh an den Pfahl. Im Spätsommer, wenn die Ruten lang genug waren, schnitt man sie eine Handbreit über dem Pfahl mit einer Sichel oder Heckenschere ab. Die Ruten für das nächste Jahr konnten hiermit gut ausreifen.
Auch Hagel konnte Schäden verursachen. Wenn der Hagel bei grünen Beeren kam, trockneten diese ein und der Schaden war meist nicht so groß. Kam der Hagel allerdings bei den reifenden Beeren, war der Schaden oft erheblich. Es kam zu Fäulnis und es musste oft schnell gelesen werden, mit schlechten Öchsle-Werten.
Zur Vorbereitung auf die Traubenlese wurden die Holzzuber, Bütten, Butten und Gelden gewässert, damit sie wasserdicht wurden. Viele der Zuber und Bütten waren mit Namen des Besitzers versehen, in der Kelter eingelagert. Ein Zuber hatte zwei Griffe und ein Fassungsvermögen von einigen hundert Litern. Am Boden auf der Seite war ein Bohrloch, das mit einem Spunden verschlossen wurde. Die Bütten waren etwas größer und nicht mit Griffen versehen. Butten sind mit zwei Schultergurten versehen. Gelden mit zwei Griffen hatte man zur Traubenlese zum Raspeln in den Zuber verwendet. Zum Ablassen aus dem Zuber der geraspelten Trauben waren es flache, längliche Zuber mit einem Fassungsvermögen von 120 bis 150 Litern. Alle beschriebenen Behältnisse waren aus Holz, hergestellt vom Küfer.
Die Traubenlese war ein Fest. Verwandte und Bekannte waren angereist zum Helfen bei der Traubenernte. Auf dem Hof waren die Zuber hergerichtet zum Raspeln der Trauben. An der unteren Öffnung auf der Innenseite des Zubers war ein „Reisigbüschele“ aus Schlehdorn angebracht. Dies war gesichert durch eine Schnur, welche durch das Spundloch beim Ablassen des Saftes als Filter diente.
Am Morgen wurde der Wagen mit dem Zuber in den Weinberg und die Kühe oder Pferde wurden wieder zurück in den Stall gebracht. Nun begann oft eine „Völkerwanderung“ zu Fuß zu den Weinbergen. Die Bäuerin hatte alles hergerichtet für die Mittagspause, was in Weidenkörben hinausgetragen wurde.
Das Lesen der Trauben musste sorgfältig ausgeführt werden und die Trauben mit einer kleinen Schere, wie heute noch, abgeschnitten werden. Trockene oder noch grüne Beeren wurden entfernt und in die Gelde oder den Eimer geworfen. Abgefallene Beeren mussten sauber aufgelesen werden und kamen auch zum Lesegut, was später zum „Bodengfärtle“ des Weins beitrug.
Das Mittagsmahl war Höhepunkt der Lese: es gab Würste, die beim Metzger vorbestellt waren und nun am Feuer knackig geröstet wurden. Dazu wurde Bauernbrot im Backhaus gebacken und Wein vom vorigen Jahr mitgebracht. Wer noch etwas Herzhaftes wollte, bekam einen gut ausgereiften Backsteinkäß. Auch der Wengertschütz durfte mitessen. Immer wieder wurde ihm von den Winzern ein Gläschen Wein angeboten, was dann manchmal zu viel wurde. Am Abend wurde das Vieh geholt und die Trauben heimgebracht und die Trauben in den vorbereiteten Zuber geraspelt. Die Raspel hatte einen großen Holztrichter, innen zwei gegeneinander laufende Walzen, außen ein großes Eisenrad, das zugleich auch Schwungrad war, mit einem Griff zum Drehen. Einer drehte die Raspel, der andere füllte mit einem Eimer Trauben aus dem Weinbergzuber in die Raspel, wo die Beeren zerdrückt wurden.
Am Abend gab es noch ein Essen und gemütliches Beisammensein mit den Erntehelfern. Niemand sprach über Lohn und dergleichen - es war ein Besuch und Spaß an der Weinernte.
Am anderen oder übernächsten Tag wurde gekeltert. Der Spunden am Zuber wurden durch einen Hahnen ersetzt, der flüssige Saft durch das Dornenbüschele gefiltert abgelassen und gleich in den Keller getragen oder mit einer Eich gemessen und für den Verkauf in einen Zuber gefüllt. Eine Eich ist ein hoher Behälter aus Holz, wobei auf beiden Innenseiten ein Messingnagel alle 25 Liter eingeschlagen ist und geeicht. Der Behälter fasst 100 Liter.
Der Rotwein vergor auf der Maische, um die rote Farbe zu bekommen.
Die Maische, die noch im Zuber war, wurde zur Kelter gefahren. Dort standen zwei große Pressen, mit denen der Rest des Saftes ausgepresst wurde, übrig waren die fast trockenen Trester. Es gab einen Keltermeister, in der Regel der Küfer. Während der Hauptzeiten waren die Pressen Tag und Nacht im Betrieb.
Dann kam der Wein in den Keller. Die Fässer waren hergerichtet, geputzt und unten mit einem Spunden versehen wie beim Zuber. Zum Desinfizieren und Haltbar machen des Weins wurden Schwefelschnitten angezündet und am oberen Spundloch mit einem Draht ins Fass gehängt. Diese brannten ab und der Schwefeldampf blieb im Fass erhalten. Am Draht hing das Papier, an dem der Schwefel beschichtet war. Jetzt wurde ein Fasstrichter aus Holz, der mit einem kurzen Kupferrohr, das durch das Spundloch passte, auf das Fass gesetzt und der Traubensaft eingefüllt. Dies erfolgte nicht ganz spundvoll, da der Saft gärte. Dazu wurde ein Gehrspunden aufgesetzt und man konnte den Gehrablauf beobachten.
Nach dem Gärprozess wurde der Wein abgelassen und die abgesetzte Hefe entfernt. Wurde das Ablassen zu spät gemacht, hatte der Wein einen Hefegeschmack. Sollte der Wein abgefüllt werden, wurde möglichst das Fass spundvoll gemacht und zum weiteren Reifen gut verschlossen. Das Abfüllen in Flaschen wurde dem Küfer überlassen, der den Wein filterte oder auch den Säuregehalt ausgleichen konnte. Für den Eigenbedarf kam ein Holzhahn ans Fass und nun konnte jederzeit zum Trinken Wein geholt werden.
Als es noch keine Genossenschaften gab, war der Weinverkauf nicht einfach. Die Weinhändler hatten die Preisgestaltung voll in der Hand. Hatte man einen guten Weinhändler war alles gut, aber es gab eben auch „schwarze Schafe“, die die Wengerter übers Ohr zogen.
Neuanlegen eines Weinbergs
Der gerodete Weinberg ruhte einige Jahre. Hierzu war meistens Lucerne eingesät, die den Boden mit Stickstoff und Humus anreicherte. Nun wurde im Winter „geritten“, tief umgegraben wie schon beschrieben. Im Frühjahr wurde der Boden eben gemacht, dann „ausgezielt“ vermessen und mit kurzen Pfählen versehen. Der Abstand von Zeile zu Zeile war ca. 1,3 m, der Stock Abstand ebenso. Im April-Mai wurden die von der Rebschule bezogenen, veredelten und bewurzelten Rebenjungpflanzen gepflanzt sowie die Wurzeln auf einige cm eingekürzt. Die Veredlung wurde auf 2 Augen zurückgeschnitten und mit dem Spaten ein 20-30 cm breites und tiefes Loch gegraben. Dann wurde die Pflanze bis zur Veredlung in den Boden gebracht, mit feiner Erde, die mit Kompost oder Humuserde vermischt wurde, das Loch wieder angefüllt und dabei gut festgetreten. “Gut antreten ist halb angewachsen,“ diese Regel gilt allgemein beim Pflanzen. Beim Wagner oder in der Sägmühle wurde Sägmehl geholt und um die Veredlung angebracht, als Schutz der jungen Blätter vor Verbrennung. Um Hasen und Rehe vom Abfressen der jungen Triebe abzuhalten, wurden Lumpen, die mit Wildverbissmitteln getränkt waren, aufgehängt. Das Tränken der Lumpen musste wiederholt werden. Die neu wachsenden Triebe wurden ausgegeizt und mit Stroh an den Pfahl gebunden. Die Peronosperabekämpfung musste sorgfältig durchgeführt werden, um die jungen Pflanzen gesund zu erhalten. Nach dem Herbst wurde mit der Hobe, ein geschwungenes Messer, das Strohband aufgeschnitten, die Ruten auf den Boden gelegt und mit einem Spaten Erde auf dem Boden fixiert. In den nächsten Jahren verwendete man Pfähle zum Darauflegen. Wenn alles gut ging, hatte man nach 4 Jahren wieder einen normalen Ertrag.
Es sei noch einmal erwähnt, dass der Weinbau über Jahrhunderte hinweg schwere Handarbeit war und das Wissen um den Anbau und Erfolg wurde von Generation zu Generation weitergegeben.
Karl Krauß