Redaktion NUSSBAUM
76227 Karlsruhe

Wie blickt ein Allgemeinmediziner auf die geplante Schließung von Notfallpraxen?

„Die Situation wird sich weiter verschärfen" Die geplante Schließung von Notfallpraxen, wie beispielsweise in Ettlingen, hat für viel Kritik gesorgt....
Immer mehr Allgemeinmediziner gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand, zu wenige kommen nach, deshalb sieht Dr. Höschele die hausärztliche Versorgung gefährdet.
Immer mehr Allgemeinmediziner gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand, zu wenige kommen nach, deshalb sieht Dr. Höschele die hausärztliche Versorgung gefährdet.Foto: Minerva Studio/iStock/Getty Images Plus/Symbolbild

„Die Situation wird sich weiter verschärfen"

Die geplante Schließung von Notfallpraxen, wie beispielsweise in Ettlingen, hat für viel Kritik gesorgt. Wie blickt ein Allgemeinmediziner darauf und welche Probleme sieht er? Die Redaktion hat sich dazu bei Dr. Sergej Höschele, Facharzt für Allgemeinmedizin in Durlach erkundigt.

Die Schließung von Notfallpraxen sei bei seinen Patienten kein so großes Gesprächsthema. Zumindest sei es im Sprechstundenalltag nicht präsent, erzählt Höschele. „Die Sorgen der Patienten ist eher die alltägliche Versorgung. Wir versuchen als Praxis den Sorgen entgegenzukommen, indem wir nichtärztliche Aufgaben delegieren, die Medizinische Fachangestellten weiterbilden und "empowern", wie man so schön neudeutsch sagt, und manch Interaktion digitalisieren. Im Rahmen des Pilotprojektes "HÄPPI" werden wir vom Hausärzteverband, dem Land Baden-Württemberg und der Uni Heidelberg in dieser Umstrukturierung der hausärztlichen Versorgung unterstützt und begleitet“, erklärt Höschele.

Reform sei notwendig

Dr. Sergej Höschele versucht die geplante Schließung und Reformierung objektiv zu betrachten. Man müsse auch nach den Ursachen schauen: „Eine Reform der Notfalldienste ist notwendig, weil die Ressourcen (Ärzte) weniger werden. Das ist auch in der täglichen ambulanten Versorgung spürbar, die meines Erachtens noch viel wichtiger ist. Die Dienste werden umgestaltet, es soll mehr telemedizinische Dienste geben und die Fahrdienste sollen zielgerichtet aufsuchen.“
Die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Reform sieht er auch darin begründet, dass laut Höschele in den nächsten Jahren fast 40 Prozent aller Kollegen in den Ruhestand gehen. „Die Situation wird sich weiter verschärfen. Die Politik ist gefordert, jetzt die notwendigen Maßnahmen zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung zu ergreifen. Das ist, wofür eigentlich protestiert werden sollte. Meiner Erfahrung nach wird diese Not größtenteils aber nicht gesehen oder in der kurzfristigen Planung ignoriert“, kritisiert Höschele.

Das Kernproblem liegt woanders

Weiter meint der Allgemeinmediziner, dessen Praxis sich in der Pfaffstraße befindet: „Die Veränderungen im Gesundheitswesen sind in allen Bereichen spürbar.“ Im Alltag sei die Notfallambulanz aber nicht das dominierende Thema. Es gehe laut Höschele eher um Terminfragen beim Facharzt für Bestandspatienten sowie um die fehlende hausärztliche Versorgung, gerade bei Patienten, deren vorheriger Hausarzt ohne Nachfolge schließt oder Patienten, die neu hinzuziehen. Denn diese müssen erst einmal eine Hausarztpraxis finden, die noch Patienten aufnimmt. In diesen Dingen sieht Höschele das Kernproblem.
„In Durlach und Wolfartsweier hat letztes Jahr eine Praxis ohne Nachfolge geschlossen, nächstes Jahr geht mindestens ein weiterer Kollege ohne Nachfolge in Rente. Eine große Praxis in Durlach in der Gritznerstraße zieht nach Grötzingen, wo sicherlich nicht alle Patienten mitkommen können, weil sie teilweise zu gebrechlich sind. Wer versorgt diese Patienten?!“, fragt Höschele kritisch.
Auch auf die steigende Patientenzahl, die Hausärzte abdecken müssen, weist Höschele kritisch hin: „Wir als Hausärzte sind budgetiert, das heißt für mich zum Beispiel, dass ich seit Oktober letzten Jahres mehr Patienten behandle, als ich darf bzw. als für mich von der Kassenärztlichen Vereinigung vorgesehen sind und ich für diese Leistungen nicht die volle Vergütung bekomme.“ (haf)

Erscheinung
Wochenjournal Durlach
NUSSBAUM+
Ausgabe 51/2024

Orte

Karlsruhe
von Redaktion NUSSBAUMRedaktion NUSSBAUM
20.12.2024
Meine Heimat
Entdecken
Themen
Kiosk
Mein Konto