Wiederholt sich Geschichte?
Nein, ich bin der festen Überzeugung, dass sich Geschichte nicht wiederholt, zumindest nicht zwangsläufig. Vor 92 Jahren konnten die Nationalsozialisten nicht unbedingt deshalb die Macht ergreifen, weil sie von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wurden, sondern weil es zu wenige überzeugte Demokraten gab, die sich ihnen konsequent entgegenstellten. Für mich ist die Zeit, in die meine Eltern hineingeboren wurden und in der sie aufwuchsen, kein Vogelschiss der Geschichte, wie die 12 Jahre Nazi-Diktatur vor einigen Jahren vom Vorsitzenden der AfD bezeichnet wurden. Ich sehe es auch nicht als „Gnade der späten Geburt“ an, dass ich in einer politisch sehr stabilen Zeit aufgewachsen bin, in der mir die Demokratie in den Schoß gelegt wurde; Gnade bedeutet, etwas zu empfangen, ohne etwas dafür zu tun. Vielmehr denke ich, dass uns die Geschichte aufzeigt, was passieren kann, wenn man Dinge laufen lässt. Und sie ist für mich Ansporn, nicht tatenlos zuzusehen, wenn demokratische Errungenschaften bedroht werden. Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem die Würde des Menschen angetastet wird, wo die Gewaltenteilung in Frage gestellt wird, wo die sexuelle oder religiöse Orientierung stigmatisiert wird, wo die Pressefreiheit angegriffen wird und wo Rassismus wieder salonfähig wird.
Die Initiative Gemeinsam für Demokratie, in der ich mich im Vorstand engagiere, ist ein Zusammenschluss von Menschen mit unterschiedlichem politischem Hintergrund und aus verschiedenen Vereinen und Konfessionen, denen die Bewahrung dieser demokratischen Werte ein Anliegen ist. Gerade diese Vielfalt spricht mich an, verbunden mit dem respektvollen und wertschätzenden Umgang miteinander.
Meinolf Thiemann für die Initiative Gemeinsam für Demokratie