Dass Rettigheim durchaus auch eine überörtliche Bedeutung haben kann, zeigt folgendes Beispiel aus dem „Badischer Beobachter“ Karlsruhe (Mittwoch, 12.02.1919, Mittagsblatt) unter der Rubrik „Chronik / Baden:“
„Rettigheim, 11. Febr. Am letzten Sonntag fand hier im Gasthaus zur „Rose“ eine Bauernvereinsversammlung statt, in der der freie Verein in eine örtliche Genossenschaft umgewandelt wurde. Nach einem längeren Vortrag eines Beamten des Bad. Bauernvereins über die Wichtigkeit der Genossenschaften in der Uebergangswirtschaft entwickelte sich eine rege Diskussion, an der sich viele Landwirte unter anderm auch Herr Pfarrer Baier beteiligte und die Gründung einer örtlichen Genossenschaft warm befürwortete. 68 Landwirte erklärten ihren Beitritt zu derselben. Die neue Genossenschaft trat dem Genossenschaftsverbande des Bad. Bauernvereins Freiburg und dem Landwirtschaftlichen Lagerhaus bei.“
Anmerkungen: Beim erwähnten Geistlichen handelt es sich um Ludwig Baier, der von Juli 1913 bis Oktober 1924 Ortspfarrer in Rettigheim war. Er initiierte den Bau des Schwesternhauses mit Kinderschule in der Friedhofstraße.
Im 19. Jahrhundert entstanden die ersten katholischen Handwerker-, Kolping- und Arbeitervereine. Ein erster deutscher Bauernverband entstand im Juni 1862 im Kreis Steinfurt/Westfalen. Nach diesem Muster gründete sich 1885 der Badische Bauern-Verein, der im Artikel erwähnt wird. Nach 1900 entstanden dann regional überörtliche größere Bauernvereinsbewegungen in Deutschland, d. h. einzelne Landesverbände schlossen sich zusammen. Die Zentrale war in Berlin angesiedelt. Die großen Vereine in Westfalen und in Baden schlossen sich dieser Bewegung nicht an.
Die Bauernverbände stärkten die Bauern und Landwirte vor Ort, damit die Höfe innerhalb der Familien erhalten blieben; sie gründeten Spar- und Darlehenskassen, aus denen dann später die heute noch bekannten Genossenschaften hervorgingen; sie schlossen Sammelverträge für Feuer-, Lebens- und Hagelversicherungen für ihre Mitglieder ab; schauten aber auch, dass Dünge- und Futtermittel zu erschwinglichen Preisen angeboten werden konnten. Die Verbände führten großflächige Aufklärungs- und Schulungsveranstaltungen für seine Mitglieder vor Ort durch.
So ist auch die Versammlung in Rettigheim zu verstehen, zu der die umliegenden Landwirte eingeladen waren. Erwähnenswert ist an dieser Stelle noch, dass im gleichen Jahr 1919 in Rettigheim eine „Landwirtschaftliche Ein- und Verkaufsgenossenschaft (Waren)“ gegründet wurde. Sie war ein Teil der später zusammengeschlossenen „Volksbank Rettigheim-Malschenberg eG“ (R. Werner).