Banal eigentlich und trotzdem interessant – das ist die Kombination von „Blutwurst und Apfelmus“. Aktuell ist diese Kombination in der zettzwo Produzentengalerie zu sehen.
Michaela Reichmann töpfert zum Beispiel leidenschaftlich gerne Gedärme, die man zum Transport hin einfach in die Tasche stecken kann. Pavel Miguel zeigt in einer anschaulichen Skulptur, dass man ist, was man isst.
„Die Kunst kann sich mit tiefgründigem, gesellschaftskritischen, globalpolitischen Topoi befassen, aber auch mit den banalsten und alltäglichsten Dingen der Welt und uns so nach geistigen Höhenflügen und in der metaphorischen Tiefe des Mariannengrabens schürfenden Gedankenexzessen auf den Boden der Tatsachen zurückholen – und vielleicht ist das auch eine ihrer Pflichten“, sagte Alexander Holzmüller bei der Vernissage am Freitag der Vorwoche. Dabei erzählte er vom Gericht Himmel und Erde, das seine Mutter zubereitet habe. Dieses bestehe aus Äpfeln, Kartoffeln und Blutwurst. Das Gericht habe ihm seinerzeit aber gar nicht so geschmeckt. Dennoch könne man gerade angesichts der Banalität von Blutwurst und Apfelmus einen Neustart wagen. Den in der Kunst haben die Künstlerinnen und Künstler der zettzwo Produzentengalerie damit auch getan.
Die Künstlerin Vera Holzwarth hatte sich angesichts des ausgefallenen Themas die Aufgabe gestellt, ein Bild, das sie schon einmal gemalt hatte, nur in den Farben des Apfelmuses und der Blutwurst, Schwarzbraun, zu malen. „Die Gesellschaft“ heißt das Bild. Gegenüber dem anderen Bild habe sie noch einen Apfel und ein Schwein hinzugefügt. Durch die Farbwahl wirkt das ganze Bild mystischer und wirkt recht bedrückend.
Katja Wittemann erzählt zu ihren Kunstwerken: „Da mir das Gericht Blutwurst und Apfelbrei zu nordisch und zu suspekt ist, beschäftige ich mich mit der heimischen Blutwurst, also der ‚Griewewoschd‘. Die ‚Griewewoschd‘ ganz ohne Apfelmus und dafür mit einem großen Fan: dem kleinen Hund. Zwei Grafiken sind zu sehen: ‚dog‘s world‘ und ‚Blutwurst‘s Duft‘. Die Grafiken zeigen jeweils eine große Scheibe Blutwurst in der Begegnung mit einem kleinen neugierigen Hund.“
Wie die oben genannte Michaela Reichmann, die in einem Landwirtschaftsbetrieb aufgewachsen ist, hat die Künstlerin Marijana Bühler Erfahrungen mit dem Schlachten gemacht. Sie erzählt: „In der aktuellen Ausstellung ‚Blutwurst und Apfelmus‘ reflektiere ich als Tochter eines kroatischen Metzgers über die komplexe Beziehung zwischen Mensch und Tier. Schon früh kam ich mit der Fleischverarbeitung in Berührung, was mich dazu brachte, das Leben der Tiere vor, ihrer Verarbeitung zu hinterfragen. In meinen Werken thematisiere ich nicht das Gericht selbst, sondern die emotionalen Spannungen, die mit der Tierhaltung und -verarbeitung verbunden sind.“
Auch auf ihre persönliche Entwicklung hatte das emotionale Erleben Auswirkungen: „Die Kindheit lehrte mich, dass Freude und Leid oft eng beieinanderliegen. Die Freundschaften, die ich mit den Tieren schloss, stehen im Kontrast zu dem Wissen, das sie für uns ihr Leben geben mussten. Der Apfel, als Symbol für Unschuld und Genuss, ergänzt diese Thematik, indem er die süße Seite des Lebens repräsentiert, während die Blutwurst die rauen Realitäten unserer Nahrungsmittelproduktion verkörpert. Diese Dualität fließt in meine Kunst ein und lädt die Betrachter ein, über die ethischen und emotionalen Dimensionen unserer Nahrungsmittelproduktion nachzudenken.“
Eine andere Art von Gesellschaftskritik macht der Künstler Alexander Holzmüller angesichts eines Glases mit Apfelmus. Der Titel des Bildes lautet „Abfallmus“. Holzmüller sagt: „Nur wenn man genau hinschaut, sieht man, dass auf dem Glas Abfallmus statt Apfelmus steht. Dadurch entsteht ein eigentümlicher Twist. Der Fokus wird nicht auf den Genuss gelenkt, sondern auf die Verschwendung von Essen, das wirklich oft im Zusammenhang mit Apfelmus steht. Nach dem Öffnen des Apfelmusglases bleibt es oft so lange im Kühlschrank stehen, bis es verschimmelt entsorgt werden muss."
Auch, wie man Tiere behandelt und moralisch mit dem Thema Schlachten umgeht, bewegte Holzmüller beim Bild „Blutwurst machen“. Dazu sagt er: „Es ist eine Erinnerung an eine Schlachtung, der ich beiwohnen durfte. Es hat mich nachhaltig unangenehm bewegt, wie der Schlachter das Blut im Kübel mit seinen Armen und Händen in Bewegung gehalten hat.“
Alles hat zwei Seiten bzw. „Zwei Pole“. Dazu sagt der Künstler: „Bei diesem Bild sind Blutwurst und Apfelmus so weit abstrahiert und lediglich mit einem kühnen Strich dargestellt, dass sie geradezu unkenntlich gemacht werden. Allein das Vorhandensein eines Küchenmessers in der Mitte gibt einen Hinweis darauf, dass es sich um Essen handeln kann. Auch die Position des Messers scheidet die zwei Lebensmittel und trennt sie in gut und böse, in geschmacklos und geschmackvoll, in carnivor und vegan.“
Karin Münch hat vor allem den Kontrast zwischen Himmel und Erde bewegt. „Spontan würden wir sagen in der Regel, dass die Leichtigkeit und Freiheit des Himmels uns mehr anspricht als die Schwere der dunklen Erde. Wenn wir aber etwas genauer hinschauen, kann genau das Gegenteil der Fall sein. Nämlich dort, wo uns die warme, vielschichtige Erde Sicherheit und Geborgenheit gibt, wo wir uns von der Schwere unter den Füßen getragen fühlen. Ist das nicht anders als die Leichtigkeit und Freiheit, die uns keine Orientierung und keinen Halt bietet; wo, wie Milan Kundera sagt, die unerträgliche Leichtigkeit des Seins vorherrscht?“
In ihren Bildern hat die Künstlerin nach diesen Kontrasten gesucht und gleichzeitig versucht, spürbar zu machen, wohin die Sehnsucht des Menschen ihrer Auffassung nach strebt. Wer sich selbst davon ein Bild machen möchte, kann das noch bis zur nächsten Ausstellung samstags, von 10 bis 14 Uhr, tun. (war)