Teil 2
10.4.1945 Ein schlimmer Tag bricht für Forchtenberg an. Heute früh kamen etliche wieder vom Stollen zurück.
Um 9.00 Uhr hörte man Maschinengewehrfeuer vom Hag- und Hermersberger Wald.
Ab 10.00 Uhr schoss der Ami vom Büschelhof her in den Hagwald. Die Soldaten, die auf halber Höhe des Ziegelbergs eine Verteidigung anlegten, sind noch da. Es ist später Nachmittag, als ein Hagel von Phosphorbomben niedergeht und in kürzester Zeit standen 15 Gebäude in Flammen. Die Leute im Stollen merkten davon nichts. Als die anderen aus den Kellern kommen, brannten ihre Häuser im Stadtkern schon lichterloh. Die Wasserleitungen sind schnell leer und es musste Wasser aus dem Kocher hergebracht werden.
Es ist der 10./11.4.1945
Das schöne, malerische, altehrwürdige Forchtenberg ist in seiner Gesamtheit nicht mehr. Das furchtbare Kriegsunglück ging über das winkelige Städtchen hinweg, in dem vor und noch während des Krieges so viele Maler saßen. Die alten Bilder werden einst gesucht sein.
Lange konnten die, die noch in ihren Kellern waren, nicht ins Freie. Diejenigen im Stollen merkten von allem nichts.
Alles ging mit großem Einsatz ans Löschen, in erster Linie die, die nicht im Stollen waren. Das Wasser aus der Leitung war bald verspritzt, und bis die Feuerwehr Wasser aus dem Kocher bis an den Markt brachte, breitete sich das Feuer immer weiter aus. Es war ein schauriges Schauspiel, Drama seltenster Größe, wie es das Städtchen wohl seit seinem Bestehen nicht erlebt hatte. Überall Bombentrichter, Granatlöcher, zerschlagene Dächer, wirr durcheinanderliegende elektrische Drähte, wassertragende Kinder und Frauen, weinende alte Leute, kommandierende Feuerwehrleute, jammernd vor ihren brennenden Häusern stehende Bewohner, andere todesmutige Draufgänger und Draufgängerinnen, die todesmutig aus den Flammen raubten, was zu retten war. Die einen warfen Bettstücke, Möbel, Geräte, Kleider etc. auf einen Haufen und kreischende Frauen trugen alles noch an sichere Plätze.
Viel ging dabei verloren, manches Stück tauchte nicht mehr auf. Eine ungeheure Hitze raubte einem fast den Atem. Das Café und Rathaus waren stark beschädigt. Die Apotheke konnte gerettet werden.
Mit viel Mühe gelang es besonders durch Anwendung der Luftschutzspritzen, Michel Häußers Haus und Häfeles Haus, sowie Post und Bäcker Ehrmanns Gebäude zu retten.
Das Wasser wurde von der Feuerwehr in die Nähe der Kirche gepumpt und dann verteilt. Aber alles kam zu spät, denn währenddessen brannte auch Schads Haus nieder, neben der Kirche.
Als dann der Ochsen in Gefahr kam, musste das Wasser vom Kocher aus gepumpt werden. Das Pumpen bereitete große Mühe. Aus dem Stollen musste man fast mit Gewalt Leute zum Pumpen holen. Die Pumpe oben am Krankenhaus musste durch Wassertragen gespeist werden.
So brach die Nacht herein über das schaurige Bild der Kriegs- und Feuersnot, mit den durstenden, ruß- und rauchgeschwärzten Menschen, von denen der Schweiß und das Wasser tropfte.
Über den feurig geröteten Nachthimmel zogen wie zum Hohn 3 amerikanische Scheinwerfer ihre Strahlenbündel gegen die Waldenburger Berge. Deutsche Soldaten waren an den Ortsausgängen zu sehen. Kamen sie von den umliegenden Stellungen? Waren es Flüchtende?
Welch ungeheuren Werte an Vieh, Schweinen, Holz u. Möbeln gingen zugrunde, welche unersetzbaren Familienstücke, Bilder u. Urkunden gingen in den Flammen auf!
Welches Bild bot dieser ungeheure Schutthaufen, immer noch von Rauch und züngelnden Funken belebt, wenn man von der Kirche bis an die Kocherbrücke schaute! Bei diesem Anblick möchte einem das Herz stillstehen und im Weh könnte man vergehen beim Gedanken an das Kriegselend, das durch Europa gezogen ist und noch zieht, die Jugend mit verschlingend. Das sind schlechte Vorboten einer versprochenen, glücklichen, neuen Welt!
Morgens um 6.00 Uhr kamen wir mit den Feuerwehrleuten erst zur Ruhe, u. unwillkürlich ging einem „Schillers Glocke“ durch den Sinn.
11.4.1945 Der Morgen war verdächtig ruhig, auf allen lag ein Alp, der nicht Gutes ahnen ließ. Bis Mittag erfreuten sich die, die noch ein Dach über dem Kopf hatten, des prächtigsten Frühlingswetters. Da! Um 13 .00Uhr erschienen plötzlich Jagdbomber, kreisten über dem Städtchen mit seinen rauchenden Trümmern, schossen mit Bordwaffen circa 30 Minuten lang. Bald standen neue Häuser und Scheunen in Brand, darunter die 90 Meter lange Kelter mit Farrenstall.
Wieder konnten nur unter allergrößtem Einsatz die anliegenden Gebäude gerettet werden. So das alte Krankenhaus, das alte Amtshaus. Wasser musste getragen und Treppe um Treppe hochgeschleppt werden. Man schickte wieder in den Stollen und ließ es den Betroffenen mitteilen. Am Ausgang durften sie den Stollen nicht verlassen. Viele stiegen aber hinten, mehr oder weniger widerwillig, die Leiter hinauf.
Während man noch beim Löschen war, hieß es plötzlich: „Amerikanische Panzer kommen in großer Zahl von Weißbach her!“
Tatsächlich, kurz vor 5.00 Uhr (17.00 Uhr) zogen nach 132 Jahren wieder fremde Soldaten durch die alten Tore des bis aufs Mark ausgebrannten und noch brennenden Städtleins. Der Feind war also da! Was tut er? Wie gehts uns?
Das nach so viel Krieg und Blut!
Bald verteilte sich die amerikanische Infanterie, die mit den Panzern kam, in die noch stehenden Häuser zur Durchsuchung. Die Keller mussten verlassen werden.
Die amerikanischen Soldaten benahmen sich zum größten Teil sehr anständig, wenn sie nirgends ein Hitlerbild oder anderes Hoheitsabzeichen sahen. Wo Türen geschlossen waren, wurden sie gewaltsam geöffnet.
Vom Backhaus aus eröffneten die Panzer gegen den noch leicht besetzten Ziegelberg ein starkes Feuer. Dann überschritten sie die Kupfer bei Heinrich Kerl und kamen so auf die Öhringer Straße. Die Infanterie ging gegen den Ziegelberg vor, ohne dass ein deutscher Schuss fiel. Es gab keinen Widerstand, aber viele Gefangene. Die Panzer zogen auf der Öhringer Straße weiter. Neue amerikanische Infanterie wird auf Panzern nachgefahren.
12.4.1945 Von 8.00 Uhr an erfolgte ununterbrochen der Durchzug von amerikanischen Panzern und besetzten Fahrzeugen aller Art. Der Krieg rollte vorüber. Durch die zerstörte Stadt, durch das Backhaustor.
Die ersten Verordnungen sind in amerikanischer und deutscher Sprache am Rathaus angeschlagen. Um 5.00 Uhr mussten alle Waffen auf dem Rathaus abgeliefert sein.
Die Bewohner dürfen von früh 6.00 Uhr bis abends 17.30 Uhr ausgehen. In der übrigen Zeit müssen sie in den Wohnungen sein.
Noch um 18.45 Uhr fährt Artillerie auf die Schied und Guthof.
13.4.1945 Neue Durchzüge, besonders Ambulanz und schwere Artillerie. Einquartierung hier in allen ordentlichen Häusern und Wohnungen. In einer ½ Stunde muss ausgezogen sein.
Auf dem Rathaus wurde eine Baukommission, ein Ernährungs-, Sanitäts- und Polizeikommando eingerichtet.
Fortsetzung folgt.