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100.000 Jahre in 270 Sekunden: Video setzt Ergebnisse der Gänsäcker-Grabungen in Szene

Vier Jahre lang wurde der Bereich des künftigen Gewerbegebiets Gänsäcker archäologisch untersucht. Ein Ergebnis der Grabungen kann man jetzt im Internet...

Vier Jahre lang wurde der Bereich des künftigen Gewerbegebiets Gänsäcker archäologisch untersucht. Ein Ergebnis der Grabungen kann man jetzt im Internet bewundern: Ein digital animierter Film des Landesamtes für Denkmalpflege stellt im Schnelldurchlauf die geologische Entwicklung des Donautals bei Möhringen und vor allem die Geschichte seiner Besiedlung dar.

Der Film dauert gerade mal viereinhalb Minuten, in diese Zeit packt er aber über 100.000 Jahre Erd- und Menschheitsgeschichte. Man sieht zunächst ein menschenleeres und kahles Tal, durchzogen von wild mäandernden Wasserläufen. Man erkennt den zarten Bewuchs, der Jahrtausende später schüchtern aus dem Geröll sprießt. Weitere Jahrtausende später tauchen die ersten flüchtigen Spuren menschlicher Besiedlung auf, aus provisorischen Unterständen werden bronzezeitliche Langhäuser – Krönung der Entwicklung ist die opulente Villa rustica aus römischer Zeit. „Der Platz an der Donau war offensichtlich so attraktiv, dass er schon besiedelt wurde, als der Mensch das erste Mal sesshaft wurde – und dass es danach über Jahrtausende so weiterging", sagt Dr. Andreas Thiel vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD).

Von 2019 bis 2023 haben im Auftrag des Denkmalamtes verschiedene Teams in Gänsäcker gegraben – ein Projekt, das in Tuttlingen nicht unumstritten war. Schließlich kostete es die Stadt rund 2,26 Millionen Euro und verzögerte obendrein die Erschließungsarbeiten. Allerdings war bereits im Vorfeld der Planungen bekannt, dass in diesem Bereich archäologische Funde zu erwarten sind und somit Grabungen anstehen – und mit dem Film kann man im Internet nun auch eine visuelle Zusammenfassung der Erkenntnisse bewundern.

Wie umfangreich und zeitraubend die Grabungen werden sollten, hatten im Vorfeld freilich weder die Denkmalpfleger noch die Planer gedacht: „Das war auch für uns überraschend“, sagt Denkmalpfleger Thiel. „Eine durchgehende Siedlung von der Jungsteinzeit über die Eisenzeit, die Römerzeit und das frühe Mittelalter gibt es selten.“ Entsprechend viele Artefakte wurden während der vierjährigen Grabung gesichert, außerdem gaben die Untersuchungen Aufschluss zu geologischen Fragen wie dem früheren Donauverlauf oder zur Botanik in verschiedenen Epochen. „Vieles, was bisher nur als Hypothese existierte, wurde durch die Grabungen bestätigt.“

Diese Fülle an Erkenntnissen war es dann auch, die das LAD dazu brachte, den animierten Film zu produzieren: „Das machen wir nur bei herausragenden Grabungen, bei denen man auch eine Geschichte erzählen kann“, sagt Grit Koltermann, die beim LAD für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Allenfalls bei zwei bis drei Grabungen pro Jahr gebe man solche Filme in Auftrag – allein schon aus Kostengründen. „Möhringen war hier schon etwas Besonderes.“

Streamen kann man den Film über die Website des LAD, den Youtube-Channel „denkmalpflegebawue“ sowie über www.tuttlingen.de. „Wir wollen mit Filmen wie diesen auch unsere Arbeit erklären und für Verständnis werben“, sagt Grit Koltermann – „die Akzeptanz ist schließlich nicht immer gegeben, wenn unsere Grabungen Projekte verzögern.“

Andreas Thiel hat aber noch eine weitere Zielgruppe vor Augen: „Wir haben in Möhringen so viel gefunden und dokumentiert – das gibt Stoff für viele weitere Arbeiten.“ Vor allem angehende Wissenschaftler*innen hat Thiel dabei vor Augen, die zum Beispiel noch ein Thema für eine Abschlussarbeit suchen. Ein Studierender an der Philipps-Universität in Marburg schreibt bereits eine Dissertation über den römischen Gutshof in Gänsäcker. Arbeiten über die Bronzezeit oder das frühe Mittelalter in Möhringen werden bis jetzt noch keine geschrieben, obwohl es auch hier reichlich Material gibt. „Wir hoffen, dass vielleicht auch durch den Film jemand aufmerksam wird“, so Andreas Thiel, „denn die Tuttlinger Grabungen sind ein mehr als lohnendes Objekt für vertiefende Untersuchungen.“

Erscheinung
Möhringer Stadtnachrichten mit Eßlinger Mitteilungen
NUSSBAUM+
Ausgabe 51/2025
Dieser Inhalt wurde von Nussbaum Medien weder erfasst noch geprüft. Bei Beschwerden oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte an den zuvor genannten Erfasser.
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