Simone Maria Dietz führt über den Grötzinger Friedhof
„Dieses Gelände hier ist nicht der erste Ort einer Grablege in Grötzingen.“ Simone Maria Dietz erläutert zu Beginn der Führung der Ortsverwaltung und des Vereins zur Pflege der Friedhofs- und Bestattungskultur in Karlsruhe die Geschichte der Begräbnisstätten in Grötzingen. Fünf Kapellen habe es hier zur Zeit der ersten Erwähnung Grötzingens gegeben. „Da findet man heute nur noch Reste von Bestattungen.“ Am besten bekannt ist natürlich der ehemalige Grötzinger Friedhof aus dem 16. Jahrhundert, um die heutige evangelische Kirche, von dem noch wenige Grabzeichen und Grablegen auszumachen sind. Die Friedhöfe lagen stets am Rande der Siedlungen, die Gründe hierfür waren vielfältig. Zur Illustration zeigt die Kunsthistorikerin eine der ältesten Karten der Lage des Ortes. Als ab dem 19. Jahrhundert Bevölkerung und Bebauung ständig anwuchs und die Schule im Kirchen- und Schlossviertel dadurch Platzbedarf bekam, plante man ab 1900 einen Friedhof im Gewann „Wasserfall“. Schon 1916 hätte er eröffnet werden sollen, aber der 1. Weltkrieg verhinderte den Ausbau und die Einrichtung, erst 1923 konnte er fertiggestellt und ab 1924 belegt werden. „Bei der Umsiedlung gingen viele historische Grabzeichen für immer verloren“, bedauert Kunsthistorikerin Dietz. Ein „dem Rassegedanken des Dritten Reiches ansprechendes Mal mit entsprechendem Aufmarschplatz“ wurde stattdessen 1940 erst auf dem ehemaligen Friedhof, später hinter der Schule aufgestellt. Erst 2015 beschloss der Ortschaftsrat seine Versetzung seitlich vor den Friedhof. Der Karl-Jäck-Weg führt zum Tor des Friedhofs und bildet eine Achse mit der Pietá Karl Seckingers und dem Eingang zur Friedhofskapelle. Der Friedhof wurde in der Amtszeit des Bürgermeisters Karl Jäck errichtet. Jäck weigerte sich, die Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus zu hissen, was ihn das Amt kostete und Haft und Krankheit einbrachte. Die Pietá trägt die Inschrift: Die Toten mahnen, haltet Frieden, 1914-1918 / 1939-1945.
„Der Grötzinger Friedhof war zunächst eine dörfliche Anlage, steht jedoch in keiner Weise bei den großstädtischen Anlagen Karlsruhes hintan.“ Die Wertschätzung der Kunsthistorikerin Dietz bezieht sich auf nicht wenige herausragende Persönlichkeiten. Sie beginnt ihren Rundgang am Grab des evangelischen Pfarrers, Kirchenrates und Dekan Emil Hofheinz, der 1913 mit dem Druck eines Gemeindeblattes, im Titelkopf ein Stich von Kallmorgen, die erste eigenständige Grötzinger Zeitung ins Leben rief. Ab 1918 wurde daraus der „Anzeiger“ und ein Jahr später der Pfinztäler Bote. Nach dem Krieg erschien „Das Pfinztal“ noch bis 2018 in der Druckerei Max Hafner. Seither gibt es kein eigenständiges Blatt mehr in Grötzingen.
Susanne und Karl Martin Graff folgten dem immer noch vorhandenen Flair der Künstlerkolonie nach Grötzingen. Susanne betätigte sich vielfältig in Kunst und Kunsthandwerk, der Architekt Karl Martin Graff begann hier eine zweite Laufbahn als Maler. Nach seinem Tod legte seine Witwe testamentarisch fest, dass beider gesamter Nachlass, Haus- und Grundbesitz, in eine Stiftung überführt wurden. Die Graff-Stiftung unterstützt bis heute Projekte im sozialen Bereich, darunter die Heimatfreunde Grötzingen und die Naturfreunde Grötzingen. Der Grabstein zeigt ein Medaillon, doch das Portrait darin kann von Simone Dietz nicht eindeutig dem Stifter zugeordnet werden.
Auch Friedhofskultur ist dem Wandel unterworfen. Ein weites Feld, Simone Maria Dietz zeigt auf, wie sehr sich in den letzten 30 Jahren die Vorstellung von der eigenen Bestattung und derer der Angehörigen gewandelt hat. Alles wird weniger aufwendig, die Gestaltung in gärtnerische Pflege gegeben, das Familiengrab ist eher eine Seltenheit geworden, Urnengräber und Baumbestattungen werden immer mehr. Dennoch: Es gibt es noch, das „Grab auf Ewigkeit“. Und es ist ein Irrtum, dass eine anonyme Bestattung die günstigste sei. Eines der wenigen Familiengräber in Grötzingen ist das der Familie Schweizer. Herbert Schweizer leitete die Eingemeindung ein und wurde so der letzte Bürgermeister des noch eigenständigen Ortes Grötzingen und der erste Ortsvorsteher des Karlsruher Stadtteils. Die Grötzinger Begegnungsstätte trägt heute seinen Namen.
Die Friedhöfe erfahren eine parkähnliche Gestaltung mit Sitzgelegenheiten und sind Ort für künstlerische Darstellungen. Das „Herzmal“, eine Skulptur der Grötzinger Keramikerin Sabine Classen, leitet den Blick von einem Urnenfeld auf die Weite der gegenüber liegenden Landschaft im Licht. Historisch bedeutende Zeugen, auch von Gewaltherrschaft und Krieg sind die soeben restaurierten Kriegsgräber: Russische und polnische Kriegsgefangene, deutsche Gefallene und Opfer des Bombenkrieges im Ort.
Am Ende der Führung steht der gemeinschaftliche Blick auf die Grabstätte Friedrich Kallmorgens. Die Errichtung seiner Villa im unbedeutenden Dorf wurde zum Beginn der „Grötzinger Malerkolonie“. Der Grund: Die Freilichtmaler des ausgehenden 19. Jahrhunderts erreichten das ländliche Motiv für ihre Kunst von der Karlsruher Akademie aus in zwölf Minuten. „Heimat … unser liebes Grötzingen“. (sts)