Bildung

100 Jahre Bücherei Echterdingen (1925 - 2025)

Die Ortsbücherei während des Nationalsozialismus Die Bücherei Echterdingen wurde im Jahr 1925 als „Ortslesebibliothek“ gegründet und feiert...
Historischer Bericht über die Ortslesebibliothek Echterdingen
Bericht über die Ortslesebibliothek im Filderboten vom 23.10.1937Foto: (c) Stadt LE

Die Ortsbücherei während des Nationalsozialismus

Die Bücherei Echterdingen wurde im Jahr 1925 als „Ortslesebibliothek“ gegründet und feiert dieses Jahr ihren 100. Geburtstag. Mit Unterstützung des Kollegiums des Stadtarchivs hat der Auszubildende der Bücherei intensiv über die bewegte und vielseitige Geschichte recherchiert. Die Ergebnisse dieser Recherche, eingebettet in die damalige Geschichte von Echterdingen und die Entwicklung im öffentlichen Bibliothekswesen, lesen Sie über vier Amtsblattausgaben. In der heutigen Ausgabe stehen die Jahre 1933 - 1945 im Mittelpunkt.

Während der Zeit der Weimarer Republik (1919 - 1933) vollzog sich vor allem die Kommunalisierung der Volksbüchereien, d. h. die Kommunen finanzierten ihre Büchereien. Nach 1933 geriet das öffentliche Bibliothekswesen unter die Kontrolle und Lenkung durch den Nationalsozialismus. Das nationalsozialistische Regime (1933 - 1945) unterdrückte das Recht auf freie Meinungsäußerung und brachte für die Literatur, Kunst und Kultur des öffentlichen Lebens das Ende der Freiheit. Am 10. Mai 1933 kam es in Berlin und anderen Universitätsstädten zu ersten öffentlichen Bücherverbrennungen („Verbrennung undeutschen Schrifttums“), organisiert von den Nationalsozialisten mithilfe der „Deutschen Studentenschaft“. Bücher von Erich Kästner, Thomas und Heinrich Mann, Albert Einstein und vielen anderen wurden „dem Feuer überantwortet“. Heinrich Heines Worte „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ sollten sich in NS-Deutschland bewahrheiten.

Am 29. September 1933 informierte der „Verein zur Förderung der Volksbildung“, dass nur noch Bücher im Bestand zu führen sind, die mit der nationalsozialistischen Ideologie übereinstimmen. Alle anderen Bücher wurden als „gefährliche Literatur“ bezeichnet und mussten ausgesondert werden. Nur wenige Wochen später ging ein Schreiben an die Bücherwarte im Oberamtsbezirk Stuttgart, dass auch die Säuberung der Echterdinger Bücherei nach den Gesichtspunkten des NS-Staats zu beginnen habe. Werke, die ihrem Charakter nach die „Erneuerung des Volkes“ verhindern oder verzögern, sollten aus der Ausleihe zurückgezogen werden. Die dadurch entstehenden Lücken sollten bevorzugt mit nationalsozialistischer Propaganda-Literatur gefüllt werden. Bücher über die germanische Vorzeit, das deutsche Mittelalter und die preußischen Kriege mussten angeschafft werden. Der Bestand der Echterdinger Bücherei wurde dementsprechend „gesäubert“ und „aktualisiert“.

Am 8. März 1934 erreichte die Bücherei ein Schreiben der Hitlerjugend (HJ). Diese wollte einen Jugendbücherdienst ins Leben rufen, der bereits vorhandene Bücher empfehlen und Neuerscheinungen der Öffentlichkeit bekannt geben sollte. Die Ortsbücherei wurde gebeten, der HJ ein komplettes Bestandsverzeichnis zukommen zu lassen und Buchempfehlungen auszusprechen. Die Bücherei fand im Jahr 1937 einen guten Zuspruch in der Bevölkerung, sodass neue, an der NS-Ideologie orientierte Literatur erworben werden konnte. Die Bücherei hatte einen Bestand von 583 Bänden. Die Einwohnerzahl Echterdinges lag bei ca. 2.500.

Am 14. August 1940 wurde der damalige Bücherverwalter, Hauptlehrer Widmann, versetzt. Wohin, ist unbekannt. Alle Schreiben bezüglich der Bücherei gingen nun direkt an den Bürgermeister Albert Rohleder, da zunächst kein Nachfolger ernannt wurde. Im August 1942 schickte die „Staatliche Büchereistelle für Württemberg“ der Bücherei Echterdingen eine Liste über die verbotenen Bücher der letzten Jahre, darunter Literatur von jüdischen Autoren oder Bücher, deren Inhalte nicht mit den Idealen der NSDAP übereinstimmten. Am 14. März 1942 wurde der Lehrer Edelmann als neuer Büchereileiter eingesetzt. Er blieb dies vermutlich bis zum Ende der NS-Zeit.

Französische Einheiten marschierten am 20. und 21. April 1945 in Echterdingen ein und besetzten mit einer größeren Anzahl von Panzern und Panzerspähwagen den Ort. Die Bevölkerung musste alle Waffen, Foto- und Radioapparate im Rathaus abgeben. Von 19.00 bis 7.00 Uhr gab es eine Ausgangssperre. Am 8. Mai 1945 ging der Zweite Weltkrieg in Deutschland mit der bedingungslosen Kapitulation der NS-Wehrmacht zu Ende.

Echterdingen hatte zu diesem Zeitpunkt rund 3.500 Einwohner und zählte zu den am stärksten von Luftangriffen betroffenen Gemeinden im Landkreis Esslingen. Die Gemeinden und Landkreise waren die einzigen Verwaltungseinheiten, die noch funktionstüchtig waren. Durch die einsetzende Entnazifizierung kam es zu personellen Problemen. Gleichzeitig stand die Gemeinde vor einem Berg an Problemen: Wiederaufbau der zerstörten Gebäude, Schaffung von neuem Wohnraum, Versorgung der Bevölkerung. Die Franzosen zogen im Juli 1945 ab, worüber die meisten Einwohner wohl sehr froh waren. Die US-Army übernahm die Besatzung von Echterdingen und den anderen Ortsteilen.

Bürgermeister Rohleder ordnete am 14. Mai 1945 an, dass die Bücherei das gesamte nationalsozialistische Schriftgut entfernen und sicherstellen sollte. Zudem wurde die Bücherei geschlossen und blieb es dann auch bis 1949. Das kulturelle Leben in Echterdingen nahm bereits ab Ende 1945 langsam an Fahrt auf: Gesangs-, Musik- und Sportvereine wurden neu gegründet oder nahmen ihre Tätigkeiten wieder auf.

Wie geht es mit der Ortslesebibliothek in den Jahren 1946 -1985 weiter? Das lesen Sie in der nächsten Ausgabe des Amtsblattes.

Historische Anzeige über die Ortslesebibliothek Echterdingen
Anzeige der Ortslesebibliothek im Filderboten vom 28.10.1934.Foto: (c) Stadt LE
Erscheinung
Amtsblatt – Große Kreisstadt Leinfelden-Echterdingen
Ausgabe 38/2025
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