Der Förderverein Ehemalige Synagoge Hemsbach feierte sein 40-jähriges Bestehen und blickte auf jahrzehntelanges Engagement gegen Antisemitismus und für die Erinnerungskultur zurück. Mit Grußworten von Landtagspräsidentin Muhterem Aras und Bürgermeister Jürgen Kirchner wurde die wichtige Arbeit des Vereins gewürdigt, der sich aktiv für Bildung, Solidarität und den Erhalt jüdischen Erbes einsetzt.
Erinnerung, Gedenkkultur aktiv gestalten. Ein jüdisches Gebetshaus erhalten. Bildung und Kultur veranstalten, Stellung beziehen, Solidarität leben. Der Vereinszweck des Fördervereins Ehemalige Synagoge ist keine leichte Aufgabe. Es ist Arbeit gegen Ausgrenzung, Gleichgültigkeit und Akzeptanz falscher Werte. Seit 1984 macht der Verein diese Arbeit. Mit einer Feierstunde hat er, der seine Gründung an der Fertigstellung der Geschichtsdokumentation über Hemsbacher Bürger jüdischen Glaubens festmacht, am Sonntag sein 40-jähriges Bestehen gefeiert. Diese Dokumentation ist von der damaligen Schillerschul-Lehrerin Margret Richter und ihren Schülern verfasst worden. Mit dem Synagogengebäude als Ort bildet sie das Fundament des Vereinsengagements.
Patrick Baumgärtner, seit einem Jahr neuer Vorsitzender des Fördervereins, begrüßt in der Ehemaligen Synagoge eine große Zahl anwesender Gratulanten aus Politik, Partner umgebender Synagogenvereine, der verbundenen örtlichen Schulen, der Kirchen und übermittelt weitere Grußnoten nicht persönlich Anwesender. Am anrührendsten sind die Grüße aus den USA von Nancy Chertok, Judy Green, Fred Newmann, Jacob Green und Arthur Maas. Sie sind die Nachkommen ehemaliger jüdischer Hemsbacher, die mit dem Verein in lebendigem Kontakt stehen.
Landtagspräsidentin, Muhterem Aras ist für ein Grußwort persönlich gekommen. Sie war im Rahmen ihrer jährlichen Gedenkstättenreisen 2022 zuvor in Hemsbach, ist über Geschichte jüdischen Lebens in Hemsbach, der Synagoge, des jüdischen Friedhofs und über die seit 40 Jahren geleistete Arbeit des Fördervereins bis ins Detail informiert.
Leidenschaft und Zielstrebigkeit bescheinigt sie den über 100 Vereinsangehörigen. „Hier in Hemsbach ist die Zivilgesellschaft vorangegangen, nicht die Politik“, benennt sie den Erfolgsfaktor der Gedenkarbeit des Vereins. Von Politikseite gibt es in der Arbeit jedoch Unterstützung durch die Landeszentrale für politische Bildung. „Verstehen des Judentums fördern und zugleich einen Beitrag im Kampf gegen jede Form von Antisemitismus, Judenfeindschaft und Rassismus leisten“, hält Aras für ein weitsichtiges Engagement des Vereins, das leider immer notwendiger sei. Eindeutig ihr Appell, einzustehen für die demokratischen Werte in der Gesellschaft: „Die Demokratie muss überzeugender sein als die Demagogie“. Aras weiß, dass das unermüdliche Arbeit bedeutet, zu der der Verein seit 40 Jahren seinen Beitrag leistet. „Vereine stehen unter dem Schutz des Grundgesetzes. Und Sie im Förderverein schützen umgekehrt die Werte dieser Verfassung: Das Grundgesetz konnte sich entfalten, dank Menschen wie Ihnen“, gibt sie als „ein von Herzen großes Dankeschön!“, an den Förderverein zurück.
Bürgermeister Jürgen Kirchner, der zehn Jahre nach dem letzten runden Vereinsjubiläum wieder ein Grußwort spricht, sieht mit aktueller Sorge, „dass wir einen Krieg mitten in Europa haben, dass wir unsere Demokratie verteidigen müssen“, und mit Blick auf die Arbeit des Fördervereins, „dass wir bangen Blicks nach Nahost schauen“. Die vom Verein lebendig gehaltene Erinnerungskultur, statt sich auf die Politik zu verlassen, sieht Kirchner wie die Landtagspräsidentin. Er hält dessen Arbeit „von unschätzbarem Wert für unsere Stadtgesellschaft“. Der Rathauschef freut sich über den Weg, den der Verein zu seiner Verjüngung und funktionierendem Generationswechsel genommen hat.
Die Übergabe der Leitungsverantwortung vom Vereinsgründer und Motor Albrecht Lohrbächer 2023, kurz nach seinem 80. Geburtstag, an Patrick Baumgärtner ist ein Schritt gelungener Verjüngung. Die Kooperation mit den weiterführenden Schulen am Ort und besonders mit der Oberstufe des Bergstraßengymnasiums, wo Baumgärtner als Lehrer tätig ist, ist ein weiterer. Mit Baumgärtner und weiteren neuen jungen Vorstandsmitgliedern hat der Verein Erinnerungsarbeit methodisch erweitert, Bildungsformate geschaffen, hat sich in der Gegenwart des realen Antisemitismus und der Entgegnung zu antiisraelischen Haltungen positioniert und geht seine Zukunft optimistisch an.
Euphorisch ist Baumgärtner in seinem Grußwort vor dem Hintergrund des 7. Oktober 2023 zwar nicht, „für Prävention ist es zu spät“, sagt er. Aber er gibt sich entschlossen, antidemokratische Tendenzen zurückzudrängen, der Verherrlichung von Gewalt zu begegnen, Antisemitismus als solchen klar zu benennen und für jüdisches Leben im gegenwärtigen Deutschland aktiv einzutreten. Vereinsgründer Albrecht Lohrbächer selbst präsentiert bei der Jubiläumsfeier einen Rückblick auf 40 Jahre Arbeit des Fördervereins. Es macht Spaß, mitzuerleben, dass der Seniorvereinschef sich selbst über die Fülle von Aktivitäten und Erfolgen fast etwas wundert. Die Initiativen des Vereins mit Informations-, Bildungs- und Kulturveranstaltungen, Begegnungen mit Persönlichkeiten aus der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, aus Politik, Kultur und Kunst in der Synagoge waren und sind Teil gesellschaftlichen Lebens in Hemsbach. Matin Ilkhani von der Musikschule Badische Bergstraße sorgte am Klavier mit Stücken von Bach, Chopin und Ernest Bloch für den musikalischen Rahmen der Feierstunde. (ben/red)