Mit der Bildung der Stadt Kraichtal am 1. September 1971 musste auch das Feuerwehrwesen in Kraichtal neu strukturiert werden. Nach mehreren Sitzungen im Gemeinderat konnte schließlich am 8. Mai 1974 die neue Satzung verabschiedet werden. Die Kraichtaler Feuerwehr feiert also nun ihren 50. Geburtstag – Grund genug für den Kraichtalboten dieses halbe Jahrhundert Revue passieren zu lassen.
Wahrscheinlich hat die Freiwillige Feuerwehr in diesem halben Jahrhundert ihren größten Wandel erlebt, auch wenn es sie eigentlich schon sehr viel länger gibt. Seit 1870 in Unteröwisheim und 1901 in Oberöwisheim gibt es in Kraichtal Feuerwehren. Zuvor bestimmte die Feuerordnung von 1751 unter anderem, dass „bei Ausbruch eines Feuers jedermann sofort alles liegen und stehen lassen und zum Löschen desselben herbeieilen soll“. Das Reichsfeuerwehrgesetz von 1938, das der unmittelbaren Kriegsvorbereitung der Nationalsozialisten diente, verpflichtete dann jeden Ortsteil und jede Kommune zur Einrichtung einer eigenen Feuerwehr. Nach dem Krieg waren die Feuerwehren dann jedoch stark dezimiert. Wer aus dem Krieg zurückgekehrt war, wollte aufgrund der Erfahrungen und Erlebnisse oft keine Uniform mehr tragen. Dennoch entwickelte sich ganz langsam ein Neuanfang, angetrieben durch ein erstes motorisiertes Fahrzeug in Gochsheim.
Zur Gründungszeit der Kraichtaler Feuerwehr Anfang der 70er hatte dann jede Abteilung ein motorisiertes Feuerwehrfahrzeug und in den folgenden Jahrzehnten ging die Entwicklung stetig voran bis hin zu einer modernen, bestens ausgestatteten Institution zum Schutz aller Bürger, die sich immer wieder an die aktuellsten Erfordernisse anpasst.
Nachdem bereits ein Jahr zuvor eine erste gemeinsame Kraichtaler Übung stattgefunden hatte, wurde bei der Gründungsversammlung am 25. Mai 1974 in Oberacker Helmut Frank aus Neuenbürg zum ersten Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr Kraichtal ernannt. Exakt 50 Jahre später wird am 25. Mai dieses Jahres an derselben Stelle ein großer Festakt zum Jubiläum gefeiert werden. Die zukünftige enge Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen der einzelnen Ortsteile hatte die Jugend der Feuerwehr 1973 bereits vorweggenommen und mit einem vereinten Zeltlager im Hühnerbüschle mit Lagerfeuer und Feldgottesdienst den gemeinsamen Weg gewiesen.
Der neue Stadtkommandant stand zunächst vor der großen Herausforderung, neun bislang eigenständige Feuerwehren zu einer Gemeinschaft aus neun gleichberechtigten Abteilungen zu vereinen. So mussten nach der Fusionsvereinbarung zum Beispiel die Unterbringung der Feuerwehren in Gochsheim und Neuenbürg verbessert werden. Die ersten gemeinsamen Einsätze folgten schließlich beim Großbrand der Ziegelei Bott in Gochsheim im Herbst 1974 oder einige Jahre später beim Brand im Unteröwisheimer „Schloss“, als das Hauptgebäude des ehemaligen Maulbronner Pflegehofs in Flammen stand und der Dachstuhl auch mit massivem Feuerwehreinsatz nicht gerettet werden konnte.
Da die neu gebaute Bahnstrecke Mannheim–Stuttgart durch Kraichtaler Gemarkung verläuft, wurde die hiesige Feuerwehr zu einer sogenannten „Portalswehr“. Um bei einem möglichen Zugunglück entsprechend vorbereitet zu sein, sind seitdem regelmäßige Übungen in dem hügeligen Waldgebiet gepaart mit einer gründlichen Ortskenntnis nötig. Und als neuerdings dann alle Stadtteile an die Erdgasversorgung angeschlossen wurden, kam ein weiteres Einsatzspektrum hinzu: Jeder Ausrückbereich wurde nun mit einem Gasmessgerät ausgestattet, um auch auf Unglücke in diesem Bereich vorbereitet zu sein. Zur Eröffnung der neuen Stadtbahnlinie stellte die AVG einen speziellen Hebesatz zur Verfügung, mit dem die Feuerwehr bei einem Unfall die Stadtbahn anheben könnte.
Ein weiterer außergewöhnlicher Einsatz forderte die Kameraden im Jahre 1994. Als beim Großbrand in der Ettlinger Spinnerei das Gebäude mehr als eine Woche lang brannte, übernahm auch die Feuerwehr aus Kraichtal eine 24-Stunden-Brandwache.
Die 90er standen außerdem ganz im Zeichen des technischen Fortschritts und der Modernisierung. Alle Abteilungen wurden mit Funkmeldeempfängern ausgestattet und die neu entwickelte feuerfeste Einsatzjacke wurde nach und nach beschafft. Außerdem sollten bis 2001 alle Abteilungen mit einem Löschfahrzeug mit Löschwassertank ausgestattet sein.
Die weitverbreitete Sorge, der Jahreswechsel ins neue Jahrtausend könnte zum Ausfall der Computersysteme führen, machte auch vor der Feuerwehr nicht halt. Für den Fall, dass keine Alarmierung per Funkmeldeempfänger mehr möglich sein würde, wurden alle Feuerwehrhäuser personell besetzt. Glücklicherweise blieb der große Blackout aus und seit 2002 wird nicht mehr per Funk, sondern über eine digitale Alarmierung zum Einsatz gerufen.
Auch im neuen Jahrtausend veränderten sich die Einsatzgebiete weiter. Mehr als die Hälfte aller Einsätze dient heute dem Schutz der Umwelt oder der Hilfeleistung bei Verkehrsunfällen. Und wenn es brennt, geht es heute nicht mehr nur darum, das Feuer einzudämmen, sondern auch den Sachschaden gering zu halten. Wo früher mit massivem Wassereinsatz gekämpft wurde, wird das Feuer heute „von innen“ mit Atemschutz und modernen Hohlstrahlrohren angegriffen.
Was direkt nach der Gründung mit den neuen Unterbringungsmöglichkeiten für die Abteilungen Neuenbürg und Gochsheim begonnen worden war, zog sich wie ein roter Faden durch die Jahrzehnte hinweg. Die Ausstattung und Modernisierung blieb Kernpunkt der Kraichtaler Feuerwehr. Um den immer weiter wachsenden Anforderungen und neuen Einsatzbereichen gewachsen zu sein, darf die Technik nicht hinterherhinken. Und so unterstützte das Land Baden-Württemberg von 1984 bis 92 die finanzschwache Stadt Kraichtal mit einem erhöhten Fördersatz zur Verbesserung der Ausstattung. Das Ergebnis waren neue Feuerwehrhäuser in Bahnbrücken, Gochsheim, Landshausen, Oberacker und Oberöwisheim; zwei Löschfahrzeuge für Münzesheim und Unteröwisheim sowie Folgeprogramme, die zum Beispiel für das 2018 erbaute Feuerwehrhaus in Neuenbürg genutzt werden konnten.
2007 übernahm Christian Sommer das Kommandantenamt und wurde nach seinem Abschied 2016 zum jüngsten Ehrenkommandanten ernannt. Er trieb das Thema Ausstattung weiter voran. Am Ende stand der Umbau des Feuerwehrhauses in Unteröwisheim mit einem neuen Fuhrpark, sowie als großer Meilenstein das Münzesheimer Feuerwehrhaus, das erstmals eine Kleiderkammer, einen Waschplatz und einen Unterrichtsraum vereint sowie Platz für die Fahrzeuge der Gesamtwehr bietet. Darüber hinaus erweiterte die Kraichtaler Feuerwehr ihre regionale Zusammenarbeit, indem sie Vereinbarungen mit den Gemeinden Ubstadt-Weiher und Bad Schönborn traf.
Erleichtert wurde die Arbeit der ehrenamtlich tätigen freiwilligen Floriansjünger in Kraichtal durch die sogenannte Tagalarmgruppe der Stadt. Alle Mitglieder der Feuerwehr, die bei der Stadtverwaltung oder den Eigenbetrieben beschäftigt sind, können während der Dienstzeit kleinere Einsätze wie zum Beispiel die Beseitigung von Ölspuren erledigen und somit die anderen ehrenamtlichen Mitglieder entlasten.
Heute sind unter Kommandant Mathias Bauer mehr als 300 dieser ehrenamtlichen Einsatzkräfte in Kraichtal vereint. Aus reiner Brandbekämpfung ist eine hoch ausgebildete und technisch sehr gut ausgestattete Hilfsorganisation geworden. In vielfältigen Gefahrensituationen zeigen sie stete Einsatzbereitschaft und bereiten sich in regelmäßigen Übungen und Lehrgängen auf den Ernstfall vor. (nat)