In diesem Jahr feiern wir 50 Jahre Zusammenschluss von Kirrlach, Waghäusel und Wiesental. Die Vereinbarung zur Neubildung der Gemeinde trat zum 1. Januar 1975 in Kraft.
Am 13. Januar 1975 war Robert Straub vom Übergangsgemeinderat zum Amtsverweser gewählt worden. Nach den gesetzlichen Vorgaben musste bis spätestens 30. Juni 1975 ein Bürgermeister gewählt werden. Der Gemeinderat legte als Termin für die Wahl den 1. Juni und für einen eventuellen zweiten Wahlgang den 15. Juni fest. Im ersten Wahlgang brauchte es die absolute Mehrheit der Stimmen, in der Stichwahl hätte die einfache Mehrheit genügt. Das Mindestalter für die Wählbarkeit zum Bürgermeister lag bei 25 Jahren. Eine Verpflichtung, als Bewerber in der Gemeinde zu wohnen, gab es nicht.
Am 15. Januar wurde die Stelle im Staatsanzeiger Baden-Württemberg ausgeschrieben. Bewerbungen konnten bis spätestens Montag, 12. Mai, 18 Uhr, beim Hauptsitz der Gemeindeverwaltung im Rathaus Kirrlach zu Händen des Ersten Amtsverweser-Stellvertreters Rupert Baumann eingereicht werden.
Am Ende der Frist gab es drei Bewerber: Am 16. Januar war die Bewerbung von Emil Groß (FWV), 52 Jahre, Wiesentaler Bürgermeister a. D., eingegangen, am 24. Februar die von Amtsverweser Robert Straub (CDU), 39 Jahre, Lehrer aus Kirrlach, und am 4. März schließlich die von Karl Flösser (parteilos), 51 Jahre, Offsetfachmann aus Karlsruhe.
Die SPD hatte „schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt ihren Verzicht auf einen eigenen Kandidaten durchblicken lassen“, schrieb die Bruchsaler Rundschau am 15. Mai und vermutete mit Blick auf die Ergebnisse der Gemeinderatswahlen im April: „Sehr wahrscheinlich haben die Kommunalwahlen einen Teil der Spannung bereits absorbiert“.
Es fanden Kandidatenvorstellungen in allen Ortsteilen jeweils um 20 Uhr statt: am 22. Mai in Waghäusel in der Sporthalle, am 26. Mai in Wiesental in der Turnhalle der „neuen Schule“ (= Bolandenschule II) und am 27. Mai in Kirrlach in der Rheintalhalle. Die Versammlungsleitung lag bei Gemeinderat Vinzenz Trunk (CDU, Wiesental), dem am 6. Mai neu gewählten Ersten Bürgermeister-Stellvertreter und Vorsitzenden des Gemeindewahlausschusses. Über die Reihenfolge der Redner entschied das Los. Jeder Bewerber bekam maximal 20 Minuten Redezeit, im Anschluss konnten Fragen gestellt werden.
Beim ersten Vorstellungstermin am 22. Mai in Waghäusel wurde als erster Redner der auswärtige Kandidat Karl Flösser ausgelost. Er sprach allerdings nur knapp zwei Minuten. Kurz vor der zweiten Vorstellung teilte er am 26. Mai mit, dass er aus gesundheitlichen Gründen gezwungen sei, seine Bewerbung zurückzuziehen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Stimmzettel für die Bürgermeisterwahl mit den Namen der drei Kandidaten allerdings bereits gedruckt.
Der Wahlkampf hatte sich auf Emil Groß und Robert Straub konzentriert.
Emil Groß wurde 1923 in Wiesental geboren. Er schloss die Höhere Handelsschule in Bruchsal mit der Mittleren Reife ab und absolvierte eine Ausbildung in der Finanzverwaltung. Von 1941 bis 1945 war er als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Danach arbeitete er in der öffentlichen Steuerverwaltung in den Finanzämtern Heidelberg und Mannheim.
Er verwies auf seine Kenntnisse in Steuer- und Verwaltungsrecht sowie seine lange kommunale Erfahrung als Gemeinderat ab 1956, als Bürgermeister ab 1962, als Kreisrat ab 1965 und als Mitglied mehrerer überregionaler Verbände wie dem Regionalverband Mittlerer Oberrhein, dem Gemeindetag Baden-Württemberg und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund. Er betonte seine politische Unabhängigkeit. Die Bruchsaler Rundschau zitierte ihn am 24. Mai, er sehe die Arbeit eines Bürgermeisters als „neutral zu verantwortende, harte Unternehmeraufgabe an, die keine parteipolitische Auseinandersetzung behindern sollte“.
Robert Straub wurde 1935 in Kirrlach geboren, besuchte das Gymnasium in Mannheim und studierte Altphilologie an der Universität Heidelberg. Als Lehrer unterrichtete er an Gymnasien in Heidelberg, Wertheim, Schwetzingen und Philippsburg. Er engagierte sich früh in der Jungen Union, deren Kreisvorsitzender er wurde. Von 1971 bis 1975 war er Vorsitzender des CDU-Ortsverbands. Ab 1968 war er Gemeinderat, ab 1971 Erster Bürgermeister-Stellvertreter und ab 1971 Kreisrat.
Er wies darauf hin, dass sich die Bevölkerung durch seine Arbeit als Amtsverweser seit Januar ein Bild habe machen können über seine Qualifikation, seinen Sachverstand und seine Führungsqualitäten und „daß Sie mir die Geschicke unserer Gemeinde und ihre persönlichen Probleme anvertrauen können“, so die Bruchsaler Rundschau ebenfalls am 24. Mai.
Hinweis: Die Beiträge des Stadtarchivs zu 50 Jahre Fusion sind auch auf der städtischen Internetseite eingestellt unter: www.waghaeusel.de/stadt-wirtschaft/geschichte-wappen/50-jahre-gemeindefusion
(von Katja Hoffmann, Stadtarchivarin)
(Fortsetzung folgt)